Neuerungen bei Forderungsverlusten – MwSt-Auswirkungen

Neuerungen bei Forderungsverlusten - MwSt-Auswirkungen

Im letzten Sommer wurden im Zuge der Umwandlung der Verordnung Nr. 83/2012 mit Gesetz Nr. 134/2012 (in Kraft seit 12. August 2012) wesentliche Änderungen bei der steuerlichen Anerkennung von Forderungsverlusten vorgenommen. Diese Neuerungen sind sowohl für den anstehenden Jahresabschluss von Bedeutung als auch bei der Entscheidung über Vergleichs- und Umschuldungsvorschläge von krisengeschüttelten Unternehmen. Hier ein kurzer Überblick:

 

  1. Neuerungen für Zwecke der Einkommensteuern:

 

Bereits für das bei Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes laufende Geschäftsjahr ergeben sich drei wesentliche Neuerungen mit Bezug auf die steuerliche Absetzbarkeit von Forderungsverlusten, und zwar betreffend:

- Forderungsverluste im Zusammenhang mit sog. Umschuldungsplänen (Art. 182-bis KG),

- geringfügige Forderungsverluste und

- Forderungsverluste aus der gesetzlichen Verjährung von Forderungen.

 

Zunächst wurde mit einer Änderung von Art. 101 Abs. 5 EESt endlich die Absetzbarkeit der Forderungsverluste für sog. Umschuldungen („ristrutturazione dei debiti“) im Sinne von Art. 182-bis Konkursgesetz (R.D. 267/1942) gesetzlich zuerkannt, und zwar ab dem Datum der Homologierung dieser Pläne; die Finanzverwaltung  hatte zuvor nach langem Zaudern (Rundschreiben Nr. 42 aus dem Jahre 2010) verlangt, dass der Umschuldungsplan definitiven Charakter haben müsse (sprich, nicht mehr angefochten werden konnte). Zusammenfassend können Forderungsverluste im Zusammenhang mit Insolvenzverfahren nun wie folgt steuerlich abgesetzt werden:

Verfahren Zeitpunkt der steuerlichen Absetzbarkeit
Konkursverfahren bei Urteil über Konkurseröffnung
Zwangsliquidierung Datum der entsprechenden Verfügung
Gerichtlicher Vergleich Datum des Dekrets zur Zulassung zum Verfahren
Außerordentliche Verwaltung Datum des Dekrets über die Eröffnung
Umschuldungspläne Datum der Homologierung des Planes

 

Mit Bezug auf die Umschuldung, für deren Homologierung bekanntlich die Zustimmung von zumindest 60% der Schulden erforderlich ist, geht die vorherrschende Doktrin davon aus, dass die Absetzbarkeit der Forderungsverluste auch für jene Gläubiger gilt, die der Umschuldung nicht zugestimmt haben.

Zu beachten ist hingegen, dass die im Konkursrecht mit D.L. 83/2012 eingeführten „neuen“ Verfahren zur Rettung krisengeschüttelter Unternehmen nicht automatisch zur steuerlichen Anerkennung von Forderungsverlusten führen. Daraus folgt insbesondere, dass auch in Zukunft Forderungsverluste im Zusammenhang mit von Freiberuflern geprüften Unternehmenssanierungen („risanamenti attestati“) im Sinne von Art. 67 Abs. 1 Konkursgesetz nicht automatisch absetzbar sind. Ebenfalls nicht steuerlich anerkannt sind Forderungsverluste im Zusammenhang mit dem sog. „concordato in bianco“ (Art. 161 Abs. 6 KG), da dieses noch keinen Vergleich im eigentlichen Sinne darstellt, sondern nur bestimmte Verfahrensschritte vorwegnimmt. Umgekehrt berechtigt der neue sog. “concordato con continuità” (Art. 186-bis KG) zum steuerlichen Abzug der Forderungsverluste, da es sich dabei nur um eine spezifische Verfahrensform des gerichtlichen Vergleichs handelt.

Hinweis: Die Verluste aus nicht einbringlichen Forderungen müssen periodengerecht angesetzt werden. Im Falle von Konkursen oder anderen Insolvenzverfahren ist der Verlust in der Steuerperiode anzusetzen, in welcher der in der Tabelle aufgeführte Tatbestand eintritt. Es liegt also nicht im Ermessen des Steuerpflichtigen, die Steuerperiode für den Verlustabzug zu wählen (Urteil Kassationsgericht Nr. 22135, hinterlegt am 29. Oktober 2010).

 

Geringfügige Forderungsverluste: Forderungsverluste sind im Sinne von Art. 101 EESt bekanntlich grundsätzlich erst dann auch steuerlich absetzbar, wenn sie mit Gewissheit und Genauigkeit feststellbar sind. Um dieser Anforderung nachzukommen, war es in der Vergangenheit häufig notwendig, gutes Geld schlechtem nachzuwerfen, nur um geeignete Nachweise für die Nichteinbringlichkeit von Forderungen vorlegen zu können. Dies sollte sich nun besseren: Als geringfügig und infolge sofort abzugsfähig gelten Forderungen bis zu einem Betrag von 5.000 Euro für Großunternehmen und bis zu 2.500 Euro für die anderen Unternehmen, soweit sie seit mehr als sechs Monaten überfällig sind. Die Grenze zwischen Großunternehmen und anderen liegt seit 2012 bei einem Umsatz von 100 Millionen Euro.  Die Neuerung gilt nach vorherrschender Doktrin bereits für das zum Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes am 12. August 2012 laufende Geschäftsjahr. Nach einem Rundschreiben der Studiengruppe der Bank „Gruppo Intesa Sanpaolo“ (Nr. 4/2012) ist auf den buchhalterischen Nennwert der Forderungen abzustellen, also unabhängig von bereits vorgenommen handelsrechtlichen oder steuerrechtlichen Abwertungen. Bei Forderungen, die z. T. über Ausfallversicherungen gedeckt sind, ist allerdings nur auf den nicht versicherten Teil zu achten; Beispiel: Forderung über 10.000 Euro nicht einbringlich, wobei 80% durch eine Versicherung gedeckt ist. Der verbleibende Forderungsverlust beträgt 2.000 Euro und liegt damit unter der oben genannten Schwelle von 2.500 bzw. 5.000 Euro. Ein weiterer Zweifel bestand darin, ob auf einzelne Rechnungen oder auf die gesamte Schuldnerposition abzustellen ist; und hier geht die Auslegung in die Richtung, dass nicht einzelne Rechnungen herangezogen werden dürfen, sondern nur die gesamte Position des Schuldners.

 

Verjährte Forderungen: Eine weitere Erleichterung, ebenfalls enthalten im D.L. 83/2012, betrifft die gesetzlich verjährten und folglich nicht mehr eintreibbaren Forderungen. Verjährte Forderungen können demnach unabhängig von ihrer Höhe steuerlich in jener Steuerperiode abgezogen werden, in welcher die Verjährung eintritt, außer diese Forderungen konnten bereits früher aufgrund anderer Voraussetzungen in Abzug gebracht werden. In diesem Zusammenhang ist auf die handelsrechtlichen Verjährungsfristen zu achten. Die ordentliche Verjährung beträgt im Sinne von Art. 2946 ZGB bekanntlich 10 Jahre. Aber für zahlreiche Geschäfte gelten kürzere Fristen:

- 5 Jahre für Mietraten, Zinsen und Zahlungen, die periodisch bzw. jährlich durchgeführt werden müssen (z.B. Dauerlieferverträge wie Strom, Telefon, Reinigungsdienste u.a.).;

- 1 Jahr für Provisionen an Makler (Art. 2950 ZGB) und für Forderungen aus Transport- und Speditionsleistungen (18 Monate bei Leistungen aus oder in Drittländer) sowie für Versicherungsprämien.

Die Verjährung beginnt im Sinne von Art. 2935  ZGB von jenem Tag an zu laufen, an dem das Recht geltend gemacht werden kann. In der Praxis wird man von der Zahlungsfälligkeit ausgehen, wie sie auf der Rechnung aufscheint.

 

Praktischer Hinweis: Für nicht einbringliche Forderungen, welche die Schwelle der Geringfügigkeit überschreiten, für welche aber auch kein Exekutionsverfahren und auch kein Insolvenzverfahren vorliegen, so dass die Voraussetzungen für die Gewissheit und Genauigkeit des Forderungsverlustes fehlen, die handelsrechtlich aber nach dem Vorsichtsprinzip trotzdem ausgebucht oder abgewertet werden müssen, empfiehlt es sich, getrennte Aufzeichnungen zu führen, damit diese Forderungen zumindest bei Eintritt der gesetzlichen Verjährung auch für Steuerzwecke in Abzug gebracht werden können.

 

  1. Forderungsverluste und Mehrwertsteuer:

 

Die Änderungen in D.L. 83/2012 enthalten leider keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Mehrwertsteuer. Daraus folgt insbesondere, dass Umschuldungen im Sinne von Art. 182-bis KG auch in Zukunft nicht dazu berechtigen, Gutschriften für die verlorene Mehrwertsteuer auszustellen, zumal es sich dabei streng genommen nicht um ein Konkursverfahren handelt. Dieser Umstand ist u. U. auch bei der Zustimmung zu einem Umschuldungsvorschlag durch krisengeschüttelte Unternehmen zu berücksichtigen: Hier kann eine Gutschrift nur innerhalb eines Jahres ab Rechnungsdatum ausgestellt werden, dann ist die Mwst, im Unterschied zu Vergleich oder Konkurs, verloren.

Zur Erinnerung nachstehend die Bestimmungen in Art. 26 MwStG, wo festgelegt ist, wann die Ausstellung einer Gutschrift für die nicht kassierte MwSt zulässig ist:

- Erfolglose Einzelpfändung: Das Protokoll eines öffentlichen Beamten, aus welchem hervorgeht, dass keine Mittel oder nicht ausreichende Mittel vorhanden sind, um eine Zwangseintreibung der Forderungen zu ermöglichen, gibt Anrecht zur Ausstellung einer Gutschrift.

- Konkurs: Eine Gutschrift der MwSt ist erst und nur soweit möglich, als der Forderungsverlust durch den genehmigten Aufteilungsplan (nach Abschluss des Konkursverfahrens) belegt ist. Daraus folgt, dass die Gutschrift erst möglich ist, wenn die Einspruchsfrist gegen den Aufteilungsplan verfallen ist bzw. (in Ermangelung eines solchen Aufteilungsplanes) sobald die Frist für einen Einspruch gegen den Abschluss des Verfahrens verfallen ist.

- Zwangsliquidierung: Auch hier gilt als Termin das Inkrafttreten des Aufteilungsplanes.

- Vergleich im Konkurs: Homologierung (Genehmigung durch das Konkursgericht) des Vergleichs.

- Gerichtlicher Vergleich (Art. 160 ff. KG): Der Vergleich muss durch das Gericht genehmigt sein, und zudem muss der Gläubiger seinen Zahlungsverpflichtungen nachgekommen sein. In diesem Moment wird der Vergleich endgültig, und es ist eine Gutschrift für die uneinbringliche MwSt möglich.

Vorsicht: Eine Gutschrift muss spätestens innerhalb des zweiten Folgejahres ab Eintreten der aufgezeigten Voraussetzungen ausgestellt werden.

 

Hinweis: Bei Insolvenzverfahren müssen Forderungen i. d. R. bei Eröffnung des Verfahrens abgewertet werden; die Ausstellung einer Gutschrift für die enthaltene Mehrwertsteuer hingegen darf erst bei Abschluss des Verfahrens - und damit i. d. R. mehrere Jahre später – erfolgen; die Gefahr, dass man dieses Recht schlicht und einfach „vergisst“, ist daher sehr groß, und wir empfehlen nochmals, für diese Verfahren getrennte Aufzeichnungen zu führen und zum Jahresende jeweils den Stand des Insolvenzverfahrens zu überprüfen. Dies ist in der Zwischenzeit bei den meisten Konkursgerichten über Internet problemlos möglich. In Bozen kann der Verfahrensstand unter  www.fallimentibolzano.com jederzeit eingesehen werden. Und noch ein Hinweis: Um das Recht auf Ausstellung einer Gutschrift für die nicht kassierte Mehrwertsteuer nicht zu verlieren, ist es erforderlich, dass sich der Gläubiger in das Verfahren einlässt.

 

Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-48-10.12.2012 Forderungsverluste