Die neuen Kunden- und Lieferantenlisten – ab 1. Juli 2011 sind auch Geschäftsvorfälle mit Steuerquittungen und Kassenbelegen zu erfassen
Die Vorgeschichte: Um die Verwendung „falscher“ Rechnungen zu unterbinden, wurden Unternehmer und Freiberufler mit dem Sparpaket 2010 (D.L. Nr. 78 vom 31. Mai 2010) dazu verpflichtet, alle Geschäftsvorfälle ab 3.000 Euro in elektronischer Form der Agentur Einnahmen zu melden. Die Meldung soll jeweils innerhalb 30. April des Folgejahres versandt werden. Meldepflichtig sind sowohl aktive als auch passive Geschäftsvorfälle. Bei den aktiven Geschäftsvorfällen (sprich: Verkäufen und erbrachten Dienstleistungen) müssen sowohl jene gegenüber Unternehmen also auch jene mit Privatpersonen gemeldet werden. Rund ein halbes Jahr später wurden mit Verordnung vom 22. Dezember 2010 die ersten Durchführungsbestimmungen erlassen. Dann aber wurde es still um die neue Meldepflicht. Mit Verordnung vom 14. April 2011 wurde schließlich verfügt, dass Geschäftsvorfälle, die nicht durch Rechnung dokumentiert werden müssen, nur zu melden sind, soweit sie ab 1. Juli 2011 durchgeführt werden. Mit der Aufschwungsverordnung (D.L. Nr. 70/2011) schließlich wurde festgelegt, dass diese Geschäftsvorfälle überhaupt nicht zu melden sind, soweit die Zahlung über Kreditkarten erfolgt. Zumal gleichzeitig immer wieder auch vom notwendigen Bürokratieabbau gesprochen wurde, waren auch schon Hoffnungen aufgekommen, die neue Verpflichtung könnte vor Ihrem Inkrafttreten noch ganz versenkt werden.
Diese Hoffnung hat sich leider nicht erfüllt: Am letzten Montag, den 30. Mai 2011, hat die Agentur der Einnahmen mit Rundschreiben Nr. 24/E die amtlichen Anleitungen für die neuen Kunden- und Lieferantenlisten veröffentlicht. Anerkennend muss aber festgehalten werden, dass zumindest Importe, Exporte, innergemeinschaftliche Lieferungen und Leistungen, die alle bereits über Zollbolletten und Intrastat-Meldungen erfasst werden, sowie Geschäftsvorfälle, die über die „Black-list“-Meldungen mitzuteilen sind, zumindest nicht ein zweites Mal gemeldet werden müssen.
Beschränkt für das Jahr 2010 wurde verfügt, dass
- nur Geschäftsvorfälle mit einer Höhe ab 25.000 Euro (anstatt ab 3.000 Euro) zu melden sind,
- Geschäftsvorfälle, die nicht durch Rechnungen dokumentiert werden müssen, ganz befreit sind und
- die Meldung erst innerhalb 31. Oktober 2011 zu versenden ist.
Nachstehend ein Überblick über die neue Meldepflicht, die sicher unmittelbare Änderungen bei Software und Verwaltung erforderlich macht:
Wer ist zur den Meldungen verpflichtet? |
Subjektiver Anwendungsbereich:
Die Verpflichtung zur elektronischen Jahresmeldung der einzelnen ausgeführten Umsätze (Kunden) und der erhaltenen Vorleistungen (Lieferanten) betrifft grundsätzlich - alle Unternehmen und - alle Freiberufler mit einer MwSt-Position. Die Meldepflicht gilt in diesem Sinn auch für Steuerpflichtige mit vereinfachter Buchhaltung. Nicht in Italien ansässige Unternehmen sind meldepflichtig, soweit sie hier über eine Betriebsstätte verfügen oder hier eine direkte Registrierung oder aber einen Fiskalvertreter haben. Nicht gewerbliche Körperschaften sind meldepflichtig für ihre Umsätze im gewerblichen Bereich. Befreit sind hingegen die pauschalierten Kleinunternehmen und Freiberufler (Ges. Nr. 244/2007), soweit sie nicht, auch im Laufe des Jahres, die vorgesehenen Schwellen überschreiten. |
Die Schwellen für die zu meldenden Geschäftsvorfälle |
Sachlicher Anwendungsbereich:
Meldepflichtig sind grundsätzlich alle aktiven und passiven Geschäftsvorfälle, die - für die Mehrwertsteuer in Italien relevant sind, - durch Rechnungen, Steuerquittungen oder Kassenbelege dokumentiert sind und - einen Betrag von zumindest 3.000 Euro (= MwSt-Bemessungsgrundlage) bei Rechnungen oder von zumindest 3.600 Euro (= Betrag inklusive Mehrwertsteuer) bei Geschäftsvorfällen, für welche nur Steuerquittungen oder Kassenbelege ausgestellt werden, aufweisen. Die Übergangsbestimmungen sehen sodann aber unterschiedliche Meldepflichten für die Jahre 2010, 2011 und die Folgejahre vor. Beschränkt für 2010 gilt: - Es sind nur Geschäftsvorfälle zu melden, die über Rechnungen dokumentiert sind und zudem zumindest 25.000 Euro ausmachen Für 2011 hingegen gilt: Es sind alle Geschäftsvorfälle zu melden, welche zumindest 3.000 Euro betragen; Geschäftsvorfälle, die nicht über Rechnungen, sondern nur über Kassenbelege oder Steuerquittungen belegt sind, unterliegen hingegen nur der Meldepflicht, soweit sie ab 1. Juli 2011 durchgeführt werden, und für sie gilt ein Grenzwert von 3.600 Euro (inklusive MwSt). Erst ab 2012 gilt: Für Geschäftsvorfälle ab 2012 gilt dann die volle Meldepflicht, d. h. es sind alle Geschäftsvorfälle ab 3.000 Euro bei Rechnungen und ab 3.600 Euro (inkl. MwSt) bei Steuerquittungen und Kassenbelegen zu melden. Besondere Vorsicht ist bei der Ermittlung der Schwellen für Verträge vorgesehen, die wiederkehrende Leistungen zum Gegenstand haben. Die Leistungen sind einheitlich zu betrachten, auch wenn mehrere periodische Rechnungen ausgestellt werden. Wenn z. B. für einen Wartungsvertrag monatliche Rechnungen über 500 Euro ausgestellt werden, so unterliegen diese der Meldepflicht, da auf Jahresbasis ein Entgelt von 6.000 Euro geschuldet wird. Die gleiche Überlegung gilt auch bei Anzahlungen auf Werkverträgen. Die Meldepflicht gilt sogar für wirtschaftlich zusammenhängende Geschäfte, auch wenn mehrere getrennte Verträge abgeschlossen werden. Es ist also immer eine einheitliche Betrachtungsweise vorzunehmen und auf das einheitliche, wirtschaftliche Gesamtergebnis abzustellen. Schlussfolgerung: Durch die Aufteilung eines Vertrages in mehrere Unterverträge wird die Meldepflicht nicht vermieden. |
Umsätze, die nicht über Rechnungen dokumentiert sind |
Umsätze, die nicht über Rechnungen, sondern nur mittels Steuerquittungen oder Kassenbelege dokumentiert sind, müssen erst erfasst werden, soweit sie nach den allgemeinen Bestimmungen der MwSt ab dem 1. Juli 2011 durchgeführt werden. Ab diesem Datum wird es also notwendig sein, auch im Einzelhandel oder in Gastbetrieben die Daten der Kunden zu erfassen, soweit die Schwelle überschritten wird.
Achtung: Diese Geschäftsvorfälle sind nur zu berücksichtigen, wenn die Schwelle von 3.600 Euro inklusive MwSt überschritten wird. Die Schwelle von 3.600 Euro gilt auch für die Fälle der Einphasenbesteuerung (z. B. Reisebüros oder Verlage). |
Meldepflichtige Umsätze ohne MwSt |
Das Rundschreiben Nr. 24/E stellt klar, dass die Meldepflicht auch für nicht MwSt-pflichtige Geschäftsvorfälle im Sinne von Art. 8, 8-bis und 9, 38-quater, 71 und 72 MwStG gilt. Meldepflichtig sind auch unecht steuerbefreite (Art. 10 MwStG) Umsätze.
Meldepflichtig sind auch Umsätze, die in Italien - der Margenbesteuerung unterliegen, allerdings nur für den steuerbaren Anteil, - die hier dem „Reverse-Charge-Verfahren“ unterliegen und - schließlich Gratislieferungen und Eigenverbrauch, soweit die obgenannten Grenzwerte überschritten werden. |
Ausnahmen von der Meldepflicht |
Nicht meldepflichtig sind folgende Geschäftsvorfälle:
Der Meldepflicht unterliegen jene Geschäftsvorfälle nicht, die in Italien nicht steuerbar sind. Nicht anzugeben sind somit die nicht steuerbaren Umsätze aufgrund fehlender subjektiver, sachlicher oder territorialer Voraussetzungen. Nicht meldepflichtig sind auch jene Geschäfte, die im Sinne von Art. 15 MwStG von der MwSt-Grundlage ausgeschlossen sind, so insbesondere im Namen und auf Rechnung Dritter vorgestreckte Spesen. Befreit sind somit auch die nicht steuerbaren Dienstleistungen im Sinnte von Art. 7-ter MwStG. Im Rundschreiben Nr. 24/E wird zudem die Befreiung von der Meldepflicht für folgende Umsätze bestätigt: - die Importe bzw. die Einfuhren aus Drittländern, zumal sie bereits in den Zollbolletten erfasst sind; - die Exporte bzw. die Ausfuhren in Drittländer (nicht MwStpflichtig im Sinne von Art. 8 Abs. 1 Buchst. a und b MwStG); meldepflichtig bleiben hingegen die Lieferungen an nachhaltige Exporteure (Art. 8 Abs. 1 Buchst. c MwStG); - die durchgeführten bzw. erhaltenen Lieferungen und Dienstleistungen von Steuerpflichtigen mit Sitz in einem Steuerparadies (Stichwort „black list“), die der eigenen Meldung unterliegen; - die Umsätze der Stromverteiler, Telefongesellschaften und Versicherungen, für die bereits eigene Meldungen vorgesehen sind; - zusätzlich unter den Befreiungen angeführt werden nun auch die innergemeinschaftlichen Umsätze (auch wenn in der Durchführungsverordnung nicht enthalten), weil diese bereits über die Intra-Meldungen erfasst werden. Dies betrifft im Wesentlichen die innergemeinschaftlichen Lieferungen sowie die innergemeinschaftlichen Erwerbe von Gegenständen und Leistungen; die ausgeführten innergemeinschaftlichen Dienstleistungen sind ohnehin befreit, weil sie nicht steuerbar sind (Leistungsort im Empfängerstaat). Nicht befreit sind hingegen die nationalen Dreiecksgeschäfte (Art. 58 D.L. 331/1993); - eine weitere Befreiung betrifft die Umsätze ohne Pflicht zur Rechnungserteilung (also vor allem Einzelhandel), die durch Kreditkarten, Debitkarten und ähnliche Zahlungskarten abgewickelt werden. Die Befreiung gilt ausdrücklich nur für Zahlungen, die über inländische Zahlungskarten vorgenommen werden; - keine Meldepflicht besteht schließlich für Innenumsätze eines Unternehmens, die durch Rechnungen dokumentiert werden (i. W. bei getrennter Buchführung für diverse Tätigkeiten). |
Umstrukturierungen |
Für den Fall von Umstrukturierungen (Einbringungen, Fusionen, Spaltungen) stellt das Rundschreiben Nr. 24/E klar: Wenn diese im Vorjahr (2010) stattgefunden haben, hat der Rechtsnachfolger zwei getrennte Meldungen zu erstellen (für sich und die übernommene Position). Für die laufende Steuerperiode ist hingegen eine einheitliche Meldung aufzustellen. |
Was ist zu melden? |
Das Rundschreiben gibt zudem erste Hinweise, was überhaupt zu melden ist: In der Meldung muss für jeden einzelnen Umsatz
- die MwSt-Nummer des Lieferanten bzw. des Kunden angeführt werden. Bei Privatpersonen ist die Steuernummer anzuführen. Bei nicht ansässigen Geschäftspartnern ohne Steuernummer sind Name, Vorname, Geburtsdatum, Geburtsort, Geschlecht und Wohnsitz für natürliche Personen anzugeben; für Gesellschaften werden Gesellschaftsbezeichnung und Sitz verlangt. Für nicht ansässige Körperschaften werden zudem die Daten eines rechtlichen Vertreters verlangt. Wie man – insbesondere im Einzelhandel – zu diesen Daten kommen soll, darauf geht das Rundschreiben leider nicht ein. - Anzugeben sind sodann die Bemessungsgrundlage und die MwSt (soweit geschuldet). Alle Umsätze sind nach Berücksichtigung der etwaigen Berichtigungen zu erfassen; soweit durch eine nachträgliche Berichtigung die Schwelle von 3.000 Euro unterschritten wird, entfällt die Meldepflicht. |
Strafen | Unterlassene, unvollständige oder fehlerhafte Meldungen werden mit Verwaltungsstrafen zwischen 258 und 2.065 Euro geahndet. Für eingereichte Meldungen können allerdings innerhalb einer Frist von 30 Tagen ohne Verwaltungsstrafen Korrekturmeldungen nachgereicht werden, mit denen auch die gesamte Meldung ersetzt werden kann. Es muss allerdings eine ursprüngliche Meldung abgegeben worden sein. Für spätere Meldungen sind die Strafmilderungen der freiwilligen Berichtigung anwendbar. |
Nachstehend fassen wir die Termine nochmals zusammen:
Bezugsjahr | Meldefrist |
2010 - nur Geschäftsvorfälle, die über Rechnungen dokumentiert sind und (ohne) MwSt zumindest 25.000 Euro betragen | innerhalb 31. Oktober 2011 |
2011 - bis zum 1. Juli 2011 nur Geschäftsvorfälle mit Rechnungen mit MwSt-Bemessungsgrundlage ab 3.000 Euro; ab 1. Juli 2011 auch Geschäftsvorfälle, die über Kassenbelege und Steuerquittungen belegt sind, mit Beträgen inkl. MwSt ab 3.600 Euro. | innerhalb 30. April 2012 |
Empfehlungen:
- Zunächst ist es erforderlich, die Buchhaltungssoftware derart zu ändern, dass für 2010 eine Auslese aller Geschäftsvorfälle ab 25.000 Euro erfolgt, die innerhalb Oktober 2011 gemeldet werden müssen.
- Für 2011 muss die Software derart gestaltet werden, dass sie die Geschäftsvorfälle mit Rechnungen ab 3.000 Euro und ab 1. Juli 2011 auch die Geschäftsvorfälle mit Kassenbelegen und Steuerquittungen ab 3.600 Euro (inkl. MwSt) erfasst.
- Organisatorisch ist eine Umstellung derart notwendig, dass ab 1. Juli für Umsätze ab 3.600 Euro auch bei Steuerquittungen und Kassenbelegen (z. B. im Einzelhandel) die Daten der Kunden erfasst werden. Es wird notwendig sein, bei solchen Umsätzen eine Kopie des Personalausweises des Kunden zu verlangen
Übrigens: Die Anleitungen, welche den elektronischen Versand der Meldungen klären sollten, sind leider noch ausständig. Die Agentur der Einnahmen kündigt hierfür ein eigenes Rundschreiben an.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüssen
Dr. Josef Vieider
Herunterladen R-25-04.06.2011 Kunden- und Lieferantenlisten 2011