Die neue Gemeindeimmobiliensteuer GIS für in Südtirol gelegene Liegenschaften

Die neue Gemeindeimmobiliensteuer GIS für in Südtirol gelegene Liegenschaften

Nach dem Chaos um die IMU-Befreiung der Hauptwohnung im letzten Jahr hat das Land Südtirol unter Inanspruchnahme seiner autonomen Befugnisse sich selbst ein Gesetzeswerk für die Gemeindeimmobiliensteuer gegeben. Das sog. GIS-Gesetz (L.G. Nr. 3/2014) ist am 29. April 2014 im Amtsblatt veröffentlicht worden und am 14. Mai 2014 in Kraft getreten. Die Gemeindeimmobiliensteuer „GIS“ bzw. auf italienisch „IMI“ ersetzt in Südtirol die staatliche IMU und zusätzlich auch die ab 2014 auf dem restlichen Staatsgebiet zu entrichtende Steuer auf die sog. unteilbaren Dienste (TASI). Leider ist der Start in die Südtiroler Steuerautonomie äußerst unglücklich verlaufen: Das gerade in Kraft getretene Gesetz kommt rückwirkend für 2014 zur Anwendung, was eigentlich gegen die Charta des Steuerzahlers verstößt. Zudem ist es den Gemeinden nicht möglich, bis zur 1. Fälligkeit am 16. Juni 2014 die eigentlich notwendigen Verordnungen zu erlassen, in welchen Hebesätze und Absetzbeträge geregelt werden sollten. Folglich ist es auch Wirtschafts- und Steuerberatern sowie den diversen CAFs nicht möglich, die Steuern zu berechnen oder auch nur sorgfältig zu kontrollieren. Die Steuerbelastung insbesondere bei gewerblichen Liegenschaften sollte um rund 25% unter jener des Vorjahres liegen; im Gegenzug wird die Hauptwohnung aber wieder besteuert, und auch bei der Absetzbarkeit der Gemeindesteuer im Rahmen der Einkommensteuern gibt es Probleme. Nachstehend ein erster Überblick zur neuen Abgabe:

  1. Steuergegenstand:

Der Steuergegenstand besteht wie bei der IMU in dinglichen Rechten an Liegenschaften auf dem Gemeindegebiet, und zwar insbesondere an

- Gebäuden, einschließlich der Hauptwohnungen und entsprechenden Zubehöreinheiten, sowie an

- Baugrundstücken.

Nicht mehr Steuergegenstand sind landwirtschaftliche Grundstücke, welche in Südtirol aber auch in der Vergangenheit aufgrund der einschlägigen Begünstigungen für die Berggebiete befreit waren.

Als Gebäude gelten solche, die im  Gebäudekataster eingetragen sind oder einzutragen wären; neu errichtete Gebäude gelten ab der Fertigstellung als solche bzw. ab dem früheren Datum ihrer tatsächlichen Nutzung.

Mit Bezug auf die Baugrundstücke wird festgehalten, dass diesbezüglich auf den Bauleitplan abzustellen ist. Im Unterschied zur IMU wird festgehalten, dass ein Bauland erst dann vorliegt, wenn es als solches im endgültig genehmigten und im Amtsblatt der Region veröffentlichten Gemeindebauleitplan aufscheint, allerdings unabhängig von der Genehmigung der entsprechenden Durchführungspläne.

Hingegen gilt wie bei der früheren IMU abweichend die Regelung, dass die von selbst bewirtschaftenden oder beruflichen Landwirten für landwirtschaftliche Zwecke genutzten Baugrundstücke nicht als Bauland eingestuft werden.

Ähnlich wie bei der IMU sind die nachstehenden Liegenschaften befreit: Gebäude von bestimmten öffentlichen Körperschaften, die Kirchen sowie die Alters- und Pflegeheime, landwirtschaftliche Betriebsgebäude (ausgenommen jene der Genossenschaften) und die Wohnungen auf der Hofstelle für die Saisonarbeiter. Achtung: Im Unterschied zur IMU sind die Hauptwohnungen nicht mehr absolut von der Steuer befreit.

  1. Subjektive Steuerpflicht:

Steuerpflichtig sind die Eigentümer der Liegenschaften, aber auch die Inhaber von Realrechten wie Fruchtgenuss, Nutzungsrecht, Wohnrecht, Oberflächenrecht und anderen dinglichen Rechten an Liegenschaften. Bei Erwerb von Liegenschaften mittels Finanzierungsleasing besteht die Steuerpflicht wie bei der IMU zu Lasten des Leasingnehmers. Sonderbestimmungen gelten für Wohnungen geschiedener Ehepartner.

  1. Bemessungsgrundlage der Steuer:

Die Bemessungsgrundlage hängt von der Art der Immobilie ab, wobei im Wesentlichen die Bestimmungen der IMU übernommen wurden.

Für Gebäude ist die Steuer auf den Katasterwert zu berechnen, der durch die Anwendung der nachstehenden Multiplikatoren auf die Katastererträge laut Auszug aus dem Gebäudekataster ermittelt wird:

Liegenschaft Multiplikator
 

Gebäude

 

 

 

 

 
168 Kat. A (außer A/10), C/2, C/6 und C/7
147 Kat. B, C/3, C/4 und C/5
84 Kat. A/10 und D/5
68,25 Kat. D, außer D/5
57,75 Kat. C/1

Hinweis: Die Berechnung hat sich im Vergleich zur IMU im Ergebnis nicht verändert, nur dass dort zunächst die Katastererträge um 5% aufgewertet worden sind und dann entsprechend geringere Multiplikatoren zur Anwendung kamen.

Nicht mehr zur Anwendung kommt scheinbar die Regelung, wonach bei noch nicht im Kataster eingetragenen Gebäuden der Kategorie D (gewerbliche Baueinheiten) im Eigentum von Unternehmen die GIS aufgrund der aufgewerteten Baukosten ermittelt werden darf.

Bei den Baugrundstücken hat man den Verkehrswert zum 1. Jänner der jeweiligen Steuerperiode zugrunde zu legen. Dabei gilt wiederum der Grundsatz, dass die Gemeinden über Beschlüsse selbst Richtwerte festlegen können.

Bei Abbruch und Wiederaufbau sowie bei baulichen Umgestaltungen und anderen Wiedergewinnungsmaßnahmen ist die Steuer ebenfalls aufgrund des Wertes des Baugrundes zu ermitteln und nicht auf den Katasterwert des Gebäudes.

Die Steuer ist – gleich wie die IMU – nach Monaten zu berechnen, wobei ein Monat dann als voll gewertet wird, wenn die steuerpflichtigen Rechte für zumindest 15 Tage bestanden haben.

  1. Begünstigungen:

Für denkmalgeschützte Gebäude wird eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage um 50% zuerkannt. Ebenfalls eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage um 50% wird für unbewohnbare Gebäuden gewährt. Die beiden Erleichterungen sind nicht kumulierbar. Ob und welche Meldungen zu diesem Zweck an die Gemeinde zu richten sind, wird wahrscheinlich in den jeweiligen Verordnungen geklärt werden.

  1. Hebesatz:

- Der Regelsatz für die GIS beträgt grundsätzlich 0,76%; er kann von den Gemeinden aber um bis zu 0,5 Prozentpunkte reduziert oder erhöht werden. Die Verminderungen sind restriktiv festgelegt, während für etwaige Erhöhungen keine spezifischen Regeln vorgesehen sind.

- Der Steuersatz für Hauptwohnung und Zubehör wird mit 0,4% festgesetzt. Was als Hauptwohnung und Zubehör gilt, wird getrennt in diesem Rundschreiben erläutert.

- Für gewerbliche Baueinheiten der Katasterkategorien C/1, C/3 und der Katastergruppe D gilt ein Regelsatz von 0,56%, weshalb Unternehmen durchschnittlich eine Einsparung von 25% (im Vergleich zum Hebesatz von 0,76% im Vorjahr) erwarten können Dieser Hebesatz kann von der jeweiligen Gemeinde zusätzlich auf bis zu 0,1% herabgesetzt werden. Man bezieht sich für den verminderten Satz aber nur auf die Kategorien C/1, C/3, A/11 (Schutzhütten) und D (hier ausgenommen D/5 – Banken). Nicht reduzierbar erscheinen dagegen die gewerblich genutzten Baueinheiten der Kategorien A/10 (Büros), C/2 (Lagerräume und Magazine) und C/6 (Garagen), und so auch nicht die betrieblich genutzten Wohnungen (z.B. Wohnungen, die als Büros verwendet werden).

