Notverordnungen Nr. 70/2011 und 78/2011 in Gesetz umgewandelt

Notverordnungen Nr. 70/2011 und 78/2011 in Gesetz umgewandelt

In den letzten Wochen haben sich die Aufschwungs- und Krisenverordnungen förmlich überschlagen. Sie sind jeweils als Notverordnungen erlassen worden und dann mit mehr oder weniger gewichtigen Abänderungen in Gesetz umgewandelt worden. Hier ein Überblick:

- Am 5. Mai 2011 ist die sog. „Aufschwungsverordnung“ (decreto sviluppo) als D.L. 70/2011 erlassen worden; sie ist inzwischen mit Änderungen in Gesetz Nr. 106/2011, in Kraft seit 13. Juli 2011, umgewandelt worden.

- Am 6. Juli 2011 ist das erste Sparpaket (Manovra 2011) als D.L. 98/2011 erlassen worden; dieses ist inzwischen in Gesetz Nr. 111 vom 15. Juli 2011, in Kraft seit 17. Juli 2011,  umgewandelt worden.

- Am 13. August 2011 ist schließlich das zweite Sparpaket (Manovra correttiva) als D.L. 138/2011 in Kraft getreten; dieser Verordnung steht die parlamentarische Behandlung noch bevor, und bereits jetzt werden zahlreiche Änderungen angekündigt.

Wir haben mit Rundschreiben Nr. 22 vom 17. Mai 2011 über die „Aufschwungsverordnung“ und mit Rundschreiben Nr. 26 vom 12. Juli 2011 über das erste Sparpaket berichtet. Bevor wir mit einem eigenen Rundschreiben auf die Neuerungen im zweiten Sparpaket eingehen, soll zunächst mit diesem Rundschreiben auf die wichtigsten Änderungen hingewiesen werden, die sich an „Aufschwungsverordnung“ und „erstem Sparpaket“ im Zuge der Ratifizierung im Parlament ergeben haben.

 

 

Änderungen zur „Aufschwungsverordnung“(D.L. 70/2011):

 

 

Dauer von Betriebs-prüfungen (Art. 7)

Die Notverordnung sah bekanntlich eine Reduzierung der Höchstdauer von Betriebsprüfungen in KMU-Unternehmen von früher 30 Tagen auf maximal 15 Tage vor, wobei bei der Berechnung der Frist allerdings nur die Tage „vor Ort“ gezählt werden dürfen, so dass sich eine Betriebsprüfung trotzdem über Monate hinziehen kann. Im Zuge der Umwandlung ist die Fristenreduzierung von 30 auf 15 Tage auf Unternehmen mit vereinfachter Buchhaltung und Freiberufler eingeschränkt worden; zudem wurde festgehalten, dass die Obergrenze von 15 Tagen nur „pro Quartal“ gilt; im Extremfall könnte in jedem Quartal eine Prüfung von 15 Tagen „vor Ort“ erfolgen.

Im Gegenzug ist aber insgesamt eine Formulierung gewählt worden, die zumindest laut vorherrschender Fachpresse für alle Unternehmen mit ordentlicher Buchhaltung die jüngste Rechtsprechung bestätigt, und diese besagt: Betriebsprüfungen bei Unternehmen mit ordentlicher Buchhaltung dürfen 30 Tage (mit der Möglichkeit der Verlängerung auf 60 Tage) nicht überschreiten, wobei die Frist – unabhängig von der tatsächlichen Anwesenheit der Prüfer vor Ort – ab dem Datum des ersten Zutritts berechnet wird.

   
 

ICI-Befreiung landw. Gebäude

Im Zuge der Umwandlung der Verordnung wurde eine Neuregelung für die ICI-Befreiung der landwirtschaftlichen Gebäude eingeführt: Um die Qualifikation als landwirtschaftliches Gebäude und entsprechend die ICI-Befreiung beizubehalten, werden die Eigentümer angehalten, innerhalb 30. September 2011 einen Änderungsantrag für die Katastereinstufung zu stellen. Das Gebäude muss demnach die Katasterkategorie A/6 oder D/10 zuzuweisen. Mit einer Eigenerklärung hat man zu bestätigen, dass für die letzten fünf Jahre die steuerlichen Voraussetzungen als landwirtschaftliches Gebäude im Sinne der Einkommensteuern bestanden haben. Bis zum 20. November 2011 muss die Territorialagentur die vorgenannte Erklärung prüfen und die  beantragte Neuklassifizierung vornehmen. Für die praktische Umsetzung ist eine eigene Verordnung vorgesehen, die bislang ausständig ist; mit einem Terminaufschub darf also gerechnet werden.

 

 

Erleichte-rung für elektronische Archivierung

Im Zuge der Umwandlung der Notverordnung wurde zudem eine bedeutende Erleichterung für die digitale Führung der Buchhaltung eingeführt: Es ist nicht länger erforderlich, den elektronischen Zeitstempel  und elektronische Unterschrift je Quartal anzubringen, sondern es reicht ein jährlicher Zeitstempel mit elektronischer Unterschrift aus. Die vierteljährliche Fälligkeit dieser Verpflichtungen hatte bislang die Einführung der elektronischen Archivierung stark beeinträchtigt, stellte sie doch eine arge Benachteiligung gegenüber der traditionellen Buchhaltung dar, bei welcher ein jährlicher Ausdruck aller Register ausreicht. Nun werden praktisch die Termine gleichgestellt.

 

Neuverhand-lung Darlehen (Art. 8) Die gesetzliche Möglichkeit von Neuverhandlungen von Hypothekardarlehen für den Ankauf oder die Wiedergewinnung von Wohngebäuden, und zwar zwecks Umstiegs von ehemals variablen Raten und Zinssätzen auf einen fixen jährlichen Zinssatz, wurde im Zuge der Umwandlung bestätigt. Die Obergrenze der Darlehen wurde aber von 150.000 Euro auf 200.000 Euro angehoben.
   
 

Änderungen zum ersten Sparpaket:

Endgültig ratifiziert wurde, wie eingangs aufgezeigt, auch die am 6. Juli 2011 als Nachtragshaushalt erlassene Verordnung mit dem Stabilisierungspaket (D.L. Nr. 98/2011 – erstes Sparpaket). Im Zuge der Umwandlung wurden einige Erleichterungen bei den Stempelsteuern auf Wertpapierdepots eingefügt, vor allem aber Verschärfungen und Erhöhungen bei den Einnahmen, die allerdings i. W. erst 2013 und 2014 rechtswirksam werden sollen. Die Neuerungen des Sparpakets sind zudem von der Finanzverwaltung inzwischen mit Rundschreiben Nr. 41/E vom 5. August 2011 erläutert worden.  Hier die wichtigsten Änderungen im Zuge der Ratifizierung:

Quellen-steuer von 10% auf 4% reduziert (Art.23    Abs. 8)

 

Im Zuge der Umwandlung wurde die Herabsetzung der Quellensteuer von 10% auf 4% im Zusammenhang mit Zahlungen, für welche die Steuerabsetzbeträge von 36% bzw. 55% beansprucht werden, unverändert bestätigt. Die Reduzierung gilt für Gutschriften ab dem 6. Juli 2011. Mit Rundschreiben Nr. 41 vom 5. August 2011 sind Banken und Postämter, die in den ersten Tagen nach Inkrafttreten der Erleichterung noch die ursprüngliche Quellensteuer von 10% berechnet haben, aufgefordert worden, den Differenzbetrag von 6% dem Begünstigten gutzuschreiben.

 

Pauschal-besteuerung Jungunter-nehmer (Art. 27) Die Pauschalbesteuerung für Kleinstunternehmen und Freiberufler wird ab 1. Dezember 2012 grundlegend überarbeitet (Art. 1 Abs. 96 – 117 Ges. Nr. 244/2007). Die Neuerungen im Überblick:

- Die Besteuerungsform kann ab 2012 nur mehr für Tätigkeiten beansprucht werden, die nach dem 31. Dezember 2007 begonnen worden sind.

- Die Ersatzsteuer für IRPEF sowie regionale und kommunale IRPEF-Zuschläge  wird auf 5% reduziert.

Im Zuge der Ratifizierung der  Verordnung wurde zudem der Anwendungsbereich auf Steuerpflichtige bis zum 35. Lebensjahr beschränkt; im Gegenzug wurde die Regelung aus der Notverordnung wieder gestrichen, dass die Pauschalbesteuerung nur für maximal 5 Jahre beansprucht werden darf.

Hinweis: Jungunternehmen, welche zum 31.12.2011 die Voraussetzungen nicht mehr erfüllen, sind ab 2012 von der Begünstigung ausgeschlossen.

 

 

Stempel-steuer (Art. 23 Abs. 7)

 

Mit der Notverordnung wurden für die periodischen Mitteilungen aus den Wertpapierdepots neue Stempelsteuern eingeführt. Im Zuge der Ratifizierung der Verordnung wurde allerdings die gesamte Bestimmung völlig neu geschrieben, so dass jetzt laut Art. 13 Abs. 2-bis Tarifordnung zur Stempelsteuer folgende Gebühren für die Wertpapierdepotauszüge gelten:

 Größe Depot Auszug ab 2011 ab 2013
Nennwert oder Rückzahlungswert bei einem Finanzvermittler < € 50.000 jährlich 34,20
semestral 17,10
trimestral 8,55
monatlich 2,85
Nennwert oder Rückzahlungswert bei einem Finanzvermittler < € 50.000 und < € 150.000 jährlich 70,00 230,00
semestral 35,00 115,00
trimestral 17,50 57,50
monatlich 5,83 19,17
Nennwert oder Rückzahlungswert bei einem Finanzvermittler < € 150.000 und < € 500.000 jährlic 240,00 780,00
semestral 120,00 390,00
trimestral 60,00 195,00
monatlich 20,00 65,00
Nennwert oder Rückzahlungswert bei einem Finanzvermittler > € 500.000 jährlich 680,00 1.100,00
semestral 340,00 550,00
trimestral 170,00 275,00
monatlich 56,

