Rundschreiben klärt endlich die seit 1. Jänner 2015 geltenden Neuerungen bei Reverse-Charge im Bauwesen – neuer Vordruck für trimestrale MwSt-Erstattung

Rundschreiben klärt endlich die seit 1. Jänner 2015 geltenden Neuerungen bei Reverse-Charge im Bauwesen – neuer Vordruck für trimestrale MwSt-Erstattung

Die gute Nachricht vorweg: Wer in den letzten drei Monaten Fehler im Zusammenhang mit der neuen Verlagerung der MwSt-Schuld (Reverse Charge) im Bauwesen begangen hat, muss zumindest nicht mit Verwaltungsstrafen rechnen. Jede andere Auslegung wäre aber auch schlicht unannehmbar gewesen! Seit 1. Jänner 2015 sind nämlich umfangreiche Neuerungen beim Reverse Charge im Bauwesen in Kraft, und erst mit Rundschreiben Nr. 14/E vom letzten Freitag, den 27. März 2015, hat es die Finanzverwaltung für notwendig befunden, auch die notwendigen Anleitungen zu erteilen, wo konkret die Neuerungen greifen oder nicht, und dies angesichts eines Gesetzes, bei dem die Finanzverwaltung selbst mehrfach zugesteht, dass die verwendeten Begriffe bislang nicht definiert sind.

Aber der Reihe nach: Durch das Haushaltsgesetz für 2015 (siehe unser Rundschreiben Nr. 7/2015) ist die Verlagerung der MwSt-Schuldnerschaft auf den Auftraggeber im Bauwesen (Art. 17 Abs. 6 MwStG) mit Wirkung 1. Jänner 2015 wesentlich erweitert worden. Die neue Bestimmung in Art. 17 Abs. 6 Buchst. a-ter DPR 633/1972 sieht die Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens nämlich auch für die nachstehenden Leistungen auf Bauwerken vor:

- Reinigungsleistungen,

- Abbruchleistungen,

- Installation von Anlagen sowie

- Fertigstellung von Bauwerken.

Dabei ist es im Gegensatz zu traditionellen „Reverse-Charge-Verfahren“ im Bauwesen nicht notwendig,

- dass zwischen den Parteien ein Unterwerkvertrag besteht oder

- dass die Vertragsparteien selbst im Bauwesen (Tätigkeit in der Gruppe F – Liste Ateco) tätig sind.

Allgemein gilt also: Immer dann, wenn die aufgezeigten Leistungen an einen Unternehmer oder Freiberufler erbracht werden, dürfen sie nicht mehr mit Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt werden, und zwar mit dem Hinweis:

„Verlagerung der Steuerschuld auf den Auftraggeber im Sinne von Art. 17 Abs. 6 Buchst. a-ter) DPR 633/1972“, bzw. „Inversione contabile ai sensi dell’art. 16, comma 6, lett. A-ter) DPR 633/1972“.

Und wer als gewerblicher Auftraggeber eine solche Rechnung ohne MwSt erhält, hat sie um die geschuldete Mehrwertsteuer unter Angabe des richtigen MwSt-Satzes zu ergänzen und im Register der Ausgangsrechnungen innerhalb des Monats des Erhalts sowie auch im Register der Eingangsrechnungen zu verzeichnen.

Welche Leistungen genau unter den aufgezeigte Neuregelung fallen und wie für diese Zwecke die „Bauwerke“ abzugrenzen sind, darüber schieden sich in den letzten Monaten die Geister. Hier die Klärungen der Finanzverwaltung im eingangs genannten Rundschreiben Nr. 14/E vom letzten Freitag:

 

  1. Definition der Bauwerke

Zunächst wird geklärt, dass nicht allgemein die oben genannten Leistungen auf Immobilien betroffen sind, sondern nur solche auf Gebäuden oder auf Teilen von Gebäuden; dabei ist es irrelevant, ob es sich um Wohn- oder Wirtschaftsgebäude handelt oder um einen Baueingriff im Zusammenhang mit einem Neu- oder Umbau.

Zur Definition der Bauwerke wird Bezug auf den Ministerialerlass Nr. 46/1998 gemacht: „Unter einem Gebäude oder Bauwerk versteht man jeglichen überdachten Bau, der durch Straßen oder Freiflächen abgegrenzt ist oder durch Mauerwerke von anderen Gebäuden getrennt ist …“.

Folgerichtig fallen Leistungen auf Grundstücken, Parkplätzen, Schwimmbädern und Gartenanlagen oder auf Erschließungsanlagen, die nicht den Gebäuden gleichgestellt sind (z. B. Wasserleitungen, Beleuchtungen, Straßen usw.) nicht unter die neue Reverse-Charge-Regelung.

 

  1. Welche Leistungen sind betroffen?

Nachdem im Steuergesetz die oben genannten Leistungen an keiner Stelle definiert sind, hat bereits der Dachverband der Bauunternehmer („ANCE“) mit einem Rundschreiben vom 23. Februar 2015 vorgeschlagen, sich bei der Abgrenzung der Tätigkeiten auf die ATECO-Kennzahlen aus dem Jahre 2007 zu beziehen. Diese Lösung wird nun im Wesentlichen von der Finanzverwaltung übernommen, und das Rundschreiben listet beispielshaft eine Reihe von Kennzahlen auf, mit welchen Reinigungs-, Abbruch-, Installations- und Fertigstellungsarbeiten definiert werden können. In diesem Sinne fallen seit 1. Jänner 2015 die nachstehenden Leistungen unter das neue Reverse-Charge-Verfahren von Art. 17 Abs. 6 Buchst. a-ter DPR 633/72:

 

  1. a) Reinigungsarbeiten:

81.21.00 Allgemeine Gebäudereinigung (nicht spezialisiert);

81.22.02 Sonstige spezielle Reinigung von Gebäuden und Industrieanlagen und –maschinen; hier wird im Rundschreiben geklärt, dass spezielle Reinigungen von Maschinen und Industrieanlagen nicht in die Umkehrung der Steuerschuld fallen (weil es keine Gebäude sind!);

Laut ANCE wären vom Reverse-Charge zusätzlich folgende Leistungen betroffen:

43.39: Reinigung eines neuen Gebäudes bei Bauende sowie

43.99.01 Dampfreinigung, Sandstrahlreinigung und ähnliche Arbeiten an Außenmauern

 

  1. b) Abbrucharbeiten:

43.11.00 Abbrucharbeiten - Abbruch oder Abbau von Gebäuden und anderen Bauwerken

 

  1. c) Einbau von Anlagen

43.21.01 Installation von elektrischen Anlagen in Gebäuden oder anderen Baukonstruktionen (einschließlich Instandhaltung und Reparatur)

-  Elektroinstallationen in Gebäuden und Tiefbauwerken aller Arten: elektrische Leitungen und Armaturen, Lichtanlagen

- Anschluss von elektrischen Haushaltsgeräten

- Installation von Photovoltaikanlagen

43.21.02 Installation von elektronischen Anlagen (einschließlich Instandhaltung und Reparatur)

- Leitungen für Telekommunikationssysteme, Leitungen für Computernetze und Kabelfernsehen, einschließlich Glasfaserkabeln, Parabolantennen, Feuermeldeanlagen, Einbruchsicherungen

43.22.01 Wasser-, Heizungs- sowie Klimainstallation (einschließlich Instandhaltung und Reparatur) in Gebäuden oder anderen Baukonstruktionen Installation von folgenden Elementen in Gebäuden und anderen Bauwerken: (Elektro-, Gas- oder Öl-) Heizungsanlagen, Öfen, Kühltürme, nicht-elektrische Solarwärmekollektoren, hydraulisch-sanitären Anlagen, Kühl- und Klimaanlagen

43.22.02 Gasinstallation (einschließlich Instandhaltung und Reparatur)

- Installation von Gasanschlüssen, Dampfverteilern

43.22.03 Installation von Brandlöschanlagen (einschließlich von integrierten Anlagen, Instandhaltung und Reparatur)

- Installation von Brandlöschanlagen einschließlich integrierter Anlagen

43.29.01 Installation, Reparatur und Instandhaltung von Aufzügen und Rolltreppen

- Installation in Gebäuden und anderen Bauwerken von: Aufzügen, Rolltreppen einschließlich Reparatur und Instandhaltung

43.29.02 Wärme- und Schallisolierung und Isolierung gegen Schwingungen

43.29.09 Sonstige Bauarbeiten und Installation a.n.g. (beschränkt natürlich auf Bauwerke)

Hinweis: Im Lichte der vorliegenden Anleitungen kann festgestellt werden, dass z. B. der Einbau von Elektroanlagen, Heizungs- und Klimaanlagen zwischen Unternehmen immer ohne MwSt in Rechnung zu stellen ist, und zwar auch dann, wenn es sich um den Einbau solcher Anlagen in bereits bestehende Gebäude handelt. Zudem fallen durch den strikten Bezug auf die ATECO-Kennzahlen unseres Erachtens auch alle Reparaturen und Instandhaltungen, soweit in den oben genannten Tätigkeitskennzahlen enthalten, seit 1. Jänner 2015 unter das neue Reverse-Charge.

