Voluntary disclosure – Selbstanzeige für Vermögen und Einkünfte im Ausland

Voluntary disclosure – Selbstanzeige für Vermögen und Einkünfte im Ausland

Nach derzeitiger Rechtslage innerhalb 30. September 2015 können Steuerpflichtige im Ausland gehaltene und in Italien nicht ordnungsmäßig gemeldete Vermögen und Einkünfte im Zuge einer Selbstanzeige aufdecken. Dabei handelt es sich absolut um keinen Steuernachlass („condono“) und auch um keinen Steuerschutzschild („scudo“). Im  Unterschied zu den genannten Maßnahmen früherer Jahre sind nämlich die hinterzogenen Steuern voll nachzuzahlen. Erleichterungen werden lediglich bei den Strafen steuerrechtlicher, verwaltungsrechtlicher und strafrechtlicher Natur gewährt.

Und noch ein ernüchternder Hinweis vorab: Eine Reihe von Gesetzesänderungen der jüngsten Zeit führt dazu, dass die Steuerflucht ins Ausland immer schwieriger, immer risikoreicher und immer teurer wird. Zu verweisen ist in diesem Zusammenhang u. a. auf das neue OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung vom Juli 2014, auf die jüngste TIEA (Abkommen über Steuerinformationsaustausch), auf zahlreiche neue internationale Vereinbarungen Italiens mit ehemaligen Steuerparadiesen (Cookinseln, Jersey, Bermuda, Guernsex, Isle of Man, Gibralata, Caymaninseln) sowie auf die EU-RL 2014/107 und 2014/48, welche den Informationsaustausch zur Steuervermeidung fördern sollen.

Ab 2017 werden mit Bezug auf 2016 die Informationen über Bankkonten von Bürgern mit Wohnsitz in einem anderen Staat automatisch mitgeteilt, so dass das Bankgeheimnis defacto abgeschafft ist, und zwar auch gegenüber den meisten Steuerparadiesen, welche die Abkommen aufgrund der FATCA-Vereinbarung unterzeichnet haben.

Die Fachpresse ist sich daher durchwegs einig: Die anstehende Selbstanzeige ist wahrscheinlich der letzte Zug. Wer ihn versäumt, hat in Zukunft kaum noch Möglichkeiten, seine ausländischen Vermögen und Einkünfte in Italien zu regularisieren. Vorweggenommen werden darf, dass der  Termin, der 30. September 2015, kaum aufrecht bleiben wird. Erst für Ende Juni werden nämlich die letzten Gesetzesänderungen erwartet, und so gilt – entgegen anderslautenden Ankündigungen der Finanzverwaltung – eine Fristverlängerung bereits heute als sicher. Die Agentur der Einnahmen hat mit Rundschreiben Nr. 10/E vom 13. März 2015 erste Anleitungen zur anstehenden Selbstanzeige erteilt, in Ermangelung einer endgültigen Rechtslage dabei aber kaum griffige Aussagen erteilt.

 

  1. Wesen der Selbstanzeige (voluntary disclosure)

Es handelt sich im Wesentlichen um die Möglichkeit, für die noch nicht verjährten Steuerperioden

- nicht erklärte Vermögen im Ausland und die entsprechenden Einkünfte

- sowie schließlich auch nicht erklärte Einkommen im Inland nachträglich und freiwillig aufzudecken.

Dabei sind die hinterzogenen Steuern, wie Irpef, Ires, Irap, MwSt, Quellensteuern und Rentenbeiträge nachträglich zu entrichten.

Um den Anreiz für die Selbstanzeige zu erhöhen, werden einerseits erhebliche Strafverschärfungen im Umfeld der Steuerhinterziehung vorgesehen. Es werden der neue Tatbestand der Selbstgeldwäsche und die verwaltungsrechtliche Ahndung für Finanzstrafvergehen zulasten der Gesellschaften vorgesehen. Der Tatbestand der Selbstgeldwäsche greift in der Praxis immer dann, wenn Steuerpflichtige Gelder aus Finanzstrafvergehen wieder für ihre Tätigkeit verwenden; es gibt hier keine Verjährung, weil der Tatbestand durch die Verwendung erfüllt wird.

 

  1. Gegenstand der Selbstanzeige

Die Selbstanzeige von Vermögen im Ausland wird getrennt von der internen Aufdeckung behandelt. Unter die erste Kategorie fallen die im Ausland gehaltenen Vermögen und die entsprechenden Erträge (i. d. R. Zinsen, Dividenden oder Mieten). Die Selbstanzeige muss dabei vollständig sein und auch die nicht erklärten inländischen Einkommen berücksichtigen.

2.1 Voraussetzung für die internationale Aufdeckung sind Fehler oder Unterlassungen in Bezug auf das sogenannte Überwachungsverfahren (Vordruck RW). Dieses Verfahren betrifft allein die natürlichen Personen sowie die nicht gewerblichen Vereine, die Stiftungen und die Trusts. Voraussetzung ist hier die Ansässigkeit im Inland bzw. die unbeschränkte Steuerpflicht (nur in diesem Fall besteht die Meldepflicht im Vordruck RW). Bei den Vermögen unterscheidet man zwischen im Ausland gehaltenen Investitionen und Finanzvermögen, den damit zusammenhängenden Einkommen (im Sinne von Erträgen, die zur Bildung der Auslandsvermögen notwendig waren, und Erträgen aus diesen Einkommen), und den inländischen Einkommen. Die Aufdeckung der Vermögen im Ausland betrifft unter anderem Liegenschaften und die entsprechenden Realrechte, Edelmetalle und Kunstgegenstände, Boote und andere Fahrzeuge, bis hin zu den verschiedensten Formen von Finanzinvestitionen; diese betreffen unter anderem Bank- und Sparkonten, Beteiligungen, Schuldverschreibungen und andere Wertpapiere, Investmentfonds und Vermögensverwaltungen, Termingeschäfte sowie Lebens- und Rentenversicherungen. Keine Hinweise sind in Bezug auf Schließfächer vorgesehen.

- Die nachzuversteuernden Erträge aus den Auslandsvermögen müssen grundsätzlich analytisch ermittelt werden. Nur für Finanzvermögen bis zu höchstens 2 Mio. Euro ist wahlweise eine Pauschalierung möglich. Diese Pauschalierung ist dann allerdings für alle Steuerperioden anzuwenden.  Dabei wird ein Ertragssatz von 5% vorgesehen (für Kapitalerträge und Veräußerungsgewinne), auf welchem eine Kapitalertragsteuer von 27% berechnet wird (im Endeffekt 1,35% pro Jahr).

2.2 Die interne oder nationale Aufdeckung betrifft die nichterklärten Einkommen, die nicht direkt mit dem Ausland zusammenhängen (keine Verletzung hinsichtlich Vordruck RW). Diese Selbstanzeige betrifft hauptsächlich die Gesellschaften, aus denen die nicht erklärten und ins Ausland geflossenen Einkommen stammen. Unter welchen Voraussetzungen hier allerdings Nachmeldungen erfolgen können und ob diese günstiger als die bereits bestehenden Bestimmungen zu den „reuigen Nachmeldungen“ sind, ist zum heutigen Zeitpunkt völlig unklar.

 

  1. Subjektiver Anwendungsbereich

Die Selbstanzeige bzw. die freiwillige Aufdeckung betrifft in erster Linie natürliche Personen und nichtgewerbliche Körperschaften, welche widerrechtlich im Ausland Vermögen gehalten haben und dieses nicht korrekt im Vordruck RW angemeldet haben bzw. die entsprechenden Erträge  nicht erklärt haben.

Wie oben aufgezeigt, kann die Selbstanzeige aber auch von Gesellschaften und anderen Steuerpflichtigen für im Inland hinterzogene (und dann ins Ausland verbrachte) Einkommen beansprucht werden.

Voraussetzung ist die Ansässigkeit in Italien. Die Ansässigkeit muss nicht bei Abgabe der Selbstanzeige bestehen. Es genügt die Ansässigkeit in einem der Jahre, für welche die Aufdeckung vorgenommen wird. Die Selbstanzeige kann auch von den Erben vorgenommen werden, und zwar für die vom Erblasser im Ausland gehaltenen Vermögen und auch die von den Erben selbst nicht erklärten Vermögen (insbesondere di Erträge aus den geerbten Vermögen).

 

  1. Zeitlicher Anwendungsbereich

Die Aufdeckung muss alle nicht verjährten Steuerperioden bis einschließlich 2013 umfassen. Im Normalfall bei einer abgegebenen Steuererklärung betrifft dies die Einkommen für die Steuerperiode ab 2010 bis einschließlich 2013. Für den Vordruck RW sind hingegen die Steuerperioden ab 2009 zu berücksichtigen. Wichtig ist hier die Aussage, dass bei Vermögen, die sich nachweislich vor den verjährten Steuerperioden im Ausland befanden (also vor 2010 bzw. 2009), keine Angaben über deren Herkunft erteilt werden müssen (außer natürlich der Nachweis, dass sie vorher dort bestanden haben).

Problematisch sind hier allerdings die möglichen Finanzstrafvergehen, die nach derzeitigem Rechtsstand eine Verdoppelung der Verjährungsfristen auslösen können. Es genügt nämlich eine ungetreue bzw. unvollständige Steuererklärung, in der Einkommen mit geschuldeten Steuern von mehr als 50.000 Euro nicht erklärt wurden (bis 17.9.2011 ca. 103.000 Euro). Bei Bestehen eines Finanzstrafvergehens erfolgt die Verjährung erst nach acht Jahren ab dem Folgejahr nach Abgabe der Steuererklärung (die Steuerperiode 2003 ist bei abgegebener Steuererklärung Ende 2012 verjährt). Für Einkommen aus Steuerparadiesen wurde die Verdoppelung der Verjährungsfrist gestrichen, nicht so mit Bezug auf den Vordruck RW.

Zu dieser Frage wird innerhalb Juni eine Gesetzesänderung erwartet. Erst dann wird man in Einzelfällen feststellen können, ob die Selbstanzeige für die Jahre ab 2004 oder ab 2009 notwendig sein wird.

 

  1. Strafen

Durch die Selbstanzeige werden die Verwaltungsstrafen wie folgt reduziert:

  • für Unterlassungen im Vordruck RW auf die Hälfte;
  • für nicht erklärte Einkünfte um ein Viertel.

Dies bedeutet in der Praxis, dass die Verwaltungsstrafen für den Vordruck RW auf jährlich 1,5% des Auslandsvermögens und im besten Fall bei sofortiger Zustimmung zusätzlich auf ein Sechstel herabgesetzt werden (im Endeffekt 0,25% pro Jahr). Bei den anderen Steuern werden die Verwaltungsstrafen auf 75% der hinterzogenen Steuer und im besten Fall bei sofortiger Zustimmung zusätzlich auf ein Sechstel herabgesetzt (im Endeffekt 12,5% der Steuer).

Wenn man hier die Einkommensteuern, die IRAP und auch die MwSt berücksichtigt, kommen trotz den Strafmilderungen immer noch beachtliche Beträge zusammen; die Belastung kann laut ersten Erhebungen bis zu 80% der aufgedeckten Vermögen ausmachen. Unter Berücksichtigung der strafrechtlichen Aspekte kann die Selbstanzeige aber selbst dann u. U. interessant sein.

 

  1. Ausschluss

Von der Selbstanzeige ausgeschlossen sind vor allem Steuerpflichtige, gegen die bereits Steuerprüfungen oder Ermittlungen bei Finanzstrafvergehen lauten, soweit die Steuerpflichtigen auch davon Kenntnis haben. Die Nachforschungen bei Banken und Finanzintermediären stellen in diesem Sinne noch keinen Hinderungsgrund dar; und so auch nicht die formellen Kontrollen der Steuererklärungen (z.B. die Mahnschreiben oder die Steuerzahlkarten).

 

  1. Meldung

Sie erfolgt in der Praxis durch eine Anmeldung auf einem, mit welchem das Vermögen im Ausland, die Herkunft, die nicht erklärten Einkommen im Ausland und im Inland sowie die damit zusammenhängenden Personen lückenlos aufgezeigt werden. Es obliegt dann dem Steueramt, noch weitere Unterlagen zu verlangen und am Ende Steuern und Strafen festzulegen. Im Gegensatz zu früher erfolgt hier also keine Selbstveranlagung. Dem Steuerpflichtigen wird dann ein Vorladungsschreiben übermittelt. Er kann vorab dieser Vorladung zustimmen und erzielt so eine Verminderung der Verwaltungsstrafen auf ein Sechstel, oder aber in einem Streitgespräch eine Abfindung anstreben und so eine Verminderung der Verwaltungsstrafen auf ein Drittel erzielen.

Soweit erste Hinweise. Sobald die letzten Gesetzesänderungen vorliegen, werden wir Sie im Detail über die anstehende Selbstanzeige informieren.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-24-12.05.2015 Voluntary Disclosure