Es ist inzwischen gängige Praxis, dass einige Maßnahmen des Haushaltsgesetzes durch eine Gesetzesverordnung vorweggenommen werden, auch um drohende Missbräuche, mögliche Umgehungen und Torschlusspanik in der Phase der heißen parlamentarischen Diskussion rund um das jährliche Haushaltsgesetz zu unterbinden. In diesem Sinne wurde auch heuer mit GV Nr. 146 vom 21. Oktober 2021 ein Maßnahmenpaket geschnürt, das inzwischen in Gesetz (G. 215 vom 17. Dezember 2021, in Kraft seit dem 21. Dezember 2021, umgewandelt worden ist. Zunächst enthielt die Verordnung vor allem Neuerungen für den Arbeitssektor. Im Zuge der parlamentarischen Diskussion wurde sie um eine Vielzahl steuerlicher Änderungen ergänzt, und ergibt nun ein völlig unsystematisches Sammelsurium aus allen erdenklichen fiskalischen Schubläden. Hier ein Überblick über die wichtigsten steuerlichen Änderungen:
Barzahlungen Obergrenze 1.000 Euro (Art. 5-quater)
Bereits mit G.V. 124/2019 wurde vorgesehen, die Schwelle für Barzahlungen ab 1. Jänner 2022 auf 1.000,00 (tausend/00) Euro zu reduzieren. Jetzt wird diese Einschränkung insofern geändert, als die letzte Reduzierung nicht für die eingetragenen Geldwechselstellen für den Umtausch von Fremdwährung gilt. Hier bleibt also die Schwelle von 3.000 Euro aufrecht.
Bleibt zu ergänzen, dass parallel mit G.V. 152/2021 eine Regelung eingeführt worden ist, wonach Unternehmen und Freiberufler, die sich weigern bargeldlose Zahlungen über diverse Kreditkarten zu akzeptieren, mit einer Verwaltungsstrafe von 30 Euro, erhöht auf 4% des Transaktionswertes, geahndet werden. Im Zuge der Umwandlung der genannten Verordnung wurde die Strafe allerdings vorerst auf den 1. Jänner 2023 aufgeschoben, und bis dahin kann noch viel passieren.
Aufschub Zahlung Steuerzahlkarten (Art. 2)
Steuerzahlkarten, welche in der Zeit zwischen dem 1. September 2021 und dem 31. Dezember 2021 zugestellt worden sind, müssen erst innerhalb von 180 Tagen (im ersten Entwurf waren nur 150 Tage vorgesehen) ab Zustellung bezahlt werden. Vorsicht: Nicht verlängert wird in diesem Zusammenhang die etwaige Einspruchsfrist; hier gilt unverändert der Termin von 60 Tagen. Die Verlängerung betrifft zudem nicht Zahlkarten des NISF/INPS und solche lokaler Körperschaften (z. B. der Gemeinden für die GIS).
Zudem werden Erleichterungen bei bereits anhängigen Ratenzahlungen gewährt.
Anfechtbarkeit Eintragung in Steuerrollen (Art. 3-bis)
Wahrscheinlich Corona-bedingt ist es inzwischen gang und gäbe, dass Steuervorschreibungen in die Steuerrollen eingetragen, aber den Steuerpflichtigen nicht oder fehlerhaft zugestellt werden. Auf die Vorschreibungen wird man vielfach erst aufmerksam, sobald z. B. im Zuge öffentlicher Ausschreibungen die Vergabestelle hinderliche Eintragungen feststellt, von denen der Steuerpflichtige selbst noch gar keine Kenntnis hat.
Doch damit nicht genug: Nun wurde im Zuge der Umsetzung der G.V. 146/2021 auf Betreiben der Agentur der Einnahmen festgelegt, dass die Eintragung bzw. die fehlerhafte Zustellung vom Steuerpflichtigen nur mehr soweit als eigenständiger Anfechtungsgrund geltend gemacht werden können, als dadurch dem Steuerpflichtigen ein nachweislicher Schaden entstanden ist (z. B. Ausschluss von öffentlichen Arbeiten, Nichtgewährung von Beihilfen usw.).
Hier wird die Ineffizienz der öffentlichen Verwaltung zum System erklärt! Die Verfassungskonformität einer solchen Norm muss zumindest angezweifelt werden.
Patentbox (Art. 6)
Zur Erinnerung: Die sogenannte Patentbox sieht eine begünstigte Besteuerung der Erlöse, bzw. des Veräußerungsgewinns, aus der direkten oder indirekten Nutzung von Patenten oder anderen geistigen Rechten vor. Diese werden für Zwecke von IRPEF und IRES im verminderten Ausmaß von 50% besteuert und sind grundsätzliche von der IRAP befreit.
