Renzi-Verordnung in Kraft: Steuergutschrift von 80 Euro/Monat für Lohnabhängige und IRAP-Reduzierung um 10%; schwerwiegende Gegenfinanzierungsmaßnahmen
Im Amtsblatt Nr. 95 vom letzten Donnerstag, den 24. April 2014, ist die G.V. Nr. 66 vom 24. April 2014 veröffentlicht worden. Die Verordnung, allgemein bekannt unter dem Arbeitstitel „Decreto Renzi“, trägt die viel versprechende Bezeichnung „Dringlichkeitsmaßnahmen für die Wettbewerbsfähigkeit und soziale Gerechtigkeit“. Sie ist noch am selben Tag in Kraft getreten. Aus steuerrechtlicher Sicht enthält die Maßnahme nach dem gängigen Motto „Zuckerbrot du Peitsche“ die viel diskutierte Steuergutschrift für Lohnabhängige mit geringem Einkommen und eine Reduzierung des Hebesatzes der IRAP; im Gegenzug wird die Abgeltungssteuer bei Kapitalerträgen von 20% ab 1. Juli 2014 auf 26% angehoben, wird die Besteuerung von Einkünften aus der Energieproduktion in landwirtschaftlichen Unternehmen erhöht, wird die anstehende Aufwertung von Betriebsgütern nochmals uninteressanter gemacht und werden schließlich einige Begünstigungen für die IMU auf den Prüfstand gestellt. Parallel dazu soll der Kampf gegen die Steuerhinterziehung abermals intensiviert werden. Nachstehend ein Überblick über die Neuerungen:
- Steuergutschrift für Lohnabhängige:
Bezieher von Lohneinkünften und diesen gleichgestellten Einkünften (freie Mitarbeiter, also auch Verwaltungsräte, Projektmitarbeiter u. ä.) mit einem jährlichen Einkommen zwischen 8.000 und 24.000 Euro wird für 2014 eine Steuergutschrift in Höhe von 640 Euro/Jahr zuerkannt. Die Gutschrift von 640 Euro ist anteilig nach Tagen an die Dauer des Arbeitsverhältnisses anzupassen. Wer 2014 nur 6 Monate arbeitet, hat also Anrecht auf rund 320,00 Euro. Soweit das Arbeitsverhältnis das ganze Jahr aufrecht bleibt, wird in den Monaten Mai bis Dezember eine monatliche Gutschrift von 80,00 Euro gewährt werden. Übersteigt das Lohneinkommen die Schwelle von 24.000 Euro, wird bis zu 26.000 Euro noch eine degressive Gutschrift gewährt. Bei höheren Einkünften hingegen ist Schluss. Völlig ausgeschlossen sind übrigens Pensionsempfänger.
Der Bonus wird in Form einer Steuergutschrift zuerkannt, und zwar für Steuerpflichtige mit einer geschuldeten Bruttosteuer, die höher ist als die Steuerabsetzbeträge für die Arbeitnehmer. Die anderen Absetzbeträge für die Familienlasten oder für Sonderausgaben werden offensichtlich nicht berührt. Daraus folgt, dass die Gutschrift auch dann zusteht, wenn die geschuldete Steuer aufgrund von Sonderausgaben oder aufgrund der Absetzbeträge für Familienlasten negativ ist.
Die Steuergutschrift wird durch den Arbeitgeber ab Mai 2014 ausgezahlt und kann von diesem mit Steuern und Sozialabgaben verrechnet werden. Sie ist für die IRAP beim Arbeitgeber irrelevant und stellt auch beim Lohnabhängigen kein steuerpflichtiges Einkommen dar.
Die Maßnahme ist in den letzten Wochen mit großem Presseecho angekündigt worden und soll einen wesentlichen Beitrag zur Wiederankurbelung der italienischen Wirtschaft darstellen. Tatsächlich muss man aber der Kritik in der letzten Ausgabe der Südtiroler Wirtschaftszeitung Recht geben, wonach es sich bei der Maßnahme eigentlich nur um eine längst überfällige und unterm Strich unzureichende Anpassung zur Linderung der kalten Steuerprogression handelt.
Lohnberatern wird die korrekte Anwendung der Erleichterung sicher noch viel Kopfzerbrechen bereiten. Positiv angemerkt werden muss, dass die Agentur der Einnahmen mit Rundschreiben Nr. 8 vom 28. April 2014 umgehend erste praktische Anweisungen veröffentlicht hat.
- Reduzierung der IRAP:
Für Unternehmer und Freiberufler hingegen sieht die Verordnung Nr. 66/2014 eine Verminderung der Wertschöpfungssteuer IRAP um durchschnittlich rund 10% vor. Konkret wird der Regelsatz für das nach dem 31. Dezember 2013 beginnende Geschäftsjahr von bislang 3,9% auf 3,5% vermindert. Gleichwertige Reduzierungen gibt es auch in all jene Bereiche, wo derzeit besondere Hebesätze vorgesehen sind: So wird der Hebesatz in der Landwirtschaft von 1,9% auf 1,7%, für Konzessionsinhaber von zuvor 4,2% auf 3,8%, für Banken von zuvor 4,65% auf 4,2% und für Versicherungen von bislang 5,9% auf 5,3% gesenkt. Keine Reduzierungen gibt es für öffentliche Körperschaften, die einen Hebesatz von 8,5%, bemessen auf die Lohnkosten, anwenden müssen.
Um die Auswirkungen auf den Staatshaushalt für das laufende Jahr zu lindern, wurden eigene Hebesätze für die Vorauszahlungen eingeführt, welche die endgültige Reduzierung in etwa halbieren. So ist beim Regelsatz die Vorauszahlung mit 3,75% zu berechnen (Konzessionsinhaber 4%, Banken, 4,5%, Versicherungen 5,7% und Landwirte 1,8%).
Die Verordnung Nr. 66/2014 sieht zudem vor, dass geänderte Hebesätze in den Regionen an die Änderung anzupassen sind. Im Detail dürfen der Aufschlag bzw. die Minderung im Vergleich zum bisherigen Regelsatz beibehalten werden, der Basissatz muss aber durch den neuen Hebesatz ersetzt werden.
Südtirol muss sich nach den jüngsten Erweiterungen der Autonomie offensichtlich nicht mehr an die staatlichen Regelsätze halten; sollte die Reduzierung aber übernommen werden, so ist zunächst zu beachten, dass hierzulande der Regelsatz für 2014 bereits von 2,98% auf 2,88% reduziert worden ist. Wird auch die neue staatliche Begünstigung nach den aufgezeigten Vorgaben der Verordnung übernommen, so müsste der Regelsatz für 2014 abermals auf 2,48% reduziert werden.
Abgesehen von Südtirol ist zu beachten, dass die Regionen um maximal 0,92 Punkte vom Regelsatz abweichen dürfen.
- Abschaffung der Quellensteuer auf Auslandsüberweisungen:
Zur Erinnerung: Mit dem Europa-Gesetz 2013 (Ges. Nr. 97/2013) wurde im September 2013 unter anderem das sogenannte Überwachungsverfahren (Meldepflicht im Vordruck RW) reformiert und eine Abzugsteuer (entry-tax) von 20% auf Kapitalrückflüsse zu Gunsten von natürlichen Personen aus dem Ausland mit Wirkung 1. Jänner 2014 eingeführt. Die operative Anwendung durch die Banken hätte ab 1. Februar 2014 erfolgen sollen, wurde dann aber aufgrund des allgemeinen Protestes vorerst durch eine Verordnung des Direktors der Einnahmenagentur bis 30. Juni 2014 ausgesetzt.
Mit Art. 4 Abs. 2 der GV 66/2014 wird diese Quellensteuer nun endgültig abgeschafft. Die Kehrseite der Medaille: Die betroffenen Vermögen sind wiederum im Vordruck RW der Steuererklärung zu melden.
Gegenfinanzierungsmaßnahmen:
Die aufgezeigten Erleichterungen, die zweifelsohne zu begrüßen sind, müssen teuer erkauft werden. Nachstehend die wichtigsten Gegenfinanzierungsmaßnahmen:
- Abschaffung der Ratenzahlung bei der Aufwertung:
Unmittelbar zu beachten ist die Abschaffung der Ratenzahlung für die Ersatzsteuer auf die etwaige Aufwertung von Betriebsgütern im Jahresabschluss 2013. Bekanntlich sieht das Haushaltsgesetz für 2014 die Möglichkeit der Aufwertung vor, allerdings gegen eine allgemein als zu hoch empfundene Ersatzsteuer von 12%. Für diese war bisher die zinsfreie Zahlung in drei Jahresraten vorgesehen; nun ist sie sofort als einmaliger Betrag bei Fälligkeit der Ertragsteuern im Juni/Juli zu leisten. Die Aufwertung hat bislang kaum Interesse gefunden und verliert durch die aufgezeigte Maßnahme sicher abermals an Attraktivität.
- Erhöhung der Abgeltungssteuer auf Finanzerträge ab 1. Juli 2014:
Die wichtigste Gegenfinanzierungsmaßnahme ergibt sich jedoch aus der Erhöhung der Abzugssteuern auf Finanzerträge. Sie werden ab 1. Juli 2014 von bisher 20% auf 26% erhöht. Dies betrifft vor allem Bankzinsen und Obligationsdarlehen sowie Dividenden aus nicht wesentlichen Beteiligungen. Unverändert bleibt hingegen die verminderte Abzugsteuer von 12,5 Prozent für die inländischen und ausländischen Staatsanleihen.
Von der Änderung nicht betroffen sind Veräußerungsgewinne und Dividenden aus wesentlichen Beteiligungen.
Hinweise:
- Da für die Besteuerung von Kapitalerträgen i. d. R. das Kassaprinzip gilt, ist es aus steuerrechtlicher Sicht zu empfehlen, Dividenden aus nicht wesentlichen Beteiligungen noch innerhalb 30. Juni 2014 auszuzahlen bzw. Veräußerungsgewinne aus der Abtretung von solchen Beteiligungen noch innerhalb Juni zu realisieren.
- Zudem gewinnt die Möglichkeit, Beteiligungen innerhalb 30. Juni 2014 noch gegen Zahlung einer Ersatzsteuer von 2% (nicht wesentliche Beteiligungen) aufzuwerten, nochmals an Attraktivität.
- Besteuerung der Energieproduktion in landwirtschaftlichen Unternehmen:
Landwirtschaftliche Unternehmen, welche in Ausübung einer Nebentätigkeit elektrische Energie aus erneuerbaren Quellen (insbesondere Photovoltaik, Bioenergie) erzeugen, dürfen die entsprechenden Einkünfte – auch wenn die einschlägigen subjektiven und sachlichen Voraussetzungen erfüllt werden – ab 2014 nicht mehr über die Katastererträge besteuern. Sie haben die Möglichkeit, den Gewinn entweder nach den einschlägigen Bilanzierungsvorschriften analytisch zu ermitteln oder aber als Pauschalbetrag im Ausmaß von 25% des entsprechenden Umsatzes, für welchen nach den einschlägigen Bestimmungen eine MwSt-Rechnung zu erstellen ist.
Ziel der Maßnahme ist es offensichtlich, die vielen Photovoltaikanlagen in landwirtschaftlichen Unternehmen stärker zu besteuern. Dabei ist aber zu beachten, dass nach derzeitiger Rechtslage nur für den Stromverkauf Rechnungen zu erstellen sind, während die Förderbeiträge des GSE außerhalb des Anwendungsbereichs der Mehrwertsteuer liegen. In der Regel rühren z. B. bei Photovoltaikanlagen nur rund 10% - 20% der Einkünfte aus diesen Anlagen tatsächlich auch aus dem Stromverkauf her, während die Beihilfen rund 80% - 90% ausmachen. Insofern führt die Neuerung nicht unbedingt zu einer untragbaren Mehrbelastung.
Achtung: Die Neuerung betrifft nicht nur landwirtschaftliche Kapitalgesellschaften, sondern alle Gesellschaftsformen und auch landwirtschaftliche Einzelunternehmen. Sie gilt für das nach dem 31. Dezember 2013 beginnende Geschäftsjahr und muss bereits bei der anstehenden Steuervorauszahlung berücksichtigt werden; sicher wieder ein erheblicher Verwaltungsaufwand! Zudem wird die Verordnung bis zum 16. Juni 2014 kaum in Gesetz umgewandelt sein, so dass es zu empfehlen ist, die Steuerzahlung mit einem Aufschlag von 0,4% erst im Juli vorzunehmen.
Die Änderung dürfte nach ersten Kommentaren in der Fachpresse auch zur Folge haben, dass die IRAP auf diesen Gewinnen nicht mehr zum verminderten Satz von in Zukunft 1,7%, sondern zum Regelsatz zur Anwendung kommt.
- IMU in Berggebieten:
Die Einordnung der Berggebiete, in welchen landwirtschaftlich genutzte Grundstücke völlig von der IMU befreit sind, soll nach den Vorgaben der G.V. 66/2014 überprüft werden. Konkret sollen mit einer eigenen Durchführungsbestimmung die Berggebiete neu abgegrenzt werden.
Anmerkung am Rande: Ganz Südtirol ist derzeit als Berggebiet klassifiziert mit der Folge, dass hierzulande für landwirtschaftliche Grundstücke in der Vergangenheit – im Unterschied zum restlichen Staatsgebiet - keine IMU geschuldet war. In der Zwischenzeit ist in Südtirol aber die IMU durch die neue Gemeindeimmobiliensteuer GIS abgelöst worden, und bei dieser Steuer sind die landwirtschaftlichen Grundstücke als Steuertatbestand offensichtlich „vergessen“ worden. Die Folge: Die Neuabgrenzung der Berggebiete dürfte für Südtirol ohne Auswirkung bleiben.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Josef Vieider
Herunterladen R-21-29.04.2014 Renzi-Verordnung