Europagesetz 2014 – ab heute Änderungen bei innergemeinschaftlichen Erwerben und Lieferungen in Kraft

Europagesetz 2014 – ab heute Änderungen bei innergemeinschaftlichen Erwerben und Lieferungen in Kraft

Die Verbringung von Gütern in ein anderes EU-Land zwecks Durchführung von Analysen oder Bearbeitungen ist ab heutigem Tag auch in Italien als innergemeinschaftliche Lieferung bzw. innergemeinschaftlicher Erwerb zu klassifizieren, soweit die Güter nach Durchführung der Leistungen nicht an den Auftraggeber im Herkunftsland zurückkehren. In diesem Sinne wurden mit dem sog. Europagesetz 2014 (G. Nr. 115/2015 vom 29. Juli 2015, veröffentlicht im Amtsblatt  vom 3. August 2015) die Artikel 38 und 41 der G.V. 331/1993 geändert, und die Neuerungen treten mit 18. August 2015 in Kraft.

Die genannten italienischen Bestimmungen entsprachen offensichtlich nicht geltendem EU-Recht (Art. 17 EU-RL 112/2006), und Italien riskierte infolge bereits ergangener Urteile des EUGH die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahrens. Nachstehend die Änderungen und Auswirkungen im Detail:

 

  1. innergemeinschaftliche Erwerbe

Bislang galt, dass die Verbringungen von Gütern aus anderen EU-Ländern nach Italien, um sie hier Analysen, Prüfungen oder üblichen Behandlungen zu unterziehen, nicht als innergemeinschaftlicher Erwerbe in Italien zu betrachten war, vorausgeschickt, die Güter wurden nach erfolgter Bearbeitung wieder in das Ursprungsland oder auch in ein anderes EU-Land oder in ein Drittland verbracht.

Beispiel: Ein deutsches Unternehmen verbrachte Metallteile nach Italien, um sie hier verzinken zu lassen. Die Güter sollten nach ihrer Bearbeitung nach Österreich geliefert werden.

Dieses Geschäft war im Sinne von Art. 38 G.V. 331/1994 in Italien weder als innergemeinschaftlicher Erwerb, noch als innergemeinschaftliche Lieferung zu erfassen. Das italienische Dienstleistungsunternehmen musste nur dem deutschen Auftraggeber die Dienstleistung „nicht steuerbar im Sinne von Art. 7-ter MwStG“ in Rechnung stellen.

Nun gilt diese Steueraussetzung in Italien nur mehr, wenn die Güter nach Abschluss der Leistungen an den Verbringer in das Herkunftsland (im Beispiel an den Lieferanten in Deutschland) zurückgebracht werden; ist dies nicht der Fall, weil die Güter nach erfolgter Bearbeitung in ein anderes EU-Land (im Beispiel nach Österreich) verbracht oder gar exportiert (außerhalb der EU, z. B. in die Schweiz) werden, so muss sich das ausländische Unternehmen in Italien entweder direkt registrieren lassen oder hier einen Fiskalvertreter bestellen und sodann über die italienische MwSt-Position einen innergemeinschaftlichen Erwerb für die Lieferung der Güter nach Italien fingieren und nachfolgend über die gleiche italienische Position eine innergemeinschaftliche Lieferung bzw. einen Export für die Lieferung der Güter in ein anderes EU-Land oder in ein Drittland in Rechnung stellen.

Wichtig: Für den italienischen Dienstleister (Bearbeiter der Waren) ändert sich nichts: Soweit das ausländische Unternehmen in Italien über keine Betriebsstätte verfügt, wird die Bearbeitung der Güter trotz der Registrierung in Italien an die ausländische MwSt-Position (nicht steuerbar lt. Art. 7-ter MwStG) in Rechnung gestellt. Eine Fakturierung an die italienische MwSt-Nummer, u. U. mit Anwendung der italienischen Mehrwertsteuer, wäre falsch.