Diese Erleichterungen werden mit der vorliegenden Verordnung Nr. 146/2021 abgeschafft, und im Gegenzug sollte eine Sonderabschreibung im Ausmaß von 90% für die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung gewährt werden. Wie kurzlebig manche Gesetze in Italien allerdings sind, beweist, dass die hier erlassene Reform schon nach wenigen Tagen durch das Haushaltsgesetz für 2022 wieder revidiert worden ist. Die Sonderabschreibung beträgt darauf 110%. Im Gegenzug darf aber für das Geschäftsjahr 2021 und die Folgejahre die ursprüngliche Patentbox nicht mehr beansprucht werden.
Über weitere Details werden wir Sie im Zusammenhang mit dem Haushaltsgesetz für 2022 informieren.
Meldung Auslandsumsätze (Art. 5 Abs. 14-ter)
Hierüber haben wir Sie bereits mit getrenntem Rundschreiben informiert, um organisatorische Vorkehrungen zu ermöglichen: Die eigentlich für Jahresbeginn 2021 vorgesehene Abschaffung des sog. „esterometro“ wird aufgeschoben, und zwar vorerst auf den 1. Juli 2022.
Elektronische Rechnungen für sanitäre Leistungen an natürliche Personen (Art. 5 Abs. 12-quater)
Ab 1. Jänner 2022 war auch für sanitäre Leistungen an natürliche Personen die Ausstellung elektronischer Rechnungen vorgesehen gewesen, mit der Folge, dass diese direkt der Agentur gemeldet und für Zwecke der Sonderausgaben in den einschlägigen Dateien übertragen würden. Nun hingegen gilt auch für das gesamte Jahr 2022 ein Verbot, für solche Leistungen elektronische Rechnungen auszustellen.
Tageseinnahmen und Gesundheitskarte (Art. 5 Abs. 12-ter)
In die gleiche Kerbe schlägt auch diese „Neuerung“: Die Verpflichtung, die Tageseinnahmen in Verbindung mit der Gesundheitskarte an die Agentur der Einnahmen zu melden, um dadurch ebenfalls die Absetzbarkeit von Sonderausgaben zu erleichtern, wird ebenfalls nochmals ausgesetzt, und zwar vorerst bis zum 1. Jänner 2023. Hinweis: Derzeit ist es für Apotheken und Optiker fakultativ, diese Tageseinnahmen im Zusammenhang mit der Gesundheitskarte der Agentur zu melden; ab 1. Jänner 2023 soll die Meldung verpflichtend sein.
Tageseinnahmen und Übermittlung an Agentur der Einnahmen (Art. 5 Abs. 12-bis)
Bereits seit 1. Juli 2021 sollte es möglich sein, ausschließlich über elektronische Zahlungssysteme erfasste Zahlungen unmittelbar an die Agentur der Einnahmen zu melden und im Gegenzug Erleichterungen bei den Aufzeichnungen der Tageseinnahmen zu erlangen. Mangels Umsetzung wurde auch diese Frist vorerst auf den 1. Juli 2022 ausgesetzt, und in der Zwischenzeit muss die Agentur der Einnahmen die notwendigen Durchführungsbestimmungen erlassen.
MwSt und Vereine (Art. 5 Abs. 15-quater bis Abs. 15-sexies)
Die Verordnung Nr. 146/2021, in Kraft seit dem 21. Dezember 2021, sah ab 1. Jänner 2022 eine weitreichende Reform der Mehrwertsteuer für Vereine und Volontariate vor: Statutarisch vorgesehene Lieferungen und Leistungen, welche politische, gewerkschaftliche, berufsständische, religiöse, soziale und kulturelle Vereinigungen sowie Amateursportvereine und Vereinigungen zur Förderung der sozialen und außerschulischen Bildung gegen Zahlung zusätzlicher Beiträge an Mitglieder oder Mitglieder angeschlossener Vereine erbringen, waren bis dato außerhalb des Anwendungsbereichs der MwSt insbesondere im Sinne von Art. 4 Abs. 4 MwStG. Damit sollte Schluss sein. Diese Geschäftsvorfälle sollten ab 1. Jänner 2022 als „unecht steuerbefreit“ im Sinne von Art. Art. 10 Absatz 4 MwStG klassifiziert werden. Unter die gleiche Regelung fällt auch der Verkauf von Publikationen, die vorwiegend für die Mitglieder bestimmt sind. Für Volontariate und Vereine für soziale Förderung wird eine Übergangsbestimmung vorgesehen: Wenn die Umsatzerlöse nicht die Schwelle von 65.000 Euro überschreiten, kann die Pauschalbesteuerung laut Haushaltsgesetz 2015 (Art. 1 Abs. 58-63 Ges. 190/2014) angewandt werden.