7

91,67
 
 

Änderungen bei den Abschrei-bungen

– Art. 23, Abs. 10-11

 

Die schwerwiegendsten Änderungen enthielt die Notverordnung in Hinblick auf die Abschreibungen von Gütern, die im Rahmen von öffentlichen Konzessionen bei Konzessionsablauf unentgeltlich an den Konzessionsgeber fallen. Diese Güter sind derzeit aufgrund der Konzessionsdauer abschreibbar (siehe Art. 104 EESt). Ab dem Geschäftsjahr 2011 hätte ein allgemeiner Abschreibungssatz von 1% vorgesehen werden sollen. Die Folge: Die Güter könnten, unabhängig von der Konzessionsdauer, von ihrer Nutzungsdauer und vom verwendeten Abschreibungsverfahren im Unternehmen für Steuerzwecke  nur mehr über rund 100 Jahre (!) abgeschrieben werden.

Im Zuge der Ratifizierung wurde die unsinnige Bestimmung zum Glück wieder gestrichen und jetzt durch eine Obergrenze für die Instandhaltungsrückstellungen für die Autobahnen ersetzt, die für die Allgemeinheit allerdings unerheblich ist.

 

 
 

Reduzierte Strafen bei Verzögerun-gen bis zu 15 Tagen (Art. 23 Abs. 31)

Unverändert ratifiziert worden ist die Lockerung der Verwaltungsstrafen für Verspätungen bei Steuerzahlungen von bis zu 14 Tagen. Hier sind aber ergänzend zu unserem Rundschreiben Nr. 26/2011 noch folgende Klarstellungen erforderlich.

Bekanntlich gilt, dass für verspätete Zahlungen allgemein eine Strafe von 30% zur Anwendung kommt, und diese wird reduziert:

- auf 1/8 (gleich 3,75%) wenn die Zahlung nebst Sanierung (Abfindung von Zinsen und Strafen) innerhalb des Termins für die Steuererklärung, oder - soweit keine Meldung vorgesehen ist – innerhalb Jahresfrist erfolgt, und

- auf 1/10 (gleich 3%), wenn die Zahlung nebst Sanierung innerhalb von 30 Tagen erfolgt.

Durch die Neuerungen im ersten Sparpaket wurde eine zusätzliche Reduzierung eingeführt, und zwar für geringfügige Verzögerungen bis zu 14 Tagen. In diesem Fall kommt die Mindeststrafe in einem Ausmaß von 2% pro Tag der Verzögerung zur Anwendung, reduziert ebenfalls auf 1/10, soweit innerhalb von 30 Tagen ab der ursprünglichen Fälligkeit die Sanierung der Verspätung vorgenommen wird. Die neu eingeführte Sanierungsmöglichkeit wird in der Fachpresse als „ravvedimento sprint“ bezeichnet. Bitte beachten Sie, dass es sich dabei um einer Ausnahme zur allgemeinen Bestimmung der freiwilligen Bestimmung handelt, da i.d.R. die gleichzeitige Entrichtung von Strafen und Steuern verlangt wird.

In der Praxis ergeben sich bei Verzögerungen von bis zu 14 Tagen also folgende Szenarien, je nachdem, ob mit der verspäteten Zahlung innerhalb von 30 Tagen auch die Sanierung (Nachzahlung von Strafen und Zinsen) durchgeführt wird oder nicht:

 
Tag Verspät. 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15  
volle Strafe 2% 4% 6% 8% 10% 12% 14% 16% 18% 20% 22% 24% 26% 28% 30%  
reduzierte Strafe 0,2% 0,4% 0,6% 0,8% 0,1% 1,2% 1,4% 1,6% 1,8% 2% 2,2% 2,4% 2,6% 2,8% 3%  
  Bleibt noch zu ergänzen, dass neben der Strafe auch die Zinsen geschuldet sind, und zwar in Höhe von derzeit 1,5% (bis zum 31.12.2010 1%).

Beispiel: Wenn die MwSt für Juni anstatt am 18.7.2011 (Aufschub Fälligkeit wegen Feiertag am 16.07.11) erst am 25. Juli eingezahlt wurde, so wird hierfür das Amt eine Strafe im Ausmaß von 14% (7 Tage Verspätung) verhängen. Soweit der Steuerpflichtige innerhalb von 30 Tagen ab dem 18. Juli 2011 die Sanierung vornimmt, reduziert sich die Strafe auf 1,4% zuzüglich Zinsen.

 

Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-29-16.08.2011 Ratifizierung Verordnungen