Das hat es in der jüngeren Geschichte Italiens sicher noch nicht gegeben: Am 14. August 2020, also inmitten der üblichen Ferienzeit, hat die Regierung unter dem Titel „Augustverordnung“ ein Hilfspaket, bestehend aus 115 Artikeln, geschnürt. Es ist seit dem 15. August 2020 in Kraft. Die wichtigsten Änderungen betreffen zweifelsohne den Arbeitssektor, worüber Sie aber sicher durch den Arbeitsberater im Detail informiert werden. Wir beschränken uns hier auf die Maßnahmen für Unternehmen und Freiberufler:
1. Weitere Maßnahmen zur Liquiditätssicherung:
Kreditsicherungsmaßnahmen für Klein- und Mittelbetriebe (Art. 65)
Zur Erinnerung: Mit G.V. 18/2020 wurde verfügt, dass KMU-Betriebe bei Banken und Leasinggesellschaften mit Verweis auf die Verordnung und die Coronapandemie verlangen können, dass Darlehens- und Leasingraten bis zum 30. September 2020 gestundet werden. Voraussetzung war nur, dass die entsprechende Finanzierungsposition zum 17. März 2020 noch ordnungsgemäß bedient worden war. Die Option stand allen KMU-Unternehmen, unabhängig von ihrer Tätigkeit, zu, und die Unternehmen konnten auch dafür optieren, in dieser Zeit nur die Zinsen (ohne Kapitalraten) zu entrichten. Ebenso konnte unter den gleichen Voraussetzungen bei Darlehen mit einmaliger Tilgung eine Stundung bis zu 30. September 2020 verlangt werden. Schließlich durften bis zum 30. September 2020 Kreditrahmen zur Bevorschussung von Kundenforderungen, wie sie zum 29. Februar 2020 (oder der höhere Betrag zum 17. März 2020) bestanden haben, bis zum 30. September 2020 nicht gekündigt oder reduziert werden. Die aufgezeigte Stundung wird jetzt vom 30. September 2020 auf den 31. Jänner 2021 verlängert, für Tourismusunternehmen sogar bis zum 31. März 2021.
Hinweis: Soweit bereits eine Stundung bis zum 30. September 2020 erfolgt ist, wird die Verlängerung automatisch gewährt, also ohne Notwendigkeit eines weiteren Antrages. Wer hingegen bislang nicht um die Stundung angesucht hat, kann dies zu den Bedingungen laut Art. 56 G.V. 18/2020 jetzt nachholen.
Aufschub Steuerzahlungen (Art. 97)
Zur Erinnerung: KMU-Unternehmen durften in den Monaten März, April und Mai die Einzahlungen von Lohnsteuern, Sozialabgaben, Steuereinbehalten und Mehrwertsteuer aussetzen, und zwar zunächst bis zum 31. Mai 2020 und dann bis zum 16. September 2020. Um bei vielen Unternehmen im September einen Kollaps zu vermeiden, wird jetzt verfügt, dass die zum 16. September 2020 fälligen Nachzahlungen ohne Strafen und Zinsen
- zu 50% eben am 16. September oder aber in 4 gleichen Monatsraten, fällig jeweils am 16. September, Oktober, November und Dezember, entrichtet werden können,
- während die restlichen 50% in 24 gleichen Monatsraten, ebenfalls ohne Zinsen und Strafen, gezahlt werden können, und zwar mit Beginn ab 16. Jänner 2021.
Aussetzung auch der 2. Rate IMU (Art. 78)
Liegenschaften im Tourismus, Theatersäle und Kinos werden auf dem restlichen Staatsgebiet i. W. auch von der Zahlung der 2. Rate der IMU im Dezember 2020 befreit, und zwar unabhängig von etwaigen nachgewiesenen Umsatzeinbußen im laufenden Jahr. Verlangt wird allerdings die Personenidentität von Eigentümer und Betreiber; im Umkehrschluss: Vermietete Liegenschaften sind nicht begünstigt.In Südtirol wird anstatt der IMU bekanntlich die GIS eingehoben, und hier ist im Nachtragshaushalt die Befreiung der Tourismusbetriebe von der GIS im Jahr 2020 an die Voraussetzung gebunden worden, dass ein Umsatzrückgang auf Jahresbasis im Vergleich zum Vorjahr von zumindest 20% eingetreten ist.Über die Details zu GIS und IMU werden wir Sie sicher noch im Dezember informieren.
Steuervorauszahlung November 2020 (Art. 98)
Unternehmen und Freiberufler, welche (auch nur potentiell) in den Anwendungsbereich der neuen Zuverlässigkeitsindizes (sog. ISA-Kennzahlen) fallen (i. d. R. jene mit Umsatzerlösen bis zu 5.164.569 Euro) und zudem im ersten Halbjahr 2020 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2019 einen Umsatzeinbruch (für Zwecke der MwSt) von zumindest 33% erlitten haben, können die 2. Steuervorauszahlung im November 2020 für Zwecke von IRES, IRPEF und IRAP (und wohl auch für Handwerker- und Kaufleuteversicherung) bis zum 30. April 2021 aussetzen, ohne hierfür Zinsen oder Strafen zu schulden. Der Aufschub gilt in diesem Fall auch für die Gesellschafter und Mitinhaber von Familienunternehmen.
Zahlung von Steuerzahlkarten (Art. 99)
Die Fälligkeit von Steuerzahlkarten, die bislang auf den 31. August 2020 verlängert worden war, wird abermals aufgeschoben, und zwar auf den 15. Oktober 2020.
2. Beihilfen und Steuergutschriften
Verlustbeitrag für Ankauf einheimischer Produkte (Art. 58) durch Gaststätten
Restaurants, Mensen und Catering-Unternehmen, identifiziert über die zum 15. August 2020 angemeldeten ATECO-Kennzahlen 56.10.11, 56.29.10 und 56.29.20, erhalten einen steuerfreien Verlustbeitrag, wenn sie lokale landwirtschaftliche Produkte ankaufen und verwenden. Dadurch sollen offensichtlich die viel gerühmten „lokalen Kreisläufe“ gestärkt werden. Voraussetzung für den Zugang zur Begünstigung ist ein Umsatzeinbruch für MwSt-Zwecke in den Monaten März bis Juni 2020 um mehr als 25% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Für Unternehmen, welche ihre Tätigkeit nach dem 1. Jänner 2019 aufgenommen haben, wird die Anforderung an den Umsatzeinbruch nicht gestellt.
Die Details müssen über eine eigene Durchführungsbestimmung festgelegt werden, und recht viel wird man sich hier an Geld nicht erwarten dürfen, denn insgesamt sind im Haushalt für diese Maßnahme karge 600 Mio. Euro eingeplant worden.
Die Beihilfen werden übrigens steuerfrei sein, unterliegen aber den einschlägigen De-MinimisBeschränkungen.
Verlustbeiträge für Geschäfte und Restaurants in historischen Zentren sowie für Mietwagen- und Taxiunternehmer (Art. 59)
Restaurants und Geschäfte mit Tätigkeit in den historischen Zentren (A-Zonen und gleichwertige) der Provinzhauptstädte sowie in den Gemeinden von Metropolen (z. B. in Mailand) mit Umsatzeinbrüchen (für Zwecke der Mehrwertsteuer) von zumindest einem Drittel im Monat Juni 2020 im Vergleich zum Juni 2019 erhalten einen gestaffelten Verlustbeitrag, abhängig von den Umsatzerlösen (für Einkommensteuerzwecke) im Vorjahr und abhängig vom Einbruch der Umsatze (für MwSt-Zwecke) im Monat Juni 2020:
- 15% des Rückgangs bei Umsatzerlösen bis zu 400.000 Euro;
- 10% des Rückgangs bei Umsatzerlösen bis zu 1 Mio. Euro und
- 5% des Rückgangs bei Umsatzerlösen über 1 Mio. Euro.
Wie beim letzten Verlustbeitrag, der innerhalb 13. August 2020 zu beantragen war, sind auch hier Mindestbeiträge von 1.000 Euro (Einzelunternehmer) und 2.000 Euro (Gesellschaften) vorgesehen, auch für Unternehmen, die erst nach dem 1. Juli 2019 ihre Tätigkeit aufgenommen haben. Ob der Verlustbeitrag in Bozen in Anlehnung an die Katastrophe durch den Windwurf Vaja ebenfalls unabhängig vom Umsatzeinbruch zusteht, wird wohl noch geklärt werden.
Der Verlustbeitrag darf allerdings auf keinen Fall mehr als 150.000 Euro betragen.
Ansonsten gelten i. W. die Bestimmungen des jüngsten Verlustbeitrages mit Fälligkeit 13. August 2020, insbesondere dass er für Einkommensteuern und IRAP nicht zu berücksichtigen ist. Damit eine Provinzhauptstadt Anrecht auf die Förderung gibt, ist es zudem notwendig, dass der jährliche Ansturm ausländischer Touristen zumindest das Dreifache der Wohnbevölkerung ausmacht; die entsprechenden Erhebungen werden sicher von den Statistikämtern geliefert werden müssen. In Südtirol kommen nur Unternehmen in der Landeshauptstadt Bozen in den Genuss der Beihilfen. Insgesamt sollten Unternehmen in folgenden Städten Italiens begünstigt sein: Venezia, Verbania, Firenze, Rimini, Siena, Pisa, Roma, Como, Verona, Milano, Urbino, Bologna, La Spezia, Ravenna, Bozen, Bergamo, Lucca, Matera, Padova, Agrigento, Siracusa, Ragusa, Napol,i Cagliari, Catania, Genova, Palermo, Torino und Bari.
Die Beihilfe ist übrigens nicht mit jener laut Art. 58 (siehe oben) kompatibel.
Der gleiche Beitrag wird unter den aufgezeigten Bedingungen zudem Mietwagen- und Taxi- unternehmen (Liniendienste sind ausgeschlossen) zuerkannt, welche ihren Sitz in einer der genannten Städte haben; hier wird aber nicht verlangt, dass der Sitz im historischen Zentrum oder in der A-Zone liegt.
Für den Antrag muss die Agentur der Einnahmen mittels Verordnung eigene Vordrucke nebst Anleitungen erlassen.
Steuergutschrift für Mieten (Art. 77)
Die Steuergutschrift von 60% des Mietzinses (30% bei Pachtzins oder anderen entgeltlichen Überlassungen) gewerblicher Liegenschaften, die bislang für die Monate März, April und Mai 2020 beansprucht werden konnte, wird zu gleichen Bedingungen auf den Monat Juni 2020 verlängert, für Saisonbetriebe sogar auf den Monat Juli 2020. Die Zugangsvoraussetzungen bleiben grundsätzlich unverändert, und wir verweisen auf unsere bisherigen Rundschreiben zum Thema. Wir verweisen darauf, dass Voraussetzung für die erweitere Inanspruchnahme der Begünstigung ein Umsatzeinbruch (für Zwecke der MwSt) im Juni 2020 im Vergleich zum Juni des Vorjahres von zumindest 50% erforderlich ist. Begünstigt sind nur Unternehmen und Freiberufler mit Umsatzerlösen im Vorjahr von nicht mehr als 5 Millionen Euro. Keine Erlösgrenze besteht bekanntlich bei Tourismusbetrieben und Reiseveranstaltern; durch das Augustdekret wird zudem festgelegt, dass auch Thermalbäder keine Umsatzgrenze beachten müssen.
Steuergutschrift für Sportsponsoring (Art. 81)
Die Verordnung sieht eine Steuergutschrift im Ausmaß von 50% für Entgelte aus Sponsorverträgen nicht nur mit nationalen Sportverbänden und professionellen Sportgesellschaften, sondern auch mit einfachen Sportvereinen, die beim CONI eingetragen sind und sportliche Disziplinen ausüben, welche bei Olympia zugelassen sind und die Jugendsportförderung betreiben, vor.
Die Gutschrift wird für Ausgaben in der Zeit zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2020 zuerkannt. Ausgeschlossen sind allerdings Zuwendungen an Vereine, die selbst die pauschale Abrechnung nach dem sog. Sportgesetz (G. 398/1991) beanspruchen. Die Maßnahme ist mit kargen 90 Mio. Euro bestückt, so dass die angestrebte Beitragshöhe von 50% wohl kaum erreicht werden dürfte. Zudem ist die De-Minimis-Schwelle zu beachten. Für Details setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.
Steuergutschrift für Verbesserung von Tourismusbetrieben (Art. 79)
Für qualitative Verbesserungen und Modernisierungen bestehender Tourismusbetriebe und Thermalbäder in den Jahren 2020 und 2021 wird eine Steuergutschrift im Ausmaß von 65% zuerkannt. Es handelt sich i. W. um eine Neuauflage der Begünstigung laut G.V. Nr. 83/2014, wo für solche Maßnahmen eine Steuergutschrift von urspr. 30% vorgesehen war. Die bisherigen Durchführungsbestimmungen sollen über eine eigene Verordnung an die neue Rechtslage angepasst werden, und wir werden Sie über diese Förderung im Detail informieren, sobald die neuen Anleitungen veröffentlicht sind. Auch hier gilt es, die De-Minimis-Schranken zu beachten.
Steuergutschrift von 1.000 Euro für Freiberufler (Art. 13)
Freiberufler mit obligatorischer Pensionskasse (z. B. Architekten, Geometer oder auch Wirtschaftsberater) erhalten für den Monat Mai 2020 automatisch einen Zuschuss von 1.000 Euro, soweit sie bereits für den Monat April den seinerzeitigen Beitrag von 600 Euro ausbezahlt bekommen haben. Sollte für den Monat April nicht angesucht worden sein, kann innerhalb 14. September 2020 die Unterstützung für den Monat Mai beantragt werden.
3. Sonstige Maßnahmen
Aufwertung Betriebsgüter und betrieblicher Beteiligungen (Art. 110)
Im Jahresabschluss zum 31. Dezember 2020 dürfen Betriebsgüter gegen Entrichtung einer Ersatzsteuer von 3% aufgewertet werden. Die Höhe der Ersatzsteuer ist im Vergleich zu ähnlichen Maßnahmen in den letzten Jahren sehr günstig, und es werden keinerlei Unterschiede zwischen abschreibbaren und nicht abschreibbaren Gütern getroffen. Zudem wird, im Unterschied z. B. zur Aufwertung im letzten Jahresabschluss 2019, ausdrücklich eine rein handelsrechtliche Auf- wertung (ohne steuerrechtliche Auswirkungen) erlaubt. Zur Aufwertung zugelassen sind Einzelunternehmen, Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften, ausgenommen nur jene, welche nach IAS-Prinzipien bilanzieren. Im Unterschied zu früheren Aufwertungsgesetzen ist es nicht notwendig, alle Güter einer Kategorie (bemessen i. d. R. nach Afa-Sätzen) aufzuwerten, sondern es können auch nur analytisch einzelne Güter, denen ein höherer Wert zuerkannt werden soll, neu bewertet werden. Die Ersatzsteuer ist über drei Raten einzuzahlen.
Positiv hervorzuheben ist auch die unmittelbare steuerliche Anerkennung der Aufwertung für Zwecke der Abschreibung: Ab 2021 dürfen bereits die höheren Werte abgeschrieben werden. Auch wird die Aufwertung für die Berechnung der Schwelle von 5% bei den Instandhaltungskosten und bei den Kontrollrechnungen zur Identifizierung von Scheingesellschaften bereits ab 2021 zu beachten sein.
Verzögert wirksam wird die Aufwertung allerdings für Zwecke der Berechnung von steuerpflichtigen Veräußerungsgewinnen. Hier gilt die Aufwertung erst für Verkäufe ab dem 1. Jänner 2024.
Die Aufwertungsdifferenz selbst ist wie in der Vergangenheit einer eigenen Rücklage zuzuweisen, und etwaige Ausschüttungen sind steuerpflichtig, außer es wird zusätzlich die Freistellung gegen Zahlung einer weiteren Ersatzsteuer von 10% erkauft. Die Höhe dieser Ersatzsteuer ist übrigens im Vergleich zu den letzten Aufwertungen unverändert geblieben, denn es soll ja nicht unbedingt die Gewinnausschüttung gefördert werden.
Gesellschafterversammlungen (Art. 71)
Für Gesellschafterversammlungen von Kapitalgesellschaften können noch bis zum 15. Oktober 2020 die im Frühjahr erlassenen Vereinfachungen für Video- und Telefonkonferenzen beansprucht werden. In der Fachpresse wurde in den letzten Tagen die lückenhafte Formulierung von Art. 71 kritisiert; für die üblichen Gesellschafterversammlungen von GmbHs und Aktiengesellschaften sollte die Verlängerung aber problemlos nutzbar sein.
Zuwendungen in Sachwerten an Mitarbeiter (Art. 112)
Beschränkt für das Jahr 2020 wird der steuerfreie Betrag von möglichen Zuwendungen in Sachwerten an lohnabhängige Mitarbeiter im Sine von Art. 51 EESt von bislang 258,23 Euro auf 516,46 Euro verdoppelt.
Internationales Steuerrecht (Art. 113)
Mit Bezug auf das Verständigungsverfahren laut Doppelbesteuerungsabkommen wird geklärt, dass dieses Verfahren auch bei behängenden Streitverfahren so lange beansprucht werden darf, als nicht ein endgültiges Urteil der Gerichtsbarkeit vorliegt.
Steuerabsetzbetrag 110% und Kondominien0 (Art. 63)
Zur Förderung von Baumaßnahmen, die Anrecht auf den Absetzbetrag von 110% geben, auf Miteigentumsgebäuden (sog. Kondominien) greift der Staat in das Kondominienrecht ein: In Abweichung zu Art. 1108 ZGB reicht für genannten Baumaßnahmen die Zustimmung der Mehrheit der an der Versammlung teilnehmenden Miteigentümer aus, wenn diese Mehrheit zumindest ein Drittel des Gebäudes vertritt.
Zum Schluss noch ein Hinweis darauf, was in der Verordnung nicht enthalten ist: In den letzten Wochen wurde in der Fachpresse lautstark eine Maßnahme angekündigt, wonach es endlich auch in Italien möglich sein sollte, bei Konkursverfahren die Gutschrift für die MwSt nicht erst bei Abschluss des Verfahrens (oft nach über 10 Jahren), sondern bereits bei Beginn desselben auszustellen. Vorsicht: Die vorliegende Verordnung enthält, entgegen allen Ankündigungen, keine derartige Erleichterung!
Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen