Die ursprüngliche Absicht des Gesetzgebers wird sicher eine gute gewesen sein: Es sollte dem am Boden liegenden Bausektor geholfen werden, und vielleicht wollte man durch die Unterstützung der energetischen Sanierung sogar ein Beitrag gegen die drohende Erderwärmung leisten. Langsam merkt man aber, dass man es insbesondere mit der Steuergutschrift von 110% etwas übertrieben hat, und so sollen die Steuerpflichtigen durch immer neue Formvorschriften und Hindernisse vergrault werden. Hier die jüngsten Änderungen:
1. Einschränkungen bei der Abtretung von Steuerguthaben:
Der Radius bei der Abtretung von Steuerguthaben ist wie folgt eingeschränkt worden:
a) Lieferanten und Bauunternehmen, welche in der Rechnung für die Steuergutschrift dem Kunden einen entsprechenden Nachlass (Stichwort „sconto in fattura“) gewähren, dürfen dieses Steuerguthaben weiterhin beliebig an Dritte (Banken, Versicherungen oder auch an andere Unternehmen) abtreten.
b) Unternehmen, welche solche Guthaben erwerben (auch von ihren Kunden), dürfen diese Guthaben zwar weiterverkaufen, aber nur mehr an Banken, Versicherungen und Finanzierungsunternehmen.
Vorsicht: Bauunternehmen, welche ihren Kunden einen Nachlass in der Rechnung gewähren, können also das Steuerguthaben frei verkaufen; verlangt man hingegen vom Kunden zunächst die volle Zahlung und erwirbt dann das Guthaben, so ist eine weitere Abtretung dieses Guthabens nur mehr an Unternehmen möglich, die im Finanzsektor tätig und daher besonders kontrolliert sind.
c) Banken, Versicherungen und Finanzierungsunternehmen ihrerseits dürfen die so erworbenen Guthaben weitere zwei Male weiterverkaufen, immer allerdings nur innerhalb der genannten „kontrollierten Gruppe“; ursprünglich war hier ein Verkaufsverbot vorgesehen gewesen. Dieses hätte aber eine weitgehende Blockade dieses Handels mit Steuergutschriften bewirkt. Nun sollte der Markt für die Abtretung von Steuerguthaben wieder weitgehend offen sein.
2. Angabe des Kollektivvertrages in Rechnungen und Verträgen
Bauunternehmen müssen für nach dem 27. Mai 2022 begonnene Arbeiten, welche Anrecht auf eine Steuergutschrift geben und ein Gesamtentgelt von mehr als 70.000 Euro vorsehen, im Auftrag (Werkvertrag, Zuweisung, Auftragsbestätigung usw.) erklären, dass die Arbeiten durch Arbeitgeber durchgeführt werden, welche den jeweiligen Bauarbeiterkollektivvertrag anwenden. Die Verpflichtung gilt, bei anderweitigem Verfall der Begünstigung, für
- Arbeiten im Sinne von Art. 119 G.V. 34/2020 („Superbonus“ von 110%),
- Arbeiten im Sinne von Art. 119-ter G.V. 34/2020 (75% „Abbau architektonischer Barrieren“),
- Art. 120 G.V. 34/2020 (Steuergutschrift Anpassung Arbeitsplatz),
- Art. 121 G.V. 34/2020 (Abtretung Steuerguthaben und Nachlass in Rechnung),
- Art. 1 Abs. 12 G. 205/2017 („Gärtnerbonus“),
- Art. 16 Abs. 2 G.V. 63/2016 („Möbelbonus“) und
- Art. 1 Abs. 129 G. 160/2019 („Fassadenbonus“).
- Die Einschränkung gilt aber auch für den allgemeinen Wiedergewinnungsbonus (50%) und Ecobonus (65%), und zwar i. W. unabhängig davon, wie die Steuergutschrift genutzt wird (Abzug in der Steuererklärung, Abtretung Guthaben oder Nachlass in der Rechnung).
Im Detail muss der angewandte Kollektivvertrag
- im Auftragsschreiben oder i. d. R. im Werkvertrag und zudem
- in allen in der Folge hierfür ausgestellten Rechnungen angeführt werden.
