Steuerrechtliche Einordnung der Fotovoltaikanlagen – Studie der Notariatskammer

Steuerrechtliche Einordnung der Fotovoltaikanlagen – Studie der Notariatskammer

Die Steuerämter, nämlich die Agentur der Einnahmen auf der einen Seite und die Territorialagentur („Agenzia del Territorio“) auf der anderen Seite, liegen seit Jahren im Streit ob der korrekten Einordnung der Fotovoltaikanlagen:

- Die Agentur der Einnahmen (insb. Rundschr. Nr. 38/E/2010) vertritt die Auffassung, die Anlagen könnten als bewegliche Güter klassifiziert werden (mit entsprechenden Auswirkungen für die sog. Tremonti-ter-Begünstigung im Vorjahr), soweit sie ohne wesentliche wirtschaftlichen Nachteile abgebaut und andernorts wieder aufgebaut werden können. Soweit diese Voraussetzung erfüllt ist, wären die Anlagen beschleunigt mit einem Abschreibungssatz von 9% abschreibbar, nicht im Gebäudekataster einzutragen und in der Folge auch nicht der Gemeindeimmobiliensteuer ICI unterworfen, so in Kurzform die Auslegung der Agentur der Einnahmen.

- Die Territorialagentur (insb. Rundschr. 3/T/2008) hingegen sieht in den Fotovoltaikanlagen grundsätzlich unbewegliche Güter und verlangt deren Eintragung ins Gebäudekataster mit entsprechenden Auswirkungen auf die Gemeindeimmobiliensteuer ICI, die Leasingdauer und die Abschreibungen; sie unterscheidet dabei nicht, ob es sich um auf Freifeldanlagen oder um Anlagen handelt, die in bestehende Gebäude integriert werden.

Die unterschiedlichen Auslegungen mit entsprechender Verunsicherung der Steuerpflichtigen werden in der Fachpresse seit Jahren angeprangert; bislang leider ohne Erfolg.

Nun hat sich die nationale Kammer der Notare  der Frage angenommen und in zwei Studien (Nr. 221/2011/C und Nr. 35-2011/T vom 5. Oktober 2011 alle wesentlichen zivili- und steuerlichen Aspekte der Fotovoltaikanlagen durchleuchtet. Die steuerrechtlichen Aspekte werden vor allem in der zweiten Studie analysiert. Die Dokumente können von der Homepage der Notare (http://www.notariato.it) heruntergeladen werden. Soweit Ihr Unternehmen im Bereich der Fotovoltaik tätig ist, empfehlen wir Ihnen, die Studien der Notare zu vertiefen, zumal deren Auslegungen insbesondere bei Steuerstreitverfahren einen hohen Stellenwert haben.

 

An dieser Stelle soll nur auf einen wichtigen Punkt der Studie verwiesen werden: Die Notare unterscheiden  in der Studie zwischen kleinen Fotovoltaikanlagen einerseits und „Fotovoltaikkraftwerken“ bzw. –parken andererseits. Als Grenzwert schlagen sie dabei in Anlehnung an die vorherrschende Praxis eine Nennleistung von 20 KW vor. Bekanntlich kann für Anlagen bis zu einer Leistung von 20 kW der überschüssige, nicht selbst verwendete Strom gutgeschrieben bzw. eingetauscht werden (Stichwort „scambio sul posto“), um diesen dann bei Bedarf zu verwenden. Bei größeren Anlagen muss der überschüssige Strom hingegen entgeltlich an den Netzbetreiber abgetreten werden. Zudem gilt bei Anlagen bis zu 20 KW auch die Regelung, dass bei ausschließlich privater Verwendung des Stroms (z.B. Hausgebrauch, Beleuchtung, u.a.) auch der von Privaten bezogene Beitrag hinsichtlich der Einkommensteuern nicht steuerpflichtig ist.

 

Die steuerrechtlichen Auswirkungen:

Die Kammer der Notare analysiert sodann die möglichen steuerlichen Auswirkungen der aufgezeigten Unterscheidung in kleine und große Anlagen:

 

Kleine Anlagen mit einer Nennleistung bis zu 20 KW  werden demnach grundsätzlich als Zubehör zu Grund und Boden eingestuft, für welche keine eigene Eintragung im Gebäudekataster notwendig wäre; bestenfalls würde sich die Eintragung werterhöhend auf den Katasterwert des Gebäudes auswirken, auf welchem die Anlagen angebracht sind. Die Folge: Für diese Fotovoltaikanlagen ist keine eigene ICI geschuldet.  Weiters wären diese kleinen Anlagen (und nur diese!) mit 9% jährlich abschreibbar, und ein Leasingvertrag könnte entsprechend mit einer Mindestdauer von 89 Monaten abgeschlossen werden.

 

Größere Anlagen wären nach der nun vorliegenden Auslegung der Notare hingegen, unabhängig ob Freilandanlagen oder Anlagen auf bestehenden Gebäuden, als eigenständige Einheiten im Gebäudekataster zu erfassen; die Folge: Für sie ist eigens die Gemeindeimmobiliensteuer ICI geschuldet. Zudem wären diese großen Anlagen nur mit 4% abschreibbar, und die Leasingdauer müsste mindestens 200 Monate betragen. Die Eintragung im Gebäudekataster hat laut Anleitungen der Territorialagentur unter der Kategorie D/1 zu erfolgen.

Die Notare verweisen in diesem Zusammenhang aber auch auf ein (umstrittenes) Urteil der provinzialen Steuerkommission von Bologna (Nr. 11 vom 12. Jänner 2009), wonach die Anlagen unter der Kategorie E/3 einzutragen wären, mit entsprechender Befreiung von der Gemeindeimmobiliensteuer ICI. Hinweis: Falls Sie vor der Eintragung einer PV-Anlage im Gebäudekataster stehen, ist es auf jeden Fall den Versuch wert, die Eintragung unter der Kategorie E/3 zu beantragen.

 

Ein abweichendes Verhalten in der Vergangenheit in Hinblick auf Abschreibung und ICI kann u. E. angesichts der Uneinigkeit innerhalb der Finanzverwaltung kaum mit Strafen geahndet werden. Für die Zukunft wird die aufgezeigte Unterscheidung hingegen eine Richtschnur darstellen.

 

Hinweis zur Eintragung der Anlagen bei landwirtschaftlicher Unternehmen:

Wie mit unserem Rundschreiben Nr. 29 vom 16. August 2011 mitgeteilt, wurde im Zuge der Umwandlung der Verordnung Nr. 70/2011 eine Neuregelung für die ICI-Befreiung der landwirtschaftlichen Gebäude eingeführt: Um die Qualifikation als landwirtschaftliches Gebäude und entsprechend die ICI-Befreiung beizubehalten, wurden die Eigentümer angehalten, innerhalb 30. September 2011 einen Änderungsantrag für die Katastereinstufung zu stellen. Das Gebäude muss demnach die Katasterkategorie A/6 oder D/10 zuzuweisen.

Größere Fotovoltaikanlagen müssten laut obiger Auslegung der Notare in diesem Sinne in der Katasterkategorie D/10 erfasst werden.  Die für die obgenannte Eintragung der landwirtschaftlichen Gebäude notwendigen Durchführungsbestimmungen sind allerdings nur wenige Tage vor der Fälligkeit, und zwar am 21. September 2011, erlassen worden. Entsprechend fordern die betroffenen Interessensverbände seit Wochen vehement eine Terminverlängerung, die mit großer Wahrscheinlichkeit in den nächsten Tagen gewährt werden wird. Und in diesem Zusammenhang empfehlen wir Ihnen, soweit Sie eine „große“ Fotovoltaikanlage über ein landwirtschaftliches Unternehmen betreiben, umgehend die Eintragung in der Katasterkategorie D/10 zu veranlassen, damit die ICI-Befreiung aufrecht bleibt.

 

Die Studien der Notare enthalten zudem interessante Überlegungen zu Miet- und Pachtverträgen und zur Begründung von Oberflächenrechten und die entsprechenden zivil- und steuerrechtlichen Auswirkungen im Zusammenhang mit Fotovoltaikanlagen.

 

Für weitere Erörterungen zu diesem Thema stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Viele Grüße

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-36-08.10.2011 Photovoltaikanlagen