Europagesetz in Kraft getreten – umfangreiche Änderungen bei innergemeinschaftlicher Mehrwertsteuer ab 17. März 2012
Mit gewaltiger Verspätung hat das italienische Parlament im letzten Dezember das sogenannte „Europa-Gesetz 2010“ verabschiedet. Es ist als Gesetz Nr. 217 vom 15. Dezember 2011 im staatlichen Amtsblatt Nr. 1 vom 2. Jänner 2012 veröffentlicht worden und enthält die Umsetzung und Anpassungen verschiedener EU-Richtlinien: Nr. 2008/117, Nr. 2009/69 und Nr. 2009/162. Die Neuerungen treten mit 17. März 2012 in Kraft; soweit sie für den Steuerpflichtigen von Vorteil sind, dürfen sie aber bereits früher in Anspruch genommen werden. Das Europagesetz wird umfangreiche Auswirkungen auf die MwSt-Buchhaltung haben, weshalb es notwendig sein wird, sich rechtzeitig auf die Änderungen vorzubereiten. Nachstehend ein Überblick:
1. Zeitpunkt der Umsatztätigung bei „allgemeinen“ internationalen und innergemeinschaftlichen Dienstleistungen: | |||||||||||
Zeitpunkt der Umsatztätigung bei Dienstleistungen |
Zunächst die derzeit geltende Regelung: Im Sinne von Art. 6 MwStG gilt der allgemeine Grundsatz, dass Dienstleistungen dann als getätigt gelten, wenn sie bezahlt werden, außer es wird bereits zuvor die Rechnung ausgestellt.
Dieser Grundsatz gilt für die vorzeitige Fakturierung in Zukunft nur mehr für innerstaatliche Leistungen, nicht aber für allgemeine Dienstleistungen innergemeinschaftlicher oder internationaler Natur. Diese gelten erst dann als getätigt, wenn sie abgeschlossen sind, bzw. bei periodischen Dienstleistungen, wenn die anteiligen Entgelte angereift sind. Für kontinuierliche Leistungen mit einer Ausführungsdauer von mehr als einem Jahr, falls keine periodischen Zahlungen oder keine Anzahlungen vereinbart sind, gilt eine Sonderregelung: In diesem Fall gelten die Leistungen anteilig am Ende jedes Jahres als ausgeführt; als Bemessungsgrundlage zählen die im betreffenden Jahr angefallenen Aufwendungen. Daraus folgt, dass im Gegensatz zu innerstaatlichen Leistungen und im Gegensatz zur derzeitigen Regelung durch die frühere Ausstellung der Rechnung keine Vorlegung des Umsatzzeitpunktes mehr erfolgt, außer es erfolgt auch bereits die Zahlung. Hinweis: Die Neuregelung betrifft die von einem inländischen Auftraggeber aus einem anderen EU-Mitgliedstaat oder einem Drittland erhaltenen „allgemeinen“ Dienstleistungen (Art. 7-ter MwStG) sowie die von einem Inländer gegenüber einem Steuerpflichtigen in einem anderen Mitgliedstaat erbrachten innergemeinschaftlichen Dienstleistungen (alle Dienstleistungen, ausgenommen jene unter Art. 7-quater und Art. 7-quinquies MwStG). Die korrekte Anwendung in der Praxis wird noch zu einigen Schwierigkeiten führen, weil es bei der Entstehung der Steuerschuld eine bislang nicht bekannte Abkoppelung von der gewohnten Rechnungserteilung geben wird. Die Neuerung betrifft nur allgemeine Dienstleistungen im Sinne von Art. 7-ter MwStG; somit sind vor allem Bauleistungen (7-quater) ausgenommen. Für Beratungen, Bearbeitungen beweglicher Güter und ähnliche allgemeine Leistungen werden sich aber umfassende Änderungen ergeben. Konkret wird die Reform bewirken, dass z. B. Akontorechnungen auf allgemeine Dienstleistungen noch keinen Umsatz bilden; umgekehrt wird aber bei Abschluss von Beratungsleistungen oder Bearbeitungen beweglicher Güter die Rechnung unmittelbar auch dann auszustellen sein, wenn hierfür noch keine Zahlung in Aussicht steht. Die unterlassene Rechnungserteilung bei Abschluss einer allgemeinen Leistung kann ab 17. März 2012 geahndet werden. Die Neuerung wird eine grundlegende Umgestaltung erfordern. Nachstehend noch eine zusammenfassende Übersicht: |
||||||||||
2. Erleichterungen bei der trimestralen MwSt-Erstattung:
|
|||||||||||
Trimestrale MwSt-Erstattung |
Die Änderungen im MwSt-Paket 2010 haben dazu geführt, dass eine Reihe von innergemeinschaftlichen Dienstleistungen, die zuvor „nicht MwSt-pflichtig“ waren, „nicht steuerbar“ im Sinne von Art. 7-ter wurden, mit der Folge, dass für diese Leistungen kein Plafond anreifte und diese Leistungen auch nicht mehr zum Anrecht auf die trimestrale MwSt-Erstattung beitrugen.
Die letzte Benachteiligung wird nun zumindest teilweise aufgehoben. Es werden die Möglichkeiten für die vierteljährliche Vorsteuervergütung (Art. 38-bis MwStG) erweitert. Die vierteljährliche Vorsteuervergütung wird ab dem 1. Quartal 2012 auch für folgende zusätzliche Fälle bzw. Dienstleistungen vorgesehen, die an Steuerpflichtige mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat oder in einem Drittland erbracht werden: - Be- und Verarbeitung von beweglichen Gegenständen; - Güterbeförderung, diesbezügliche Vermittlungen und Transportnebenleistungen; - Finanz- und Versicherungsleistungen an Steuerpflichtige mit Sitz in einem Drittland. Diese Leistungen müssen mehr als 50 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen.
|
||||||||||
3. Ab 17. März keine Eigenrechnungen mehr für innergemeinschaftliche Dienstleistungen:
|
|||||||||||
Keine Eigenrechnungen mehr und Verbuchung mit Bezug auf Erhaltsmonat |
Auch hier zunächst die derzeit geltende Regelung: Für die Verbuchung allgemeiner innergemeinschaftlicher Dienstleistungen (Art. 7-ter MwStG) kann man derzeit zwischen der Ergänzung der ausländischen Rechnung oder der Ausstellung einer Eigenrechnung entscheiden. Ab 17. März 2012 wird es hingegen nicht mehr zulässig sein, Eigenrechnungen auszustellen, sondern es muss zwangsläufig die Erwerbsbesteuerung durch Ergänzung der ausländischen Rechnung vorgenommen werden.
Diese Ergänzung erfolgt bekanntlich durch einen Vermerk auf der erhaltenen Rechnung, in welchem unter anderem die Bemessungsgrundlage, der MwSt-Satz und die MwSt angeführt werden. Die Erwerbsbesteuerung hat dabei spätestens innerhalb des Erhaltsmonats der Rechnung zu erfolgen. Zusätzlich muss man ab 17. März 2012 für allgemeine Dienstleistungen auch den unter Punkt 1) aufgezeigten Zeitpunkt der Umsatztätigung beachten. Im Klartext: Eine erhaltene Rechnung für eine Dienstleistung, die noch nicht abgeschlossen ist bzw. für welche keine Zahlung erfolgt ist, dürfte noch nicht registriert werden. Dieser Fall wird aber eher selten eintreffen, weil die obige Neuerung über den Zeitpunkt der Umsatztätigung in anderen EU-Ländern längst Standard ist mit der Folge, dass die Ausstellung reiner Akontorechnungen im Ausland ohnehin nicht üblich ist. Praktische Auswirkungen: Bei innergemeinschaftlichen Dienstleistungen sind in Zukunft keine Eigenrechnungen mehr erlaubt. Für Dienstleistungen aus Drittländern, z. B. aus der Schweiz, können aber auch nach dem 16. März 2012 Eigenrechnungen ausgestellt werden, ebenso für Leistungen, die nicht in die Kategorie der „allgemeinen Dienstleistungen“ im Sinne von Art. 7-ter MwStG fallen; daraus folgt, dass z. B. für Bauleistungen keine Änderungen eintreten. Überall dort, wo in Zukunft die Rechnungen für erhaltene Leistungen nur mehr ergänzt und daher von der Prozedur her gleich wie innergemeinschaftliche Erwerbe von Gütern verbucht werden, empfehlen wir hingegen, eigene Buchungsschlüssel zu verwenden, um für Zwecke der Intra-Meldungen und auch für Zwecke der Aufsplitterung der Geschäftsvorfälle in der MwSt-Jahreserklärung eine klare Unterscheidung treffen zu können. In diesem Zusammenhang erinnern wir auch nochmals daran, dass in den Intra-Meldungen für erhaltene innergemeinschaftliche Dienstleistungen nicht die Rechnungsnummer des ausländischen Leistungserbringers anzugeben ist, sondern die Protokollnummer, mit welcher die Rechnung vom italienischen Auftraggeber im Register der Ausgangsrechnungen verbucht wird.
|
||||||||||
4. Sonstige Änderungen:
|
|||||||||||
Freier Verkehr und Verarbeitung |
Art. 67 MwStG sieht bekanntlich vor, dass die aus Drittländern importierten Waren unter Aussetzung der italienischen Mehrwertsteuer in den freien Verkehr gesetzt werden können, wenn sie im Anschluss in einen anderen Mitgliedstaat versendet werden. Diese Erleichterung wird nun auch auf solche Fälle ausgedehnt, in denen die Waren, nach entsprechender Genehmigung durch die Zollverwaltung, vorher in Italien be- oder verarbeitet werden.
|
||||||||||
Botschaften und Konsulate |
Die Bestimmungen über die steuerfreien Lieferungen an Botschaften, Konsulate, Einrichtungen der EU, der UNO und andere internationale Einrichtungen werden neu definiert. Unter anderem wird bei den Umsätzen gegenüber Botschaften die Begünstigung ausgeschlossen, wenn der tatsächlich Begünstigte ein Dritter ist. Die Umsätze müssen zumindest 300 Euro betragen.
|
Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Josef Vieider
Herunterladen R-15-22.02.2012 Europagesetz 2010