- Für die Privatzimmervermieter und im Bereich der Landwirtschaft (Urlaub auf dem Bauernhof) ist schließlich ein Hebesatz von 0,2% vorgesehen. Dieser Hebesatz gilt zudem für die Baueinheiten der Privatschulen, für die nicht gewerblichen Körperschaften und für die gemeinnützigen ONLUS-Einrichtungen, soweit die Gemeinden solche Einheiten nicht völlig von der Steuer befreien. Der Hebesatz von 0,2% gilt schließlich auch für die landwirtschaftlichen Betriebsgebäude. Als solche gelten unter anderem die Wohnungen für die landwirtschaftlichen Mitarbeiter (auch bei einer Befristung von nur 100 Tagen), die als Büro genutzten Baueinheiten der landwirtschaftlichen Betriebe und die von den Genossenschaften für die Verarbeitung, Verwahrung und Vermarktung genutzten Baueinheiten.

Die Gemeinden haben die Möglichkeit, innerhalb 30. September 2014 eigene Verordnungen zu erlassen und darin die aufgezeigten Reduzierungen und Befreiungen mit den entsprechenden Anforderungen vorzusehen.

  1. Hauptwohnung und Zubehörseinheiten:

Als Hauptwohnung gilt nur jene Immobilieneinheit, in welcher der Steuerpflichtige und seine Familiengemeinschaft den ständigen Aufenthalt und den meldeamtlichen Wohnsitz haben. Als Zubehör gelten höchstens 3 Baueinheiten der Katasterkategorien C/2 (Keller oder Dachraum), C/6 (Garage oder Abstellplatz) und C/7 (Wetterdach), von denen höchstens 2 der gleichen Kategorie angehören dürfen. Der Katasterwert der Hauptwohnung und des Zubehörs wird mit dem Steuersatz von 0,4% besteuert. Von der so ermittelten Steuerschuld wird ein Absetzbetrag in Abzug gebracht, der unterschiedlich für jede Gemeinde festgelegt wird. Er entspricht i. W. der Steuer, erhöht um 15 Prozent, die in der jeweiligen Gemeinde für eine Wohnung der Kategorie A/2, Klasse 1, mit  7 Räumen geschuldet ist, und er variiert zwischen ca. 350 Euro in der Gemeinde Altrei und 670 Euro in der Gemeinde Wolkenstein. Der Steuerabsetzbetrag für die Hauptwohnung gilt auch für die Wohnungen im Eigentum von Unternehmen, in denen ein Inhaber seinen Hauptwohnsitz unterhält (auch bei Klassifizierung D). Die Erleichterung gilt jedoch nicht für Wohnungen von Unternehmen, die von den Mitarbeitern als Hauptwohnung verwendet werden. Ein zusätzlicher Absetzbetrag von 50 Euro gilt für jedes Kind ab dem dritten, das in der Familie wohnt, und schließlich auch für Invaliden.

  1. Auswirkungen auf IRPEF:

Ungeklärt ist die Irpef-Befreiung für die Zweitwohnungen (genauer gesagt, alle Wohnungen, die auf der Grundlage der Katastererträge besteuert werden, weil keine Mieteinnahmen vorliegen; z.B. Zweitwohnungen, den Verwandten bereitgestellte Wohnungen und leer stehende Wohnungen). Diese Wohnungen sind auf Staatsebene von der IRPEF befreit (in der Wohnsitzgemeinde nur zu 50 Prozent), wenn sie der staatlichen IMU unterliegen. Bislang fehlt eine gleichlautende Bestimmung, welche die genannte Befreiung auch für GIS-pflichtige Wohnungen vorsieht.

  1. Liegenschaften im Umlaufvermögen der Bauträger:

Im Vergleich zur IMU noch nicht gelöst ist schließlich bei den Bauträgern die Besteuerung der Liegenschaften im Umlaufvermögen, also der Bestände an nicht verkauften Wohnungen und anderen Liegenschaften. Für Zwecke der IMU sind diese Liegenschaften bekanntlich steuerfrei. Auf Landesebene sind  im neuen GIS-Gesetz hingegen trotz Wirtschaftskrise und Liquiditätsprobleme im Bauwesen bislang keine Steuererleichterungen für diese Liegenschaften vorgesehen.

