Notverordnung „Mille proroghe“ in Gesetz umgewandelt

Es ist eine lange Tradition: Mit einer Notverordnung unter dem Titel „Mille proroghe“ (tausend Verlängerungen) werden zu Jahresende zahlreiche „provisorische“ Steuermaßnahmen verlängert und zudem eine Reihe von anderen offensichtlich unaufschiebbaren Vorkehrungen getroffen. Die letzte Verordnung Nr. G.V. 228/2021 ist ursprünglich relativ mager ausgefallen. Es überrascht daher nicht, dass die Verordnung im Zuge der parlamentarischen Umwandlung in Gesetz ordentlich aufgebläht worden ist, um alles nachzuholen, was man in der Hektik zum Jahresende scheinbar vergessen hat. Das Umwandlungsgesetz (G. Nr. 15 vom 25. Februar 2022) ist am 28. Februar im Amtsblatt veröffentlicht worden und tritt mit 1. März 2022 in Kraft. Hier die wichtigsten Neuerungen im Überblick:

Steuergutschrift Neuinvestitionen – Übergabe bis zum Jahresende (Art. 3-quater)

Zur Erinnerung: Die Steuergutschriften für Investitionen sind zum Jahreswechsel erheblich reduziert worden (von 10% auf 6% für Normalinvestitionen und von 50% auf 40% für Investitionen im Bereich Industrie 4.0). Dabei gilt die Übergangsregelung, dass weiterhin in den Genuss der früheren höheren Förderungen gelangt, wer innerhalb 31. Dezember 2021 einen verbindlichen Auftrag erteilt und eine Anzahlung von zumindest 20% geleistet hat, immer unter der Voraussetzung, dass die Übergabe der Güter dann spätestens innerhalb 30. Juni 2022 erfolgt. Gerade dieser letzte Termin hat es angesichts der Schwierigkeiten bei den Lieferketten aber in sich, und es ist schon heute absehbar, dass in vielen Fällen eine Auslieferung innerhalb Juni nicht mehr möglich sein wird. Dem kommt der Gesetzgeber jetzt entgegen und verlängert den Termin der Übergabe auf den 31. Dezember 2022. Daraus folgt: Die höheren Fördersätze gelten, immer unter den aufgezeigten Voraussetzungen, für Übergaben der Güter innerhalb Jahresende 2022.

Gesellschafterversammlungen (Art. 3, Abs. 1)

Gesellschafterversammlungen von AGs und GmbHs können infolge der Coronapandemie noch bis zum 31. Juli 2022 vereinfacht, wie in Art. 106 der G.V. 18/2020 vorgesehen, über Telefon- oder Videokonferenzen abgehalten werden, auch wenn diese Verfahren nicht ausdrücklich in den Satzungen der jeweiligen Gesellschaft vorgesehen sind. Ebenso sind bei GmbHs Beschlüsse im Umlaufverfahren bis zum obgenannten Termin zulässig, auch wenn in den Satzungen nicht verankert.

Wichtig: Die Bestimmung betrifft im Unterschied zum Vorjahr nicht auch die allgemeine Fristverlängerung für die Bilanzgenehmigung auf 180 Tage. Wer heuer also nach dem 30. April 2022 den Jahresabschluss für 2021 genehmigen will, muss hierfür wieder eine spezifische Begründung mit Beschluss des Verwaltungsrates vorsehen.

Verlustabdeckung (Art. 3. Abs. 1-ter)

Auch noch für den Jahresabschluss zum 31.12.2021 gilt die
Sonderregelung, dass aufgrund der Covid-Pandemie Bilanzverluste nicht umgehend
abgedeckt werden müssen, sondern dass hierfür eine Übergangsfrist von 5
Jahren
gilt. Konkret betrifft die Erleichterung die Reduzierung des
Gesellschaftskapitals bei Bilanzverlusten, welche ein Drittel des
Gesellschaftskapitals übersteigen (Art. 2446 Abs. 2-3 ZGB), sowie die
Wiederherstellung des Kapitals bzw. die Umwandlung oder die Auflösung der
Gesellschaften bei negativem Reinvermögen (Art. 2447 bei AG und Art. 2482-ter
bei GmbH).

Wichtig: Im Anhang zum Jahresabschluss ist ein getrennter Ausweis dieser Jahresfehlbeträge verlangt.

Aussetzung Abschreibung (Art. 1, Abs. 5-quinquiesdecies)

Auch im Jahresabschluss für 2021 dürfen für Steuerzwecke die Abschreibungen immaterieller Anlagen und von Sachanlagen berechnet werden, auch wenn sie für handelsrechtliche Zwecke infolge der Probleme rund um Covid-19 ausgesetzt werden (um so das Reinvermögen nicht zu schmälern), und zwar unabhängig davon, ob man diese Option schon im Jahresabschluss für 2020 genutzt hat oder nicht. Die Berechnungen der notwendigen Steuerrückstellungen und die notwendigen Informationen im Bilanzanhang bleiben im Vergleich zum Vorjahr unverändert.

Offenlegung öffentlicher Beihilfen (Art. 3 septies)

Wichtig: Alle beim Handelsregister eingetragenen Unternehmen sind im Sinne von Art. 1 Abs. 125-ter G. 124/2017 verpflichtet, öffentliche Beihilfen auf ihrer Internetseite oder aber im Jahresabschluss innerhalb 30. Juni des Folgejahres zu veröffentlichen. Ausgenommen sind nur Beihilfen bis zu 10.000 Euro sowie solche, die allen zugänglich sind, wie z. B. die Steuergutschriften für Neuinvestitionen. Unterlassungen werden mit einer Verwaltungsstrafe in Höhe von 1% der Beihilfe mit einem Mindestbetrag von 2.000 Euro geahndet; im Extremfall droht sogar die Rückzahlung der gesamten Beihilfe. Kapitalgesellschaften kommen dieser Meldepflicht i. d. R. über einschlägige Informationen im Anhang zur Bilanz nach. Einzelunternehmer oder Personengesellschaften hingegen müssen die Veröffentlichung über das Internet vornehmen oder sie können sich an einen Interessensverband wenden, welcher für sie diese Offenlegung übernimmt. Für das Jahr 2020 war der Termin für die Offenlegung zuletzt auf den 1. Jänner 2022 verschoben worden; jetzt ist eine abermalige Verlängerung auf den 1. Juli 2022 gewährt worden. Für die Beihilfen des Jahres 2021 würde die Frist für die Offenlegung bekanntlich zum 30. Juni 2022 verfallen; die vorliegende Verordnung sieht aber eine Fristverlängerung auf den 1. Jänner 2023 vor; dadurch sind jetzt schon jene Gesellschaften saniert, die u. U. ihren Jahresabschluss für 2021 erst nach dem 30. Juni 2022 hinterlegen.

Hinweis: Insbesondere Personengesellschaften und Einzelunternehmen ohne Hinterlegung des Jahresabschlusses sollten sich umgehend um diese Offenlegung bemühen.

Ratenzahlung für Steuerschulden (Art. 2-ter)

Ratenzahlungen von Steuerzahlkarten, die vor dem 8. März 2020 verfallen sind, können innerhalb 30. April 2022 neu beantragt werden. Es ist dann möglich, die Schulden über 72 Monatsraten abzustottern.

Bargeldgrenze erhöht (Art. 3 Abs. 6-septies)

Der erst zum Jahresende reduziert Gebrauch von Bargeld wird wieder gelockert: Jetzt dürfen wieder Barzahlungen bis zu 2.000 Euro durchgeführt werden. Die zum Jahresende erfolgte Reduzierung auf 1.000 Euro soll erst wieder ab 1. Jänner 2023 gelten. Vollständigkeitshalber muss ergänzt werden, dass Ministerpräsident Draghi aber bereits angekündigt, die frühere Schwelle von 1.000 Euro bei der nächstbesten Gelegenheit wieder einführen zu wollen. Die Schwelle von 2.000 Euro wird also nur von kurzer Dauer sein.

Wiedergewinnungsarbeiten und Steuerabsetzbeträge (Art. 3-sexies)

Es wird geklärt, dass für die ab dem 12. November 2021 bis 31. Dezember 2021 infolge der Gesetzesänderungen angefallenen Mehrkosten für Preisbescheinigungen, Sachverständigengutachten und Bestätigungsvermerk auch der Steuerabsetzbetrag zusteht.

Für sog. freie Wiedergewinnungsarbeiten (also solche, für welche es keine Baugenehmigung braucht) und für solche bis zu 10.000 Euro in der Zeit vom 12. November 2021 bis zum 31. Dezember 2021 braucht es weiterhin keine Preisprüfung und keinen Bestätigungsvermerk eines Wirtschaftsprüfers.

Das Wirrwarr rund um die Abtretung dieser Steuerguthaben sollte in diesen Tagen aber mit einer eigenen Verordnung grundlegend geklärt werden, und wir hoffen, Sie so bald als möglich darüber informieren zu können.

Nachzahlung IRAP (Art. 20-bis)

Wer durch die Nichtzahlung der IRAP im Jahr 2020 (zur Erinnerung: Saldozahlung für 2019 wurde nachgelassen und 2. Vorauszahlung fiktiv angerechnet) die nachträglich auch für diese Steuer eingeführten Limits des sog. „temporary frameworks“ (seinerzeit 800.000 Euro) verletzt hat, hat nun nach abermaliger Fristverlängerung Zeit bis zum 30. Juni 2022 ggf. den übersteigenden Betrag ohne Zinsen und Strafen nachzuzahlen.

Hinweis: Soweit eine solche Überschreitung eingetreten ist, haben wir Sie bereits in der Vergangenheit darüber informiert, und wir werden Sie auch über die notwendige Ausgleichszahlung in Kenntnis setzen, sollte die Frist nicht abermals verlängert werden.

Aussetzung Fristen Erstwohnung (Art. 3 Abs. 5-septies)

Die in den letzten Jahren – immer infolge von Covid-19 - gewährte Einfrierung der Fristen im Zusammenhang mit der Erstwohnung wird vom 23. Februar 2022 auf den 31. März 2022 verlängert. Im Wesentlichen folgt daraus, dass ab genanntem Datum die Fristen wieder normal zu rechnen sind. Die Aussetzung betrifft im Detail die Berechnung der Frist

  • von 18 Monaten für die Wohnsitzverlegung beim Erwerb oder der Fertigstellung der Erstwohnung;

  • von 1 Jahr für den Verkauf der „alten“ Erstwohnung, soweit man eine Wohnung mit den Erleichterungen der Erstwohnung erwirbt, zu diesem Zeitpunkt aber bereits Eigentümer einer begünstigt erworbenen Wohnung ist;

  • von 1 Jahr für den Neuerwerb einer Wohnung, die als Hauptwohnung bestimmt werden muss, im Falle des Verkaufs einer Wohnung, die mit den Begünstigungen der Erstwohnung erworben worden ist, innerhalb der Sperrfrist von 5 Jahren und

  • von 1 Jahr für die Verwendung des Registersteuerguthabens für den Neukauf einer Erstwohnung.

Erhöhte Anzahlung bei öffentlichen Aufträgen (Art. 3 Abs. 4)

Bei öffentlichen Werkverträgen ist es noch bis zum 31. Dezember 2022 möglich, bei Auftragserteilung, anstatt der üblichen Anzahlung von 20% eine Vorauszahlung von 30% zu erhalten, um die Liquidität der Unternehmen zu verbessern.

Andere Begünstigungen:

Daneben werden andere Begünstigungen verlängert, so der Köchebonus und der Thermenbonus, und es wird, wen wundert’s nach all den Änderungen, ein eigener Steuerabsetzbetrag für Spesen beim Besuch eines Psychologen („bonus psicologo“) eingeführt; Details hierzu werden mit einer eigenen Verordnung erlassen.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Vieider