Die Fachzeitschriften der letzten Wochen waren voll von Auslegungen und Spekulationen über die umfassende Reform. Verantwortliche in betroffenen Organisationen rannten Sturm, um sich in der kurzen Zeit auf die Neuerungen vorzubereiten. Alles umsonst! Mit dem Haushaltsgesetz für 2022 wird nämlich die gesamte Reform zunächst auf den 1. Jänner 2024 verschoben noch. Viel Lärm um nichts!
Nachzahlung IRAP (Art. 1-bis)
Ein weiterer Aufschub vom 30. November 2021 auf den 31. Jänner 2022 wird für die Nachzahlung der ausgesetzten IRAP-Vorauszahlung im Juni 2020 gewährt, soweit damals die Schwellen des vorübergehenden EU-Rahmens (damals 800.000 Euro) für die Staatsbeihilfen überschritten worden sind. Für die Sanierung fallen weder Zinsen noch Strafen an, zumal lange überhaupt unklar war, ob die IRAP für die Schwelle im „temporary framework“ zu berücksichtigen wäre oder nicht.
Lagerbuchhaltung (Art. 5 Abs. 14-quater)
Die Schwellen, ab welchen Unternehmen ab 2022 verpflichtet sind, die Lagerbuchhaltung zu führen, wurden geringfügig geändert. Nun gilt: Unternehmen, die in den beiden Jahren 2019 und 2020 jeweils die beiden Grenzwerte von 5.164.000,00 Euro an Umsatzerlösen und von 1.100.000,00 Euro an Endbeständen überschritten haben, sind ab 1. Januar 2022 verpflichtet, die Lagerbuchhaltung zu führen, unabhängig von den Erlösen und Endbeständen im Jahr 2021.
Stempelsteuer (Art. 14-bis)
Die virtuelle Abfindung der Stempelsteuer wird neu geregelt. Zugelassen sind i. W. die Post, Banken, Finanzierungsunternehmen und Versicherungen. Sollten Sie hier Details benötigen, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.
Transportleistungen (Art. 5-septies)
Zur Erinnerung: Bis dato waren die Transportleistungen im Zusammenhang mit Ausfuhren in Drittländer (Exporte) sowie bei Importen, wenn der entsprechende Wert in der Zollerklärung enthalten war, nicht MwSt-pflichtig. Dies galt aus sachlicher Sicht, ohne irgendwelche weitere subjektive Voraussetzungen, folglich auch bei Sub-Verträgen oder bei Speditionsverträgen. Mit einem EuGH-Urteil aus dem Jahr 2017 (C-288/16) war allerdings klargestellt worden, dass die Steuerbefreiung nur im direkten Verhältnis gegenüber dem Exporteur oder dem Importeur bzw. dem Warenempfänger anwendbar wäre. In Anlehnung an dieses Urteil wurde nun Art. 9 MwStG abgeändert, indem für die Steuerbefreiung auch eine subjektive Anforderung, wie oben dargestellt, eingefügt wurde. Die Neuerung gilt für die Umsätze ab 1. Jänner 2022, wobei umgekehrt nicht beanstandet wird, wenn sich jemand bereits in der Vergangenheit in Übereinstimmung mit dem obgenannten Urteil des EUGH verhalten hat.
Umweltfreundliche Fahrzeuge (Art. 7)
Das Kapitel zur Unterstützung der Verschrottung von Altautos und deren Ersatz durch umweltfreundliche Fahrzeuge wurde um 100 Millionen Euro aufgestockt; große Sprünge wird man damit nicht machen.
Gemeindeimmobiliensteuer IMU und Hauptwohnsitz (Art. 5-decies)
Soweit die Ehegatten ihren Wohnsitz in unterschiedlichen Gemeinden festgelegt haben, ist es möglich, dass sie für Zwecke der IMU eine der Wohnungen als ihren Hauptwohnsitz erwählen und für diese die einschlägigen Erleichterungen für die Gemeindesteuer IMU beanspruchen. Die Bestimmung tritt mit 21. Dezember 2021 in Kraft und gilt damit in der Praxis ab dem 1. Jänner 2022. Offen bleibt die Frage, ob diese neue Wahlmöglichkeit auch für die GIS in Südtirol zur Anwendung kommen wird.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider