Amtliche Anleitungen der Agentur der Einnahmen zum MwSt-Paket 2010 veröffentlicht

Amtliche Anleitungen der Agentur der Einnahmen zum MwSt-Paket 2010 veröffentlicht

Zur Erinnerung: Mit 1. Jänner 2010 ist die Reform der innergemeinschaftlichen Dienstleistungen in Kraft getreten. Wir haben versucht, mit verschiedenen Rundschreiben Anfang letzten Jahres die Neuerungen zu erläutern. Kernpunkt der Reform war: Bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen zwischen MwSt-Pflichtigen erfolgt im Allgemeinen die Verlagerung des Leistungsortes hin zum Auftraggeber bzw. Leistungsempfänger (Empfängerortbesteuerung). Die Ausnahmen von diesem Grundsatz sind nachhaltig reduziert worden und betreffen i. W. die Grundstücksleistungen.

Rund 19 Monate nach Inkrafttreten der Reform hat die Finanzverwaltung mit einem über 60 Seiten starken Rundschreiben (Nr. 37/E am 29. Juli 2011) nun erste amtliche Anleitungen zu den Neuerungen veröffentlicht. Die Verzögerung wird damit gerechtfertigt, dass auch die EU-Durchführungsvorschriften zur MwSt-System-Richtlinie (EU-DVO Nr. 282/2011) erst am 1. Juli 2011 in Kraft getreten sind.

Angesichts der Verzögerung muss man es begrüßen, dass in dem Rundschreiben keine wesentlich neuen Erkenntnisse enthalten sind. Trotzdem werden aber einige Zweifelsfälle geklärt, und man tut sicher gut daran, gerade diese Klarstellungen peinlich zu beachten, denn sie werden erfahrungsgemäß Gegenstand von Betriebsprüfungen in der nächsten Zeit sein, sobald auch die Finanzbeamten die neuen Anleitungen studiert haben. Nachstehend die wichtigsten Klärungen im genannten Rundschreiben Nr. 37/E:

 
 

Unternehmereigenschaft prüfen

Zunächst wird unterstrichten, dass ein italienischer Leistungserbringer für den Übergang der Steuerschuldnerschaft auf den Auftraggeber bei allgemeinen Dienstleistungen dessen Eigenschaft als Unternehmer prüfen muss. Diese wird im Allgemeinen durch die ID-Nummer nachgewiesen. Der italienische Leistungserbringer muss allerdings innerhalb der EU über die VIES-Datei die Gültigkeit der ID-Nummer überprüfen. Soweit der Leistungsempfänger bereits eine ID-Nummer beantragt hat und nur die Zuweisung ausständig ist, kann der Nachweis der Unternehmereigenschaft auch über andere handelsübliche Sicherheitsmaßnahmen (Handelsregisterauszug usw.) erfolgen. Diese Verfahren gelten auch zum Nachweis der Unternehmereigenschaft außerhalb der EU.

Empfehlung: Vor allem bei merklichen Umsätzen wird es unverzichtbar sein, vor der Fakturierung eine VIES-Abfrage zu machen, und es ist auch zu empfehlen, das Ergebnis der Abfrage auszudrucken und bei den Unterlagen abzulegen, da rückwirkende Änderungen der VIES-Datei nie ausgeschlossen werden können.

 

 

Auf Zweckbestimmung achten

 

Bedeutsam ist sodann der Hinweis, dass man nicht nur den subjektiven Aspekt des Leistungsempfängers (Status als Unternehmer), sondern auch die Verwendung der erworbenen Leistungen beurteilen muss: Der Leistungsort verlagert sich nämlich nur dann in das Land des Auftraggebers, wenn der gewerbliche Leistungsempfänger die Leistungen auch in seiner Eigenschaft als Unternehmer erwirbt. Und diese Einschränkung gilt ausdrücklich auch für Gesellschaften und Körperschaften; wenn also offenkundig ist, dass die Leistung für den privaten Gebrauch von Verwaltern oder Mitarbeitern einer Gesellschaft bestimmt ist, bleibt die Leistung steuerpflichtig im Land des Leistungserbringers.

 

 

Einbindung von Betriebsstätten in Leistungserbringung prüfen

Italien hat bekanntlich bei der Umsetzung des MwSt-Pakets eine Variante gewählt, nach welcher ausländische Unternehmen mit einer direkten Registrierung oder einem Fiskalvertreter in Italien auch für hier steuerpflichtige Lieferungen und allgemeine Leistungen gegenüber gewerblichen Auftraggebern das Reverse-Charge-Verfahren anwenden müssen; im Umkehrschluss sind sie nicht ermächtigt, hier mit italiensicher MwSt zu fakturieren. Im Rundschreiben wird diese Regelung noch verschärft: Selbst bei Vorliegen einer Betriebsstätte in Italien darf das ausländische Unternehmen nicht mit italienischer MwSt fakturieren, falls im konkreten Fall Lieferung oder Leistung ohne Nutzung der technischen oder humanen Ressourcen der Betriebsstätte erfolgt sind.

Empfehlung: Bei ausländischen Unternehmen, die Lieferungen oder allgemeine Dienstleistungen über eine italienische Betriebsstätte mit hiesiger MwSt in Rechnung stellen, tut man gut daran (soweit es nicht offenkundig ist), eine Erklärung zu verlangen, dass der Umsatz mit Zutun der Betriebsstätte getätigt worden ist.

Zudem wird im Rundschreiben geklärt: Wenn die Betriebsstätte steuerliche Aufgaben des Stammhauses übernimmt, sind getrennte MwSt-Aufzeichnungen zu führen und die entsprechenden Umsätze getrennt in der MwSt-Jahreserklärung zu melden.

 

 

 

Eigenrechnung oder Ergänzung der Rechnung

Eine längst überfällige Klarstellung enthält das Rundschreiben in Hinblick auf die Verbuchung von ausländischen Rechnungen für in Italien steuerpflichtige Dienstleistungen: Endlich wird auch amtlich bestätigt, dass es dem Steuerpflichtigen frei steht, für die erhaltene Rechnung entweder eine Eigenrechnung auszustellen oder die ausländische Rechnung um die italienische Mehrwertsteuer zu ergänzen. Und noch eine Klarstellung enthält das Rundschreiben: Die Erwerbsbesteuerung (Eigenrechnung oder Rechnungsergänzung) für Dienstleistungen muss spätestens bei Zahlung der Rechnung vorgenommen werden. Daraus folgt: Im Gegensatz zu den Lieferungen ist der Zeitpunkt des Erhalts einer Rechnung nicht maßgeblich.

Beispiel: Für die im Juli erhaltene Rechnung für die Reparatur eines beweglichen Gutes in Deutschland muss erst im Oktober die Erwerbsbesteuerung gemacht werden, wenn die Rechnung erst im Oktober bezahlt wird, und auch die Intrastat-Meldung ist dann erst mit Bezug auf den Monat Oktober zu erstellen.

 

 

 

Messeleistungen

Bei den Veranstaltungsleistungen werden unter anderem die Messeleistungen behandelt. Zur Erinnerung: Für diese Leistungen gilt seit 1. Jänner 2011 die Verlagerung in das Land des Leistungsempfängers (siehe unser Rundschreiben Nr. 1/2011). Die Finanzverwaltung trifft in diesem Zusammenhang eine sehr erfreuliche Auslegung: Als Messe- und damit zusammenhängende Leistungen gelten nicht nur die von den Messekörperschaften an die Aussteller erbrachten Leistungen, sondern weiters auch die Leistungen der Veranstalter (welche die Messe organisieren) und auch alle Leistungen im Zusammenhang mit dem Aufbau und der Ausstattung von Messeständen an die Aussteller (einschließlich z. B. der Leistungen des Elektrikers oder Hydraulikers). Für alle diese Leistungen gilt bei B2B-Geschäften die Besteuerung im Empfängerstaat.

Dass umgekehrt insbesondere Deutschland hier eine eigene (und von den EU-Bestimmungen abweichende) Auslegung vertritt, ist mittlerweile schmerzhaft bekannt.

 
 

Grundstücksleistungen

Breiten Raum nehmen im vorliegenden Rundschreiben die Grundstücksleistungen ein.

Hier gilt bekanntlich nicht die Grundregel der Empfängerortbesteuerung (Art. 7-ter MwStG), sondern der Leistungsort bestimmt sich nach der Belegenheit des Grundstücks (Art. 7-quater MwStG). Die Finanzverwaltung betont, dass – zumal es sich um eine Ausnahme handelt – die Regel der Grundstücksleistungen nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH immer restriktiv auszulegen ist. Die genaue Abgrenzung der Grundstücksleistungen ist insofern wichtig, als sie nie in den Intrastat-Meldungen zu erfassen sind.

Das Rundschreiben versucht zunächst (Zi. 3.1.2) eine Definition der Liegenschaften zu geben: Als Gebäude gilt in diesem Zusammenhang „jedes mit dem Boden fest verbundene Bauwerk“. Es geht also um Gegenstände, die wesentliche Bestandteile darstellen und als solche dauerhaft und fest mit dem Gebäude verbunden sind. Dabei werden auch die früheren Aussagen im Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen (Rundschreiben Nr. 38/E vom 23. Juni 2010) bestätigt: Falls die Anlagen fest verankert sind und nicht vom Bauwerk getrennt werden können, ohne dadurch die ursprüngliche Funktionalität zu verlieren, zählen sie als Bestandteil des Gebäudes; ein unbewegliches Gut ist auch dann gegeben, wenn ein Abbau oder die Trennung vom Gebäude zwar technisch möglich sind, aber eine Wiederbenutzung des Gutes in einem anderen Umfeld mit demselben Zweck unwirtschaftliche Anpassungsarbeiten erfordert. Als zusätzliches Merkmal für die in Italien belegene Liegenschaften gilt laut vorliegendem Rundschreiben auch die etwaige Eintragung im Gebäudekataster.

Sodann werden im Rundschreiben auch praktische Lösungen zu einigen typischen Grundstücksleistungen gegeben:

- Zu den Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück gehören, abgesehen von den Leistungen, die der Erschließung von Grundstücken oder der Vorbereitung, Koordinierung (Projektsteuerung) und Ausführung von Bauleistungen dienen,  auch die Einräumung von Nutzungsrechten an Immobilien, also vor allem Mietverträge und diesbezügliche Subverträge. Nicht berücksichtigt ist allerdings die Abtretung von Realrechten, so z.B. der Fruchtgenuss. Diese Realrechte werden nach den inländischen Bestimmungen dem Grundstück selbst gleichgestellt (Art. 2 Abs. 1 MwStG) und folglich wie die Lieferung (bzw. der Verkauf) einer Immobilie behandelt.

- Die Leistungen der Architekten, Ingenieure und anderer Sachverständiger (z. B. Geometer), die mit der Projektierung, Bauleitung, Inneneinrichtung oder der Abnahme zusammenhängen, gelten als Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück.

- Grundstücksleistungen sind auch die Schätzungen von Liegenschaften.

- Nicht als Grundstücksleistungen gelten dagegen die Beratungsleistungen, auch wenn sie spezifisch eine Immobilie betreffen. Beispiel: Rechtsanwalt oder Notar, der den Kaufvertrag erstellt.

 

 

 

Lohnveredelungen in Drittländern

Eine interessante Klarstellung enthält das Rundschreiben (Zi. 5.1) schließlich mit Bezug auf die Bearbeitung beweglicher Güter in Drittländern. Beispiel: Ein bewegliches Gut wird zur Bearbeitung nach Indien geschickt. Für die Dienstleistung ist bekanntlich nach den neuen Bestimmungen eine Eigenrechnung (bzw. eine ergänzte Rechnung) auszustellen. Gleichzeitig wird das Gut bei seiner Wiedereinfuhr aber verzollt. Um hier eine doppelte Anwendung der MwSt zu vermeiden, schlägt die Finanzverwaltung vor, beim Verzollungsverfahren die Bemessungsgrundlage durch Vorlage geeigneter Dokumente um die Kosten der Bearbeitung zu mindern. Sollte dies technisch nicht möglich sein, so ist die Eigenrechnung ohne MwSt zu erstellen, und zwar mit dem Vermerk „MwSt abgeführt mit Zollbollette Nr. __“.

Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-30-16.08.2011 Rundschreiben MwSt EU