Ist-Besteuerung der Mehrwertsteuer („IVA per cassa“) ab 1. Dezember 2012 in Kraft

Ist-Besteuerung der Mehrwertsteuer („IVA per cassa“) ab 1. Dezember 2012 in Kraft

Wir haben Sie bereits mit unserem Rundschreiben Nr. 37 vom 21. August 2012 kurz darüber informiert: Im Zuge der Umwandlung der Verordnung Nr. 83/2012 in Gesetz wurde mit Art. 32-bis die bestehende Regelung über die „MwSt-Abrechnung nach vereinnahmten Entgelten“ (die sog. Ist-Besteuerung bzw. „IVA per cassa“) erweitert und reformiert. Die notwendigen Durchführungsbestimmungen sind, wie in der Verordnung vorgesehen, am 11. Oktober 2012 veröffentlicht worden, und bereits ab 1. Dezember 2012 darf die neue Abrechnungsform in Anspruch genommen werden.

 

Die bisherige Regelung:

Bereits seit 2008 besteht für MwSt-Pflichtige mit einem Umsatz bis zu 200.000 Euro die Möglichkeit, auch bei erfolgter Rechnungserteilung für Lieferungen und Leistungen die MwSt erst dann abzuführen, sobald diese Lieferungen und Leistungen vom Kunden auch bezahlt worden sind. Auf der Rechnung muss zu diesem Zweck der Vermerk „Fattura con esigibilità differita dell’IVA ai sensi dell’art. 7 D.L. 185/2008“ bzw. „Rechnung mit ausgesetzter MwSt im Sinne von Art. 7 D.L. 185/2008“ angebracht werden. Der Nachteil: Der Rechnungsempfänger war für diese Rechnungen erst dann zum Vorsteuerabzug berechtigt ist, sobald er auch die entsprechende Zahlung geleistet hatte.

Es ist verständlich, dass solche Rechnungen bislang kaum akzeptiert worden sind, und entsprechend hat sich das System auch nicht durchgesetzt.

 

Die Neuerungen:

Mit 1. Dezember 2012 wird die bestehende Regelung abgeschafft und durch ein neues Regelwerk ersetzt:

- Steuerpflichtige können wie bisher dafür optieren, dass für ausgestellte Rechnungen die Mehrwertsteuer erst nach deren Inkasso geschuldet ist. Auch wenn der Rechnungsempfänger nicht bezahlt, so wird die Mehrwertsteuer spätestens nach einem Jahr ab Rechnungsstellung fällig, außer über den Kunden wird in der Zwischenzeit ein Insolvenzverfahren verhängt.

- Die Umsatzschwelle für den Zugang zur sog. Ist-Besteuerung wird von derzeit 200.000 Euro auf 2 (zwei) Millionen Euro angehoben.

- Und die wichtigste Änderung: Die derzeitigen Einschränkungen im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug werden vom Rechnungsempfänger auf den Rechnungsaussteller verlagert. Daraus folgt: Der Rechnungsempfänger darf ab 1. Dezember 2012 auch bei einer Option für die Ist-Besteuerung die ausgewiesene Mehrwertsteuer bei Erhalt der Rechnung abziehen; umgekehrt darf der Aussteller der Rechnung, welcher für das neue System optiert, die Mehrwertsteuer auf seine eigenen Einkäufe von Gütern und Dienstleistungen in Zukunft erst dann in Abzug bringen, sobald er selbst die entsprechenden Eingangsrechnungen bezahlt hat. Bei Teilzahlungen von Rechnungen wird die MwSt im Verhältnis zum Inkasso fällig bzw. absetzbar.

- Wie bereits in der Vergangenheit bleiben von der Ist-Besteuerung Sonderabrechnungsformen (Verlagswesen, Landwirtschaft, Margenbesteuerung, Reisebüros) und das Reverse-Charge-Verfahren sowie weiters Umsätze gegenüber öffentlichen Körperschaften und vor allem gegenüber Privatpersonen sowie innergemeinschaftliche Umsätze, Importe und Entnahmen aus Fiskallagern ausgenommen.

 

Bewertung:

Die Neuerungen sind in der Presse in den letzten Wochen als große Errungenschaft begrüßt worden, weil sie insbesondere im Zusammenhang mit säumigen öffentlichen Körperschaften und auch bei Zahlungsverschleppungen im Bauwesen hilfreich sein sollten. Gerade in diesen Bereichen kommt die Neuerung aber überhaupt nicht oder nur eingeschränkt zum Tragen:

- Gegenüber öffentlichen Körperschaften gilt nämlich, unabhängig vom Umsatz, bereits heute die allgemeine Regel, dass die Mehrwertsteuer erst bei Zahlung der Rechnung fällig ist, außer der Rechnungsaussteller optiert ausdrücklich für die sofortige Fälligkeit der Mehrwertsteuer und hält dies auf der Rechnung auch so fest; und diese Erleichterung im Zusammenhang mit öffentlichen Körperschaften bleibt auch in Zukunft unverändert aufrecht und gilt unabhängig von jeder Option und zudem ohne Auswirkungen auf den Vorsteuerabzug beim Rechnungssteller; für diese Umsätze mit öffentlichen Körperschaften gilt zudem auch keine Jahresfrist für die Fälligkeit der MwSt.

- Im Bauwesen hingegen gilt zumindest für Unterwerkverträge zwischen Baufirmen i. d. R. ohnehin das Reverse-Charge-Verfahren, so dass hier gar keine Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt wird. Der Anwendungsbereich dürfte also auf Lieferungen und Leistungen (ohne Unterwerkvertrag) beschränkt bleiben.

- Hilfreich wird die Neuerung hingegen vor allem für Freiberufler sein, welche bereits heute nur Honoraraufstellungen ohne Ausweis der MwSt verschicken und die ordnungsmäßige Rechnung mit Ausweis der Mehrwertsteuer erst nach erfolgter Zahlung erteilen; für sie kann die Neuerung interessant sein, um den doppelten Dokumentenfluss zu vermeiden. Sie müssen dann im Gegenzug aber auch die neuen Einschränkungen beim Vorsteuerabzug in Kauf nehmen.

- Buchhaltung: Nach heutigem Ermessen wird die Option eine erhebliche Umstellung der EDV-Programme erfordern, um die Aussetzung des Vorsteuerabzuges auf Eingangsrechnungen bis zur Zahlung verwalten zu können.

 

Die Option:

Um in den Genuss der neuen Abrechnungsform zu kommen, ist eine eigene Option erforderlich; der hierfür notwendige Vordruck sollte in den nächsten Tagen veröffentlicht werden. Festzuhalten bleibt, dass die Option nicht nur einzelne Umsätze betreffen darf, sondern nur für die gesamte Tätigkeit möglich ist.

 

Fakturierung:

Obwohl die Option für den Rechnungsempfänger ohne Auswirkungen bleibt, wird auch in Zukunft verlangt, dass auf der Rechnung der nachstehende Vermerk angebracht wird: „Fattura con esigibilità differita dell’IVA ai sensi dell’art. art. 32-bis D.L. 83/2012“ bzw. „Rechnung mit ausgesetzter MwSt im Sinne von Art. 32-bis D.L. 83/2012“. Die Unterlassung wird als Formfehler geahndet.

 

Praktische Hinweise:

- Wichtig ist vor allem, dass ab 1. Dezember 2012 der Erhalt einer Eingangsrechnung, auf welcher für die Ist-Besteuerung nach den neuen Bestimmungen optiert wird, beim Rechnungsempfänger keine Einschränkungen beim Vorsteuerabzug mit sich bringt. Die Rechnung kann nach den allgemeinen Bestimmungen verbucht werden, und die darin ausgewiesene MwSt ist nach den allgemeinen Bestimmungen absetzbar.

- Ob die Option für Unternehmer und Freiberufler interessant ist, muss von Fall zu Fall entschieden werden. Immer dann, wenn sich die MwSt auf Ein- und Ausgangsrechnungen mehr oder weniger die Waage halten, dürfte der zusätzliche Verwaltungsaufwand nicht gerechtfertigt sein.

- Auch wer für die Ist-Besteuerung optieren will, sollte dies i. d. R. erst ab 1. Jänner 2013 tun, um umständliche Berechnungen beim Vorsteuerabzug noch im Steuerjahr 2012 zu vermeiden.

 

Sollten Sie an der neuen Abrechnungsform interessiert sein, so bitten wir Sie, sich mit unserem Büro in Verbindung zu setzen, um weitere Details zu erörtern.

 

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-43-05.11.12 IVA per cassa