Wahrscheinlich wurden Sie über die Angelegenheit bereits von Ihrem Arbeitsberater ausführlich informiert; zur Sicherheit hier noch einige Informationen unsererseits:
Ziel des neuen Gesetzeswerks:
Mit D.Lgs. Nr. 24/2023 hat auch Italien die sog. Whistleblower-Richtlinie der EU in italienisches Recht umgesetzt. Mit dem Gesetz soll sichergestellt werden, dass Mitarbeitern, welche anonyme Hinweise über Gesetzesverstöße im Unternehmen weiterleiten, keine Benachteiligungen drohen. Zur Erläuterung: Wenn Beschäftigte im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit Kenntnis von Rechtsverstößen erhalten, geraten Sie nicht selten in einen (inneren) Konflikt: Darf oder muss der Verstoß gemeldet werden, oder gehen die Loyalitätspflichten als Beschäftigter vor? Aus Angst vor negativen Folgemaßnahmen werden dann mögliche Rechtsverstöße nicht aufgedeckt. Dem soll dieses „Hinweisgeberschutzgesetz“ entgegenwirken: Wer Verstöße meldet, soll keine beruflichen Konsequenzen, wie etwa den Ausschluss von einer Beförderung oder gar eine Kündigung fürchten müssen.
Geschützte Hinweisgeber:
Der Kreis jener Personen, welcher durch die Whistleblowingbestimmungen geschützt wird und über das Meldesystem Unregelmäßigkeiten anzeigen kann, ist sehr weit gefasst und beinhaltet unter anderem:
• lohnabhängige Mitarbeiter des Unternehmens,
• Freiberufler und Selbstständige, welche für das Unternehmen arbeiten,
• Praktikanten und freiwillige Mitarbeiter,
• Gesellschafter sowie Mitglieder von Verwaltungs- und Überwachungsorganen,
• weitere Personen welche im Rahmen ihrer Zusammenarbeit mit dem Unternehmen auf Verstöße aufmerksam werden und
• Partner des Hinweisgebers sowie dessen Verwandte (bis zum 4. Grad).
Einrichtung eines Meldesystems:
Die Einrichtung und die Verwaltung dieses Meldesystems sowie die Bearbeitung der eingegangenen Meldungen müssen unter Beachtung der gesetzlich festgelegten Fristen und Methoden erfolgen. Diese Verpflichtungen umfassen unter anderem:
1) Einrichtung eines geeigneten Meldesystems, welches von ausreichend geschultem Personal betreut wird (die Verwaltung des Meldesystems kann intern oder extern erfolgen)
2) Termingerechte Bearbeitung der eingehenden Meldungen: Dem Whistleblower muss innerhalb von 7 Tagen nach Eingang der Meldung eine Empfangsbestätigung und innerhalb von 3 Monaten eine erste Rückmeldung über den Verlauf des Verfahrens übermittelt werden.
Betroffene Unternehmen:
- Alle Unternehmen mit zumindest 250 Beschäftigten müssen bereits seit dem 15. Juli 2023 geeignete interne Meldekanäle zur Verfügung stellen;
- Unternehmen, die im letzten Jahr durchschnittlich mindestens 50 Mitarbeiter beschäftigt haben, müssen bis zum 17. Dezember 2023 sichere und anonyme Meldekanäle für Whistleblower zur Verfügung stellen;
- Unabhängig von der Mitarbeiterzahl sind Unternehmen, die in sensiblen Bereichen tätig sind, ebenfalls verpflichtet, bis zum 17. Dezember 2023 ein System zur Meldung von Verstößen einzurichten. Als sensible Bereiche gelen in diesem Sinne:
▪ Unternehmen in den Bereichen Finanzdienstleistungen, -produkte und -märkte;
▪ Unternehmen, die für Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung besonders anfällig sind, und
▪ Unternehmen, die besonderen Bestimmungen in den Bereichen Verkehrssicherheit und Umweltschutz unterliegen.
- Ebenfalls unabhängig von der Betriebsgröße den neuen Verpflichtungen unterliegen Unternehmen, die bereits das Organisationsmodell laut D.Lgs.. 231/2001 anwenden (Sie sollten aber i. W. das System bereits eingeführt haben.).
