Bei innergemeinschaftlichen Abhollieferungen auf Versendungsnachweis achten
Bei innergemeinschaftlichen Lieferungen hat der Unternehmer mit der Sorgfaltspflicht eines Unternehmers auf den Versendungsnachweis für die tatsächliche Verbringung der Güter in ein anderes EU-Land zu achten; dies betrifft insbesondere Abhollieferungen, also solche, bei welchen der ausländische Kunde selbst die Güter vor Ort abholt. Zu dieser Schlussfolgerung ist der Kassationsgerichtshof unlängst mit gleich zwei Urteilen gekommen: Nr. 20575 vom 7. Oktober 2011 und zuletzt Nr. 13457 vom 27. Juli 2012. Kann im Zuge einer Betriebsprüfung der Versendungsnachweis nicht erbracht werden, so sind die Prüfer nach Einschätzung des Höchstgerichts berechtigt, den Geschäftsvorfall der italienischen Mehrwertsteuer zu unterwerfen und eine Nachzahlung der Steuer zu verlangen.
Die Rechtslage: Damit eine innergemeinschaftliche Lieferung „nicht MwSt-pflichtig“ im Sinne von Art. 41 D.L. 331/1994 durchgeführt werden darf, müssen grundsätzlich drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Es muss sich um eine Lieferung gegen Entgelt handelt.
- Sowohl Lieferer als auch Abnehmer müssen Steuerpflichtige im Sinne der MwSt-Bestimmungen sein, sprich Unternehmer oder Freiberufler; diese Voraussetzung wird durch die gültige Umsatzsteuer-Identifikationsnummer nachgewiesen. Die UID-Nr. des Abnehmers ist auch auf der Rechnung anzuführen.
- Schließlich ist es auch erforderlich, dass die Ware physisch tatsächlich von einem EU-Land in ein anderes verbracht wird.
Fehlt bei der Lieferung von Gütern eine der drei obigen Voraussetzungen, so darf die Steuerbefreiung nicht beansprucht werden, und die Lieferung ist der italienischen Mehrwertsteuer zu unterwerfen. Die EU-MwSt-Systemrichtlinie (RL 2006/112/EU) stellt es den Mitgliedstaaten weitgehend frei, wie die Steuerbefreiung zu belegen ist, um einen Missbrauch zu verhindern. Insbesondere was den Nachweis der Verbringung betrifft, hat der Gesetzgeber in Italien hierzu keine besonderen Vorkehrungen getroffen. Lediglich mit Entscheid der Agentur der Einnahmen Nr. 477/E vom 15. Dezember 2008 wurde festgehalten, dass nicht unbedingt ein Frachtbrief (CMR) erforderlich ist; der Nachweis kann auch mit jedem anderen Beleg erbracht werden, mit dem die Beförderung und der Erhalt nachgewiesen werden können, so über einen Liefer- oder Transportschein oder eine Empfangsbestätigung des Abnehmers.
Um es auf den Punkt zu bringen: Bei Direktlieferungen durch den Lieferanten oder bei Beförderungen über ein Transportunternehmen werden auch aufgrund handelsrechtlichen Überlegungen kaum Probleme beim Nachweis der tatsächlichen Beförderung vorliegen. Problematisch sind hingegen die sog. Abhollieferungen durch den im anderen EU-Land ansässigen Kunden. Es besteht hier die latente Gefahr, dass die Gegenstände im Inland bleiben und so steuerfrei in den Endverbrauch gelangen. Die Finanzverwaltung stellt fest, dass der Nachweis durch alle Belege erbracht werden kann, welche die Beförderung in einen anderen EU-Mitgliedstaat aufzeigen; es werden aber keine zusätzlichen Anleitungen erteilt. Die eingangs aufgezeigten Urteile des Kassationsgerichtshofes verlangen allerdings, dass der Unternehmer mit der notwendigen Sorgfalt die erfolgte Beförderung in ein anderes EU-Land nachweist.
In Ermangelung eindeutiger Anleitungen könnten vielleicht die einschlägigen Bestimmungen in Österreich hilfreich sein. Dort wird bei Abhollieferungen eine Erklärung des Abnehmers bzw. Beauftragten verlangt, dass er die Güter in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert; es muss überdies die Identität der abholenden Person festgehalten werden (z. B. Kopie des Reisepasses bzw. des Führerscheins). Soweit Abholer und Abnehmer nicht identisch sind, wird zudem eine Spezialvollmacht verlangt, in der die abholende Person seitens des Abnehmers ausdrücklich mit der Abholung der Ware bevollmächtigt wird.
Empfehlung: Da infolge der eingangs genannten Urteile in Zukunft sicher verstärkte Überprüfungen des Versendungsnachweises zu befürchten sind, kann nur empfohlen werden, immer auf diesen Nachweis zu achten und insbesondere bei Abhollieferungen Erklärungen des Abholers nach österreichischem Vorbild einzuholen.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Josef Vieider
Herunterladen R-35-30.07.2012 Versendungsnachweis bei ig Lieferungen