 

  1. d) Fertigstellung von Bauwerken

43.31.00 Verputz- und Stuckarbeiten

- Stuck-, Gips- und Verputzarbeiten innen und außen einschließlich damit verbundener Lattenschalung in und an Gebäuden und anderen Bauwerken

43.32.01 Einbau von Panzerschränken, Tresors, Panzertüren

- Installation von Panzerschränken

43.32.02 Einbau von Blendrahmen, Ausstattungen, Zwischendecken, beweglichen Trennwänden u. Ä.; das Rundschreiben klärt hier, dass der Einbau von Einrichtungsgegenständen nicht in die Umkehrung der Steuerschuld fällt, weil er nicht mehr die Fertigstellung von Gebäuden betrifft.

43.33.00 Boden- und Wandverkleidungen

- Verlegen bzw. Einbau von: Wand- und Bodenfliesen oder -platten aus Keramik, Beton oder Stein, Zubehör für Kachelöfen, Parkett- und andere Holzverkleidungen für Böden und Wände, Teppich- und Linoleumböden sowie Bodenbelägen aus Gummi oder synthetischem Material, Terrazzo-, Marmor-, Granit oder Schieferböden sowie Wandverkleidungen aus diesen Materialien, Papiertapeten

- Stuckarbeiten

- Bodenbehandlung: Schleifen, Polieren, Satinieren usw.

- Verlegung von Harz-, Zementböden usw.

43.34.00 Anstrich und Einbau von Glas

- Innen- und Außenanstrich von Gebäuden

- Anstrich von Bauwerken im Tiefbau

- Anstrich von bestehenden (Blend-)Rahmen

- Einbau von Scheiben, Spiegeln, Glasfolien usw.

43.39.01 Nicht spezialisierte Bautätigkeiten (Maurerarbeiten), immer beschränkt allerdings auf die Gebäude;

43.39.09 Sonstige Fertigstellungsarbeiten an Gebäuden

- Einbau von Kaminen

- Untergrundbau für Böden

- Reinigung von Neubauten

Achtung: Die Klasse 43.39 umfasst nicht Beratung und Design zur Raumgestaltung (s. 74.10).

Nicht unter die aufgezeigten Fertigstellungsarbeiten fallen:

43.12.0 Vorbereitende Baustellenarbeiten und Erdbewegungsarbeiten, weil vom Wortlaut der Bestimmung nicht zur Baufertigstellung gedacht.

Der Dachverband der Bauunternehmer stellt in seinem Rundschreiben ferner klar, dass die folgenden Tätigkeiten nicht unter die neue Verlagerung der Steuerschuld fallen:

43.13 Test- und Suchbohrungen

43.91 Dachdeckerei und Zimmerei

43.99 Sonstige spezialisierte Bautätigkeiten a.n.g.

Wichtig: Die Abgrenzung der Leistungen zur „Fertigstellung von Gebäuden“ hatte in den letzten Wochen für die größten Zweifel gesorgt, zumal dieser Begriff nicht gesetzlich definiert ist. Die Finanzverwaltung gesteht dies im Rundschreiben auch offen ein und trifft dann eine salomonische Entscheidung: Zumal nicht feststellbar ist, wie eine „Fertigstellung von Gebäuden“ abgegrenzt werden muss, sollen alle Leistungen, die in den oben genannten Tätigkeitskennzahlen enthalten sind, zwischen Unternehmen mit Verlagerung der MwSt-Schuld abgerechnet werden. Entsprechend sind die aufgezeigten Leistungen sowohl im Zusammenhang mit dem Neubau oder bei etwaigen Wiedergewinnungsarbeiten ohne MwSt in Rechnung zu stellen.

Als Beispiel werden die Malerarbeiten genannt: Auch der Neuanstrich eines bestehenden Gebäudes im Auftrag eines Unternehmers ist mit dem neuen Reverse-Charge-Verfahren in Rechnung zu stellen.

Wichtig: Auf jeden Fall nicht unter das neue Reverse-Charge-Verfahren fallen reine Lieferungen von Gütern sowie die Lieferung mit Montage von Gütern.

Das Rundschreiben stellt weiters klar, dass bei Erbringung mehrerer Leistungen über einen Vertrag, von welchen einige in das Reverse-Charge-Verfahren fallen und andere nicht, grundsätzlich eine Aufteilung und unterschiedliche Abrechnung der entsprechenden Entgelte zu erfolgen hat. Am Ende gesteht die Agentur jedoch ein, dass bei umfassenderen Werkverträgen (z. B. Werkvertrag zur Sanierung eines gesamten Gebäudes) eine Aufspaltung der diversen Entgelte zu schwierig ist und dass daher aus Vereinfachungsgründen die gesamte Leistung mit MwSt abgerechnet werden darf.

Es bleibt nur zu hoffen, dass diese Auslegung im Zuge von Kontrollen mit der notwendigen Nachsicht gesehen wird, denn die Abgrenzung durch die Agentur der Einnahmen lässt hier eine weite Grauzone entstehen.

 

  1. Vordruck für MwSt-Erstattung

Die gravierenden Auswirkungen des neuen Reverse-Charge-Verfahrens sowie des Split-Payments auf die Liquidität mittelständischer Betriebe haben wir bereits mit früheren Rundschreiben aufgezeigt: Ein Installationsbetrieb, welcher nur gegenüber Unternehmen arbeitet, hat so gut wie keine Ausgangsrechnungen mit MwSt mehr, muss umgekehrt das benötigte Material aber mit MwSt einkaufen, so dass er ein chronisches MwSt-Guthaben aufbaut und damit am Ende den Staat vorfinanziert. Da ist es nur gut und billig, dass solche Unternehmen zumindest bei der trimestralen MwSt-Erstattung bevorzugt behandelt werden.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass mit Verordnung der Agentur der Einnahmen Prot. 2015/39968 vom 20. März 2015 ein neuer Vordruck TR für die trimestrale MwSt-Erstattung veröffentlicht worden ist. Dieser ist erstmals für die Anträge innerhalb 30. April 2015 für das 1. Quartal 2015 zu verwenden und erlaubt einen getrennten Ausweis dieser Umsätze mit dem neuen Reverse-Charge-Verfahren sowie jene mit dem Split-Payment.

Zudem erlaubt der Vordruck auch die diversen Ersatzerklärungen, damit von der Beibringung einer Bankbürgschaft (siehe unser Rundschreiben Nr. 3/2015) abgesehen werden darf.

 

  1. Weitere Klarstellungen zum Reverse Charge

Das Rundschreiben wiederholt zudem einige Klarstellungen, die bereits andernorts in den letzten Wochen erfolgt sind. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen:

- Reverse Charge und Split Payment: Die Umkehrung der Steuerschuld überwiegt das sog. Split Payment gegenüber öffentlichen Körperschaften. Die Regel lautet: Immer dann, wenn Leistungen im Sinne der hier aufgezeigten Bestimmungen ohne MwSt in Rechnung zu stellen sind, kommt das Split Payment nicht zur Anwendung.

- MwSt nach Kassaprinzip: Die wenigen Unternehmen, die dafür optiert haben, die MwSt nach dem Kassaprinzip abzurechnen, dürfen dieses Verfahren nicht für Umsätze anwenden, die unter das neue Reverse-Charge-Verfahren fallen.

- MwSt und Kleinstunternehmen: Das Reverse-Charge-Verfahren gilt nicht für Unternehmen, die für die neue Pauschalabrechnung optiert haben und daher ihre Lieferungen und Leistungen grundsätzlich ohne Ausweis von MwSt in Rechnung stellen. Umgekehrt aber: Soweit solche Unternehmen Leistungen, die unter das neue Reverse-Charge-Verfahren fallen, in Auftrag geben, sind sie angehalten, die erhaltenen Rechnungen nach den einschlägigen Bestimmungen zu ergänzen und zu verbuchen. Und damit nicht genug: Nachdem bei diesem Verfahren ein Vorsteuerabzug nicht zugelassen ist, müssen sie die entsprechende MwSt auch einzahlen. Hier entsteht für diese Kleinunternehmen ein großer Nachteil!

- Plafond der nachhaltigen Exporteure: Der Einkauf unter Aussetzung der MwSt durch nachhaltige Exporteure (Stichwort Absichtserklärungen) ist für Umsätze, die unter das Reverse-Charge-Verfahren fallen nicht zulässig. Auch hier gilt also: Die Umkehrung der Steuerschuld überwiegt die Aussetzung der MwSt.

Das Rundschreiben klärt übrigens auch die Verlagerung der MwSt im Energiesektor: Darauf gehen wir mit einem getrennten Rundschreiben ein.

Übrigens: Verfehlungen beim Reverse-Charge ab 27. März 2015 werden, soweit die MwSt trotzdem angewandt worden ist, mit einer Verwaltungsstrafe von 3% der MwSt geahndet, wobei zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer eine solidarische Haftung gilt.

 

Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-22-30.03.2015 Reverse Charge auf Gebäuden