  1. Zahlung:

Die Zahlung der geschuldeten Steuer erfolgt wie bei der IMU mit den üblichen zwei Raten: Die erste Rate als Anzahlung bis 16. Juni, die zweite Rate als Saldozahlung bis 16. Dezember. Die Zahlung hat über den Zahlungsvordruck F24 oder nach anderen, von der Gemeinde festgelegten Modalitäten zu erfolgen. Als ordnungsgemäß durchgeführt gelten auch die Zahlungen, die nach vorheriger Mitteilung, durch einen Mitinhaber der Liegenschaft durchgeführt werden. Beträge bis einschließlich 10 Euro sind nicht geschuldet. Soweit der Vordruck F24 verwendet wird, sind folgende Zahlungsschlüssel zu verwenden:

3912                                          Hauptwohnung und Zubehör

3913                                          landwirtschaftliche Betriebsgebäude

3916                                          Baugrundstücke

3918                                          andere Gebäude

3930                                          gewerbliche Baueinheiten der Kat. D

  1. IMU-Erklärung:

Die Steuer muss über eine Steuererklärung bis 30. Juni des Folgejahres gemeldet werden, wenn sich am Besitz oder den Gebäuden relevante Änderungen ergeben, die sich auf die Höhe der Steuer auswirken. Die erste Erklärung wäre also zum 30. Juni 2015 fällig.

  1. Kontrolle:

Die Kontrolle der Steuer und die entsprechenden Bescheide können wie bei der IMU bis Ende des fünften Jahres nach der Zahlungspflicht von der Gemeinde zugestellt werden. Unterlassene oder verspätete Zahlungen werden mit einer Verwaltungsstrafe von 30%, die unterlassene Abgabe der GIS-Erklärung mit einer Verwaltungsstrafe in Höhe von 100%,  der geschuldeten Steuer geahndet. Wie bei der IMU können auch hier die Erleichterungen für freiwillige Nachzahlungen beansprucht werden.

  1. Praktische Empfehlungen:

Wenngleich in den meisten Südtiroler Gemeinden die notwendigen Verordnungen für die neue Gemeindeimmobiliensteuer GIS noch fehlen, hat man in den meisten Gemeinden vorerst am ersten Fälligkeitsdatum 16. Juni 2014 festgehalten. Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Tagen die meisten Südtiroler Gemeinden den Steuerpflichtigen die bereits ausgefüllten Zahlungsvordrucke zusenden werden. Dabei werden sie sich zwangsläufig auf die allgemeinen Hebesätze und Absetzbeträge des GIS-Gesetzes beziehen, ohne Reduzierungen und Befreiungen, die erst in der Verordnung vorzusehen sind. An dieser Stelle ist festzuhalten: Für die richtige Berechnung der Steuer haftet einzig der Steuerpflichtige selbst. Und: Weder die Gemeinde noch der Steuerpflichtige sind derzeit in der Lage, eine korrekte Berechnung der Steuerschuld für 2014 durchzuführen bzw. zugesandte Bescheide auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Der Südtiroler Gemeindenverband ist sich der prekären Lage offensichtlich voll bewusst: Entsprechend hat er mit einer Mitteilung vom 28. Mai 2014, welche von dessen Präsidenten (Andreas Schatzer) und vom Direktor (Dr. Benedikt Galler) unterzeichnet ist, mitgeteilt, dass er in der Musterverordnung vorsehen wird, dass für 2014 die Gemeinden bei der Kontrolle der GIS-Zahlungen bei der Berechnung von Zinsen und Strafen nur darauf achten sollen, was auf Jahresbasis insgesamt entrichtet worden ist, ohne zwischen Vorauszahlungen und Saldozahlungen zu unterscheiden. Daraus folgt im Umkehrschluss: Wer jetzt im Juni nichts oder zu wenig zahlt, mit der Saldozahlung am 16. Dezember 2014 aber seiner Steuerpflicht voll nachkommt, sollte keine Strafen und Zinsen fürchten müssen. Einige Gemeinden, so Bruneck und Vahrn, haben bereits kundgetan, dass die erste Rate erst im September 2014 nach Vorliegen der Gemeindeverordnung zu entrichten sein wird. Inoffiziellen Meldungen zufolge soll im Nachtragshaushalt des Landes eine Bestimmung vorgesehen werden, welche die Zahlungsfälligkeit der ersten Rate allgemein auf Ende September 2014 aufschiebt. Unabhängig davon könnten Strafen bei einer fehlerhaften oder unterlassenen Einzahlung der ersten Rate zum 16. Juni 2014 auch im Lichte der Charta des Steuerzahlers kaum gerechtfertigt werden, zumal – wie eingangs aufgezeigt – das Gesetz verspätet in Kraft getreten ist.

Vorsicht: Für außerhalb von Südtirol belegene Liegenschaften ist die dort noch geltende IMU nach den allgemeinen Bestimmungen zu berechnen, und die erste Rate ist ordnungsgemäß innerhalb 16. Juni 2014 einzuzahlen.

Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-26-04.06.2014 Gemeindeimmobiliensteuer GIS