Freiberufler, welche für die obgenannten Arbeiten Bestätigungsvermerke erstellen, sind ausdrücklich angehalten, die Angabe des Kollektivvertrages in den genannten Dokumenten zu überprüfen.
Die neue Formvorschrift gilt nicht, wenn für den jeweiligen Werkvertrag mit dem beauftragten Unternehmen ein Entgelt vereinbart ist, das insgesamt den Betrag von 70.000 Euro zuzgl. MwSt nicht übersteigt. Wichtig: Es zählt nicht der Betrag der einzelnen Rechnung, sondern das gesamte Vertragsentgelt.
Die Einschränkung betrifft grundsätzlich nur Unternehmen, welche im Bauwesen tätig sind und entsprechend den Kollektivvertrag der Bauunternehmer anwenden; zur Abgrenzung des Bauwesens wird auf die Anlage X von D.Lgs. Nr. 81/2008 Bezug genommen, worin i. W. die Arbeiten beschrieben werden, welche als „Bautätigkeiten“ zu gelten haben (siehe Anlage).
Umgekehrt gilt die Verpflichtung nicht für Firmen, die z. B. den Handel oder die Herstellung mit/von Baumaterialien zum Gegenstand haben. Allerdings muss der Vertrag angeführt werden, wenn ein Unternehmen zwar selbst nicht im Bauwesen tätig ist, die Arbeiten aber teilweise oder zur Gänze an Baufirmen mittels Unterwerkverträge weitervergibt (in diesem Sinne FAQ Nr. 2 vom 3. Mai 2022).
Klar von der Verpflichtung befreit sind Bauunternehmen, welche selbst keine lohnabhängigen Mitarbeiter beschäftigen, also das Einzelunternehmen im Handwerk ohne Mitarbeiter; hier sollte aber in Hinblick auf die notwendigen Prüfungen durch die Freiberufler in Werkvertrag und Rechnung ein Vermerk angeführt werden, dass keine Lohnabhängigen beschäftigt werden.
Übrigens: Soweit Arbeiten ausgeführt werden, die nicht Bauarbeiten im engeren Sinne laut der zitierten Anlage X sind, ist es natürlich ausreichend, wenn ein anderer Kollektivvertrag für die auf der Baustelle tätigen Mitarbeiter angewandt wird.
Praktischer Hinweis: Im Vertrag und auf den Rechnungen wird man sinngemäß folgenden Vermerk angeben:
„Ai fini prescritti dall‘art. 1, c. 43bis L. 234/2021 si attesta che il CCNL applicato nell’esecuzione dei lavori è il seguente: ______”.
“Im Sinne der Bestimmungen von Art. 1 Abs. 43bis G. 234/2021 wird bestätigt, dass bei der Ausführung der Arbeiten nachstehender Kollektivvertrag zur Anwendung kommt: ____“.
Wichtig: Die Verpflichtung gilt auch für Subunternehmer. Bauunternehmen, welche Subunternehmer mit der Ausführung der Arbeiten beauftragen, sind angehalten, von ihren Subunternehmen die gleichen Angaben in den Rechnungen zu verlangen bzw. im Unterwerkvertrag die einschlägigen Erklärungen vorzusehen.
Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider
Anlage X D.Lgs. Nr. 81/2008
ALLEGATO X - Elenco dei lavori edili o di ingegneria civile di cui all'articolo 89 comma 1, lettera a)
1. I lavori di costruzione, manutenzione, riparazione, demolizione, conservazione, risanamento, ristrutturazione o equipaggiamento, la trasformazione, il rinnovamento o lo smantellamento di opere fisse, permanenti o temporanee, in muratura, in cemento armato, in metallo, in legno o in altri materiali, comprese le parti strutturali delle linee elettriche e le parti strutturali degli impianti elettrici, le opere stradali, ferroviarie, idrauliche, marittime, idroelettriche e, solo per la parte che comporta lavori edili o di ingegneria civile, le opere di bonifica, di sistemazione forestale e di sterro.
2. Sono, inoltre, lavori di costruzione edile o di ingegneria civile gli scavi, ed il montaggio e lo smontaggio di elementi prefabbricati utilizzati per la realizzazione di lavori edili o di ingegneria civile.