Über die Abschöpfung von Übergewinnen aus der Produktion erneuerbarer Energien mittels Anlagen > 20 KW haben wir Sie grundsätzlich bereits mit unserem Rundschreiben Nr. 24/2022 informiert. Zur Erinnerung: Gemäß Art. 15-bis G.V. Nr. 4/2022 werden die Sondergewinne, welche infolge der gestiegenen Energiepreise in der Zeit zwischen dem 1. Februar 2022 und dem 31. Dezember 2022 anwachsen, abgeschöpft, soweit bestimmte Richtpreise überschritten werden. Konkret wird die Differenz aus dem Verkaufspreis und einem gesetzlich definierten Referenzpreis eingezogen. Der Referenzpreis je MWh wird zu diesem Zweck, getrennt nach Zonen, wie folgt definiert:
- Zone Zentrum/Nord: 58 Euro je MWh,
- Zone Zentrum/Süd: 57 Euro je MWh,
- Zone Nord (auch Südtirol): 58 Euro je MWh,
- Sardinien: 61 Euro je MWh,
- Sizilien: 75 Euro je MWh und
- Zone Süd: 56 Euro je MWh.
Als Preishüter wurde die Körperschaft GSE eingesetzt. Liegt der Referenzpreis über dem Marktpreis, so zahlt der GSE den höheren Referenzpreis aus. Liegt hingegen, was derzeit die allgemeine Regel sein dürfte, der Referenzpreis unter dem Marktpreis, so fordert der GSE den entsprechenden Übergewinn vom Produzenten ein. Wie im Detail dieser Ausgleich zu erfolgen hat, darüber wurde in den letzten Monaten allgemein gerätselt, zumal amtliche Anleitungen bis dato fehlen.
Nun aber hat der GSE gehandelt und in den letzten Tagen für den ermittelten Übergewinn der Monate Februar – August 2022 den betroffenen Stromproduzenten einfach elektronische Rechnungen zugestellt, und zwar mit einer Zahlungsfälligkeit zum 31. Oktober 2022.
Soweit wir an einigen konkreten Fällen überprüfen konnten, sind die Berechnungen an sich korrekt. Daran war eigentlich auch nicht unbedingt zu zweifeln, denn dem GSE liegen sämtliche Daten über die Stromproduktion und deren Vergütung im Detail vor.
Auf die verfassungsmäßigen Bedenken gegen ein solches Vorgehen soll an dieser Stelle nicht eingegangen werden, damit beschäftigen sich bereits zahlreiche spezialisierte Rechtsanwaltskanzleien in ganz Italien. Bedenklich ist aber die Handhabung der Preisabschöpfung unter dem Aspekt der Mehrwertsteuer. Wie kann der GSE dem Unternehmen eine Rechnung für eine Preiskorrektur auf eine Lieferung ausstellen, die der GSE ganz bestimmt nie und nimmer durchgeführt hat. Müsste nicht, wenn schon, der Stromproduzent selbst eine Gutschrift auf die von ihm in Rechnung gestellten Stromlieferungen ausstellen? Die Rechnungen unterliegen zudem dem Reverse-Charge-Verfahren, d. h., der Rechnungsempfänger muss die Rechnung um die Mehrwertsteuer ergänzen. Auch hierfür fehlen offensichtlich alle Rechtsgrundlagen. Auf jeden Fall stellt das Vorgehen des GSE alle bisherigen Verwaltungsanweisungen der Finanzverwaltung in diesem Bereich auf den Kopf und wird sicher einen zusätzlichen Grund für die Beanstandung der gesamten Maßnahme vor den zuständigen Gerichten darstellen.
Absolut fatal wirkt sich das Verfahren aber vor allem bei landwirtschaftlichen Unternehmen aus. Hier fällt die Stromlieferung auf PV-Anlagen bekanntlich innerhalb bestimmter Grenzen unter die landwirtschaftlichen Nebenleistungen mit gesonderter Besteuerung (Bemessungsgrundlage 25% des Umsatzes), bemessen am Umsatz. Wenn jetzt für den Preisabschlag auf 58 Euro/MWh (Richtpreis in Südtirol) eine Rechnung des GSE eintrifft, bleiben der Umsatz und die somit die Einkommensteuerlast unverändert, zumal die Rechnung des GSE unter den Aufwendungen zu verbuchen ist und nicht von der Steuerbemessungsgrundlage abgezogen werden kann.
Empfehlung: Zumindest in diesen Fällen sollte man versuchen, dem GSE selbst für die verlangte Erlöskürzung eine Gutschrift zuzustellen, um dadurch den eigenen Umsatz derart zu berichtigen, dass er mit den tatsächlichen Erlösen – nach Gewinnabschöpfung – übereinstimmt.
Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider