Einführung des „Einzelüberwachers“ anstatt des Überwachungsrates in Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften

Einführung des „Einzelüberwachers“ anstatt des Überwachungsrates in Gesellschaften mit beschränkter Haftung und Aktiengesellschaften

Mit dem sog. Stabilitätsgesetz (Art. 14, G. Nr. 183 vom 12. Nov. 2011) wurden – namentlich zwecks Reduzierung von Verwaltungskosten - mit Wirkung 1. Jänner 2012 Neuerungen für die Bestellung des Überwachungsrates in Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung eingeführt. Im Wesentlichen wird für Gesellschaften mit beschränkter Haftung anstatt des bisherigen Überwachungsrates als Kollegialorgan obligatorisch eine „Einzelüberwacher“ eingeführt, und auch Aktiengesellschaften haben die Möglichkeit, in bestimmten Fällen für einen „Einzelüberwacher“ zu optieren. Die Neuerung hat nicht zuletzt aufgrund äußerst unklarer Formulierung in den letzten Wochen für große Verwirrung gesorgt. In der Zwischenzeit hat aber das Justizministerium mit Verordnung vom 22. Dezember erste Korrekturen vorgenommen, und es liegt eine Studie der Nationalen Kammer der  Notare (Studie Nr. 250/2011) vor, so dass eine erste Analyse möglich ist. Auch die Notare von Mailand haben zum Jahresende eine erste Verhaltensregel (Nr. 123/2011) zum Thema veröffentlicht. Hier ein Überblick zu den neuen Bestimmungen und die möglichen Auswirkungen:

 

 

Pflicht zur Bestellung eines Einzelüberwachers in der GmbH

Art. 2477 ZGB wird völlig neu geschrieben und sieht für Gesellschaften mit beschränkter Haftung nun die verpflichtende Bestellung eines „Einzelüberwachers“ anstelle eines Überwachungsrates in folgenden Fällen vor:

1. wenn er in den Satzungen verlangt wird oder

2. wenn das Gesellschaftskapital zumindest 120.000 Euro beträgt oder

3. wenn die Pflicht zur Erstellung des Konzernabschlusses besteht oder

4. wenn die die Gesellschaft eine andere Gesellschaft beherrscht, die der obligatorischen Abschlussprüfung unterliegt, oder

5. wenn über zwei Geschäftsjahre infolge zwei der drei nachstehenden Schwellen

überschritten worden sind:

- Bilanzsumme Euro 4.400.000,

- Umsatzerlöse Euro 8.800.000 und

- Anzahl der durchschnittlichen Beschäftigten: 50

Umgekehrt verfällt die Verpflichtung, wenn über zwei Geschäftsjahre infolge zwei der drei genannten Grenzwerte nicht überschritten werden.

   
 

 

Satzungen können weiterhin Kollegialorgan verlangen

Das gesamte italienische GmbH-Recht wird derart geändert, dass der bisherige Überwachungsrat als Kollegialorgan durch den „Einzelüberwacher“ ersetzt wird, und zwar nach dem Wortlaut des Gesetzes unabhängig von der Größe der Gesellschaft.

Es stellt sich die Frage, ob in den Satzungen weiterhin von dieser Vorgabe abgewichen werden kann. Im Klartext: Können die Satzungen auch in Zukunft die Bestellung eines Kollegialorgans anstatt eines Einzelüberwachers verlangen? Die Notare bejahen in ihrer Studie eindeutig diese Frage; in diesem Fall  wird es aber – in Ermangelung einer gesetzlichen Regelung – erforderlich sein, genau die Anzahl der effektiven Mitglieder und der Ersatzmitglieder in den Satzungen festzulegen oder Bezug auf die Bestimmungen der Aktiengesellschaften zu nehmen.

Schlussfolgerung: Es ist auch in Zukunft zulässig, in einer GmbH den Überwachungsrat in der bisherigen Form beizubehalten.

   
 

 

Satzungsänderungen zur Einführung des Einzelüberwachers

Umgekehrt stellt sich die Frage, ob für die Reduzierung des Überwachungsrates auf den „Einzelüberwacher“ in der GmbH eine Änderung der Satzungen erforderlich ist. Konkret: Muss eine GmbH, deren Satzungen derzeit einen Überwachungsrat verlangen, das Statut ändern, um einen Einzelüberwacher zu benennen?

Dieses Thema wurde durch die Verhaltensregel der Notare von Mailand wie folgt geklärt: Auch wenn die derzeitigen Satzungen der Gesellschaft nicht nur einen allgemeinen Verweis auf Art. 2477 ZGB machen (in diesem Fall stellt sich die Frage einer Satzungsänderung zwecks Einführung des Einzelüberwachers nicht), sondern ausdrücklich die Bestellung eines Überwachungsrates, bestehend aus drei effektiven Mitgliedern und zwei Ersatzmitgliedern vorsehen, ist nach Ansicht der Notare zwecks zukünftiger Bestellung eines Einzelüberwachers keine Satzungsänderung erforderlich, außer durch die Bestellung des Einzelüberwachers werden spezifische Rechte einzelner Gesellschafter verletzt. Dies ist z. B. immer dann der Fall, wenn die derzeitigen Satzungen einzelnen Gesellschaftern ein Vorschlagsrecht für die Bestellung von  Überwachungsräten einräumen.

Schlussfolgerung: Um den Einzelüberwacher einzuführen, ist nur dann eine Satzungsänderung erforderlich, wenn dadurch die Rechte einzelner Gesellschafter verletzt werden.

 

 

 

Neuerungen bei den Aktien-gesellschaften

Bei den Aktiengesellschaften bleibt der Überwachungsrat als Kollegialorgan grundsätzlich bestehen (Art. 2397 ZGB). Es wird allerdings eine Kannbestimmung für kleinere Gesellschaften eingeführt: Aktiengesellschaften  mit Umsatzerlösen oder einem Reinvermögen von weniger als 1 Million Euro können in der Satzung vorsehen, dass der Überwachungsrat durch einen Einzelüberwacher ersetzt wird.

Hinweis: Die Neuerung wird allgemein begrüßt, da insbesondere kleine Aktiengesellschaften in der Vergangenheit allein ob ihrer Rechtsform kaum zu rechtfertigende Mehrkosten zu tragen hatten. Bekanntlich gibt es bei Aktiengesellschaften  keine Schwellen, unterhalb welcher sie von der Bestellung eines Überwachungsrates befreit sind.

Im Gegensatz zu den Gesellschaften mit beschränkter Haftung wird es bei Aktiengesellschaften zwecks Einführung des Einzelüberwachers auf jeden Fall notwendig sein, zuvor die Satzungen zu ändern.

   
 

 

Paradoxe Situation bei „großen“ GmbHs

Nach einer ersten Auslegung der überarbeiteten Bestimmungen müssten

- Aktiengesellschaften mit Umsatzerlösen und Reinvermögen ab einer Mio. Euro auf jeden Fall einen Überwachungsrat als Kollegialorgan bestellen, während

- GmbHs u. U. auch bei enormen Umsatzerlösen und Reinvermögen (z. B. über 100 Mio. Euro) nur einen Einzelüberwacher namhaft machen können.

Dieser Widerspruch hat und auch eine unklare Formulierung von Art. 2477 ZGB haben Notare (Studie 250/2011), Wirtschaftsprüfer und die vorherrschende Fachpresse zur Schlussfolgerung kommen lassen, dass auch bei GmbHs, deren Reinvermögen und Umsatzerlöse über 1 Mio. Euro liegen, nach wie vor ein Überwachungsrat zu bestellen wäre. Nach jüngsten Meldungen (vgl. „Il Sole-24 Ore“ vom 22. Jänner 2012) beabsichtigt die Regierung angesichts der aufgezeigten Unklarheiten eine gesetzliche Interpretation des überarbeiteten Art. 2477 ZGB. Darin soll festgehalten werden, dass in GmbHs, unabhängig von Umsatz und Reinvermögen, auf jeden Fall der Einzelüberwacher ausreicht; es bleibt aber – wie aufgezeigt – im Ermessen der Gesellschafterversammlung, trotzdem einen Überwachungsrat als Kollegialorgan zu bestellen.

   
 

Auswirkungen auf amtierende Überwachungsräte

Mit einer eigenen Verordnung vom 22. Dezember 2011 hat das Justizministerium festgelegt, dass die Neuerungen keine unmittelbaren Auswirkungen auf den Verfall der zum 31. Dezember 2011 amtierenden Überwachungsräte haben. Diese bleiben bis zum natürlichen Auslaufen ihrer derzeitigen Amtszeit im Amt.

Hinweis: Selbstverständlich ist es möglich, dass die Überwachungsräte selbst vorzeitig von ihrem Amt zurücktreten, um so unmittelbar den Weg für die Bestellung eines Einzelüberwachers frei zu machen.

   
 

Allgemeine Überlegun-gen

Die Reform hat leider nur die Anzahl der Überwachungsräte, nicht aber die umfangreichen Verpflichtungen und Verantwortungen des Überwachungsrates bzw. des Einzelüberwachers geändert. Trotzdem ist unbestritten, dass die Reform insbesondere in kleineren Gesellschaften zu Einsparungen führen kann. Es wird von Fall zu Fall zu prüfen sein, ob es zulässig und opportun ist, für einen Einzelüberwacher zu optieren und welche Änderungen hierfür an den Gesellschaftssatzungen vorzunehmen sind.
   

Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-08-22.01.2012 Überwachungsrat