Soweit die Güter nach ihrer Bearbeitung in Italien verbleiben und hier weiterverkauft werden, muss das ausländische Unternehmen über seine italienische MwSt-Position einen innergemeinschaftlichen Erwerb der zu bearbeitenden Güter fingieren und nachfolgend eine Lieferung an den italienischen Abnehmer in Rechnung stellen. Diese innerstaatliche Lieferung erfolgt mit italienischer Mehrwertsteuer, soweit der Abnehmer kein Unternehmen ist; ist der italienische Kunde hingegen Unternehmen, muss die innerstaatliche Lieferung in Anwendung des sog. „Reverse-Charge-Verfahrens“ (Art. 17 MwStG) fakturiert werden, und zwar über die ausländische MwSt-Position. Der italienische Abnehmer der Güter führt keinen innergemeinschaftlichen Erwerb durch, sondern übernimmt nur die Steuerschuldnerschaft nach dem genannten Reverse-Charge-Verfahren.


  1. Innergemeinschaftliche Lieferungen

Die gleiche Neuerung wird seitenverkehrt auch für innergemeinschaftliche Lieferungen durch italienische Unternehmen eingeführt; hier stellte bislang die Verbringung von Gütern in ein anderes EU-Land zwecks Analyse oder Bearbeitung dieser Güter keine innergemeinschaftliche Lieferung dar, soweit die Güter nach erfolgter Verarbeitung in ein anderes EU-Land verbracht oder exportiert wurden. Ab 18. August 2015 gilt diese Aussetzung ebenfalls nur mehr, wenn das Gut nach erfolgter Bearbeitung an den Auftraggeber nach Italien zurückkehrt.

Die Folge: Italienische Unternehmen, welche Güter in andere EU-Länder verbringen, um sie dort verarbeiten zu lassen, ohne dass die Güter wiederum an den Auftraggeber nach Italien zurückkehren, müssen sich ab heute in dem jeweils anderen EU-Land für MwSt-Zwecke registrieren lassen und eine innergemeinschaftliche Lieferung an die eigene MwSt-Position im anderen EU-Mitgliedsstaat fingieren. Die Weiterlieferung der bearbeiteten Güter in ein anderes EU-Land oder in ein Drittland wird sodann über die ausländische MwSt-Position (und nicht mehr über die italienische MwSt-Nummer) in Rechnung gestellt. Soweit die Ware im anderen EU-Land, wo die Bearbeitung erfolgte – verbleibt, muss sie dort über die ausländische MwSt-Position mit lokaler MwSt in Rechnung gestellt werden; bitte beachten Sie, dass im Unterschied zu Italien kaum ein anderes EU-Land für diese innerstaatlichen Lieferungen über die direkte Registrierung oder über einen Fiskalvertreter das Reverse-Charge-Verfahren vorsieht.

Bitte beachten Sie, dass auch nach Eröffnung einer MwSt-Position im Ausland die Bearbeitung der Güter an die italienische MwSt-Position (nicht steuerbar) fakturiert werden muss und dass in Italien für die erhaltene Leistung die Erwerbsbesteuerung nach den bisherigen Bestimmungen durchzuführen ist. Eine Fakturierung der Leistungen an die ausländische neue MwSt-Nummer wäre falsch!

Empfehlung: Falls Sie Bearbeitungen von Gütern in anderen EU-Ländern durchführen lassen oder selbst Bearbeitungen für Auftraggeber in anderen EU-Ländern durchführen, ersuchen wir Sie, die Neuerungen umgehend zu beachten. Probleme könnten insbesondere bei laufenden Geschäften auftreten; hier ersuchen wir Sie, sich im Zweifelsfall mit unserem Büro in Verbindung zu setzen, zumal Übergangsbestimmungen derzeit fehlen und wahrscheinlich erst mit einem Rundschreiben in einiger Zeit Klarheit geschaffen wird.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-39-18.08.2015 Neuerung bei ig Lieferungen und ig Erwerben