Übrigens: Bezüglich der Berechnung des Personalstandes für obige Zweck hat die Antikorruptionsbehörde ANAC, welche für die Überprüfung der Einhaltung der Whistleblowingbestimmung zuständig ist, mit Beschluss vom 12. Juli 2023 festgelegt, dass der im Handelskammerauszug zum Stand 31.12. des jeweiligen Vorjahres aufscheinende Wert maßgeblich ist.
Schutzmechanismen für die Hinweisgeber:
Für die sich im Anwendungsbereich des GVD Nr. 24/2023 befindlichen Personen gilt, neben der Geheimhaltung der Identität des Hinweisgebers, ein absolutes Verbot von Repressalien (ihnen gegenüber und auch lediglich deren Androhung). Wird gegen die Hinweisgeber vorgegangen (z. B. mittels Gerichtsverfahren), gilt die zwingende Annahme, dass es sich um eine Repressalie handelt. Diese Annahme kann zwar widerlegt werden, allerdings muss derjenige, der ein solches Verfahren eingeleitet hat, den konkreten Gegenbeweis liefern, was zumeist äußerst schwierig ist.
Gegenstand der geschützten Meldungen:
Gegenstand der geschützten Meldungen können allgemein Verwaltungsvergehen, Vergehen im Bereich der Buchführung sowie handels- und strafrechtliche Vergehen sein, weiters Verstöße im Rahmen des Organisationsmodells laut D.Lgs. 231/2001 und sodann vor allem Verstöße im Bereich des Vergaberechts und der Sicherheit im Transportwesen sowie Handlungen zum Schaden der Europäischen Union oder des Binnenmarktes.
Notwendige Maßnahmen:
Um eine ordnungsgemäße Bearbeitung der gemeldeten Verstöße im Sinne der aufgezeigten Verordnung zu gewährleisten, müssen die Unternehmen:
- interner Kommunikationskanäle für die Meldungen einrichten (z. B. E-Mail, spezielle Telefonnummer usw.);
- einen Mitarbeiter oder eine Abteilung beauftragen, die für die Verwaltung dieser eigens erschaffenen Kommunikationskanäle zuständig sind, und diese ernannten Mitarbeiter schulen;
- alternativ kann die Verwaltung der Kommunikationskanäle einem Externen übertragen werden, der über speziell geschultem Personal verfügt;
- ein spezifisches Verfahren einführen, das die verschiedenen Phasen und die Verantwortlichkeiten der involvierten Personen regelt; und
- das gesamte Personal im Unternehmen über jene Verstöße informieren, die gemeldet werden können, zum Thema sensibilisieren und schulen.
Übrigens, Arbeitsberater bieten i. d. R. digitale Plattformen zur Einrichtung solcher Meldekanäle an.
Wichtig: Die Wahl des Meldeweges liegt nicht mehr im Ermessen des Hinweisgebers, da vorrangig der interne Meldekanal verwendet werden muss. Eine Meldung über den externen Meldekanal (A.N.A.C) darf nur erfolgen, sofern einer dieser Gründe eintrifft:
- Die Interne Meldung wurde nicht weiterverfolgt.
- Eine Interne Meldung stellt ein erhöhtes Risiko an Vergeltungsmaßnahmen dar.
- Es besteht Grund zur Annahme, dass der Verstoß eine unmittelbare oder eindeutige Gefahr für das öffentliche Interesse darstellt.
Empfehlung: Aus den aufgezeigten Gründen ist die Einrichtung eines solchen internen Meldekanals auch im unmittelbaren Interesse des Unternehmens selbst.
Noch ein letzter Hinweis: Es ist wahrscheinlich, dass in Zukunft die Einrichtung dieser Meldekanäle auch für die Teilnahme an bestimmten öffentlichen Ausschreibungsverfahren sowie die Inanspruchnahme von Förderungen und Beihilfen verlangt wird.
Verwaltungsstrafen: Wer zur Einrichtung des Meldekanals verpflichtet ist und dem nicht nachkommt, dem drohen Strafen zwischen 10.000 und 50.000 Euro.
Für weitere Informationen bitten wir Sie, sich insbesondere mit Ihrem Lohnberater in Verbindung zu setzen.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider