Klassifizierung der Photovoltaikanlagen als Gebäude und entsprechende steuerrechtliche Auswirkungen – Rundschreiben der Agentur der Einnahmen vom 19. Dezember 2013

Klassifizierung der Photovoltaikanlagen als Gebäude und entsprechende steuerrechtliche Auswirkungen – Rundschreiben der Agentur der Einnahmen vom 19. Dezember 2013

Mit einem recht umfangreichen Rundschreiben von knapp 70 Seiten (Nr. 36 vom 19. Dezember 2013) hat die Agentur der Einnahmen noch kurz vor Weihnachten längst überfällige Anleitungen zur steuerlichen Behandlung der Photovoltaikanlagen veröffentlicht und damit insbesondere Widersprüche aufgehoben, die in der Vergangenheit durch unterschiedliche Anweisungen der Ende 2012 zusammengeschlossenen Agentur des Gebietes einerseits und der Agentur der Einnahmen andererseits entstanden sind. Positiv angerechnet werden muss, dass die Agentur einsieht, dass etwaige Fehler der jüngsten Vergangenheit auch auf diese Widersprüche zurückzuführen sind, und entsprechend soll zumindest für die Vergangenheit auf die Verhängung von Strafen verzichtet werden.

 

Einordnung als Gebäude oder als bewegliches Gut?

Kernpunkt des Rundschreibens ist die Klärung, ob Photovoltaikanlagen als Gebäude oder als bewegliche Güter einzustufen sind, denn die Unterscheidung ist von wesentlicher steuerlicher Relevanz. Zur Erinnerung:

- Mit Rundschreiben Nr. 46/E/2007 hatte die Agentur der Einnahmen die Photovoltaikanlagen grundsätzlich als bewegliche Güter eingeordnet, soweit ohne gravierende wirtschaftliche Nachteile potentiell ein Abbau der Anlagen und Wiederaufbau an einem anderen Ort möglich wäre; zumal diese potentielle Verlegung fast immer möglich war, konnte bislang im Lichte dieser Anleitung  eine Einordnung der Anlagen unter die beweglichen Güter durchwegs vertreten werden.

- Fast zeitgleich hatte aber auch die Agentur des Gebietes mit Rundschreiben Nr. 3/T/2008 angeordnet, dass Photovoltaikanlagen auf jeden Fall als Gebäude zu klassifizieren und als solche unter der Katasterkategorie D/1 einzutragen wären.

Mit diesen widersprüchlichen Anweisungen wird nun aufgeräumt, wobei sich i. W. die zweite These durchgesetzt hat: Photovoltaikanlagen sind im Sinne des oben genannten Rundschreibens Nr. 36/2013 grundsätzlich als Gebäude einzuordnen, soweit

  • es sich um eigenständige Energieproduktionsanlagen handelt, die nach den Katasterbestimmungen unter den Katasterkategorien D/1 oder D/10 zu erfassen sind, oder
  • es sich um Anlagen handelt, die auf Wänden, Dächern oder auch auf Zubehörsflächen, unabhängig ob Gemeinschaftseigentum oder nicht, von Gebäuden errichtet worden sind, welche ihrerseits im Gebäudekataster zu erfassen sind.

Umgekehrt werden die Anlagen nicht als Gebäude, sondern als bewegliche Güter, eingestuft und sind auch nicht dem Gebäudekataster zu melden, wenn zumindest eine der nachstehenden Voraussetzungen erfüllt ist (es handelt sich im Wesentlichen um Anlagen für den Eigenverbrauch):

  • Nennleistung der Anlage nicht über 3 KW mit Bezug auf jede Gebäudeeinheit, welche von der Anlage bedient wird;
  • die gesamte Nennleistung, ausgedrückt in KW, ist nicht höher als das Dreifache der bedienten Baueinheiten, auch wenn sich die Anlage nicht auf einem der Gebäude, sondern auf dem Boden befindet;
  • bei Freilandanlagen: Das Bauvolumen der Anlagen liegt unter 150 Kubikmeter, wobei zur Berechnung die gesamte Grundfläche herangezogen wird und die Höhe aufgrund der durchschnittlichen horizontalen Achse der Anlagen berechnet wird.

Die Schlussfolgerung: In Anlehnung an die neue Interpretation der Agentur der Einnahmen sind Photovoltaikanlagen, abgesehen von den vorgenannten Kleinanlagen, immer als Gebäude einzustufen und nicht als bewegliche Güter! Bestätigt wird auch die Auslegung laut Rundschreiben Nr. 10/T vom 4. August 2005, wonach für bestehende Gebäude Änderungsmeldungen vorzulegen sind, soweit durch die Anlage eine Änderung der früheren Katastererträge um zumindest 15% erfolgt.

Die Einordnung der Photovoltaikanlagen als Gebäude hat grundlegende Auswirkungen auf ihre  steuerrechtliche, und zwar sowohl für Zwecke der direkten als auch für Zwecke der indirekten Steuern. Nachstehend ein Überblick:

 

  1. Auswirkungen auf Abschreibungen:

Bislang wurden die Photovoltaikanlagen in Anlehnung an die Anleitungen der Agentur der Einnahmen im Allgemeinen mit 9% abgeschrieben. Soweit nun aber die Klassifizierung als Gebäude zum Tragen kommt, ist nur mehr ein Abschreibungssatz von 4% anwendbar, reduziert sogar auf 3%, soweit es sich um Anlagen handelt, welche in Gebäude eingebaut sind, die selbst nur mit 3% abgeschrieben werden dürfen. Nur bei den kleineren Anlagen, die weiterhin als bewegliche Güter klassifiziert werden dürfen, kann der Abschreibungssatz von 9% beibehalten werden.  Freiberufler hingegen werden für nach dem 31. Dezember 2009 realisierte Anlagen völlig auf die Abschreibung verzichten müssen, soweit es sich nicht mehr um bewegliche Güter handelt. Für über Leasing finanzierte Anlagen hingegen wird hingegen auf die einschlägigen Bestimmungen über die Mindestdauer des Leasingvertrages bei Immobilien verwiesen (ab 2014 also 12 Jahre); zumal die steuerlichen Bestimmungen über das Leasing mit 1. Jänner 2014 grundlegend geändert werden, werden wir mit einem eigenen Rundschreiben die entsprechenden Bestimmungen erläutern.

Aber damit nicht genug: Durch die Einordnung der Photovoltaikanlagen als Gebäude kommen auch die Einschränkungen im Bereich der Nichtabschreibbarkeit der anteiligen Grundstückskosten zur Anwendung. Bekanntlich gilt bei Gebäuden die Vermutung, dass die Grundstückskosten bei Industriegebäuden mit 30% und bei sonstigen Gebäuden mit 20% der Gesamtkosten festzulegen sind, außer es können mittels getrennter Urkunde andere Kosten nachgewiesen werden (wenn z. B. der Grund vor dem Bau der Anlage getrennt angekauft worden ist). Das vorliegende Rundschreiben bestätigt zudem, dass für Photovoltaikanlagen die anteiligen und damit nicht absetzbaren Grundstückskosten mit 30% anzusetzen sind, da die Anlagen als „Industriegebäude“ klassifiziert werden.

Unterm Strich werden sich bereits im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2013 die steuerlich absetzbaren Abschreibungen merklich reduzieren, bedingt durch den verminderten Abschreibungssatz sowie die Nichtabsetzbarkeit der anteiligen Grundstückskosten. Die Frage der Nichtabsetzbarkeit von Grundstückskosten stellt sich übrigens nicht, soweit die Anlage aufgrund eines zeitlich beschränkten Oberflächenrechts errichtet worden ist.

Positiv ist in diesem Zusammenhang anzumerken, dass im Rundschreiben ausdrücklich festgehalten wird, dass die Abschreibungen der Vorjahre nicht berichtigt werden müssen. Wer also bislang die Anlage mit 9% abgeschrieben hat und ausgehend von einer Einordnung als bewegliches Gut auch keine anteiligen Grundstückskosten beachtet hat, muss keine Nachmeldung vorlegen und hat auch keine Beanstandung durch die Finanzverwaltung zu befürchten.

 

  1. Auswirkungen auf die IMU:

Soweit die Anlagen Gebäude darstellen, ist hierfür auch die IMU geschuldet. Speziell für landwirtschaftliche Unternehmen ist aber daran zu erinnern, dass die Agentur des Gebietes mit Mitteilung Nr. 3189 vom 6. Juni 2012 anerkannt hat, dass die unter der Katasterkategorie D/10 erfassten Anlagen als landwirtschaftliche Betriebsgüter anzusehen und daher im Rahmen der Landwirtschaft von der IMU befreit sind.

 

  1. Auswirkungen auf Mehrwertsteuer und Registersteuer:

Die Einordnung der Photovoltaikanlagen als Gebäude hat auch Auswirkungen auf Mehrwertsteuer,  Register-, Hypothekar- und Katastersteuer. Die Übertragung von Anlagen unterliegt nämlich nicht nur der Mehrwertsteuer, sondern auch der Registersteuer zum Fixbetrag, und die Hypothekar- und Katastersteuer kommen in Höhe von insgesamt 4% zur Anwendung, wie dies für die Übertragung gewerblicher Gebäude seit 2006 (D.L. 223/2006) vorgesehen ist.

Die Klassifizierung der Anlagen als Gebäude hat zudem Bedeutung im Zusammenhang mit der internationalen Mehrwertsteuer: Leistungen zum Bau der Anlagen sind als Grundstücksleistungen im Sinne von Art. 7-quater MwStG einzuordnen; soweit mit den Leistungen nicht ansässige Unternehmen beauftragt werden, sind hierfür (im Unterschied zu Leistungen auf beweglichen Gütern) keine Intra-Meldungen zu erstellen.

Das Rundschreiben bestätigt übrigens auch, dass für die Errichtung und für den Erwerb der Anlagen der verminderte MwSt-Satz von 10% anzuwenden ist, und zwar mit Bezug auf Zi. 127-quinquies, Tab. A-III MwStG. Der verminderte MwSt-Satz von 10% kommt ausdrücklich auch auf die Leasingraten der Anlagen zur Anwendung. Zusätzlich unterliegt der Leasingvertrag durch die Einordnung als Immobilie aber auch der proportionalen Registersteuer in Höhe von 1%.

Empfehlung: Gerade was die Registersteuer anbelangt, bitte wir Sie, bestehende Leasingverträge für Photovoltaikanlagen zu überprüfen.

 

  1. Scheingesellschaften:

Erfreulich sind schließlich die Aussagen der Agentur in Sachen Scheingesellschaften: Es wird anerkannt, dass die produzierte Energie i. W. nur auf einem regulierten Markt veräußert werden kann, und entsprechend hat der Unternehmer auch nur relativ geringe Möglichkeiten, die Ertragsfähigkeit seiner Anlagen zu beeinflussen. Die Agentur lädt in diesem Sinne die Steuerämter ein, Anträge von Unternehmen auf Nichtanwendung der Bestimmungen über die Scheingesellschaften bei Photovoltaikanlagen wohlwollend zu behandeln; in diesem Zusammenhang bestätigt die Agentur eigentlich nur ein wegweisendes Urteil der Provinzialen Steuerkommission von Bozen vom 30. April 2013. Gleichzeitig wird festgehalten, dass infolge der Klassifizierung als Immobilie der anzuwendende Ertragskoeffizient für Photovoltaikanlagen nicht 15% beträgt, wie in der Vergangenheit vielfach behauptet, sondern 6%.

 

  1. Anlagen auf Liegenschaften Dritter

Das Rundschreiben geht sodann auch auf den Fall ein, wo Photovoltaikanlagen auf Gebäuden Dritter errichtet worden sind. Solche Anlagen dürfen, immer soweit sie als Gebäude zu klassifizieren sind, nicht mehr als Sachanlagen in der Bilanz ausgewiesen werden, sondern sind unter den mehrjährigen Kosten zu erfassen. Die Abschreibung dieser Kosten erfolgt entsprechend der Dauer des zugrundeliegenden Miet-, Leih- oder Nutzungsvertrages.

Die Klassifikation als „Gebäude“ bzw. als außerordentliche Instandhaltung hat schließlich gravierende Auswirkungen auf die MwSt-Erstattung: Die Agentur der Einnahmen verweist ausdrücklich auf frühere Anleitungen im Zusammenhang mit Investitionen auf Liegenschaften Dritter, wonach in solchen Fällen keine Rückerstattung des MwSt-Guthabens beantragt werden darf, außer es handelt sich um Anlagen, die vom Gebäude getrennt werden können.

 

  1. Statut des Steuerzahlers

Das vorliegende Rundschreiben erkennt ausdrücklich an, dass bislang die Anleitungen der Steuerverwaltung widersprüchlich waren. Wer also bislang die aufgezeigten Verpflichtungen, soweit sie auf die Einordnung der Anlagen als Gebäude zurückzuführen sind, nicht eingehalten hat, muss keine Verwaltungsstrafen fürchten. Insbesondere müssen, wie bereits erwähnt, die Abschreibungen in Höhe von 9% der vergangenen Jahre nicht berichtigt werden. Für die Zukunft wird es aber keine Entschuldigung mehr geben.

 

Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-50-31.12.2013 Anleitungen zu Photovoltaikanlagen