Wie mitgeteilt, wurde im letzten Herbst mit der Eilverordnung Nr. 119/2018, veröffentlicht im Amtsblatt am 24. Oktober 2018 und in Kraft seit eben diesem Tag, unter dem Begriff „Steuerfrieden“ ein ganzes Paket an „Steuernachlässen“ eingeführt. Die Abfindung zugestellter Steuerbescheide und die dritte Auflage der Verschrottung von Steuerkartellen sind inzwischen schon verfallen, ebenso die Verschrottung kleiner Steuerzahlkarten mit Beträgen bis zu 1.000 Euro. Zum 31. Mai 2019 hingegen stehen noch
- die Abfindung bis zum 24. Oktober 2018 zugestellter Erhebungsprotokolle,
- die Abfindung zum genannten Datum anhängiger Steuerstreitverfahren und
- die Abfindung von Formfehlern, die bis zum genannten Datum eingetreten sind, an.
In den letzten Monaten und Wochen wurden hierfür die notwendigen Durchführungsbestimmungen erlassen und auch amtliche Anleitungen veröffentlicht. Der Teufel steckt aber wie immer im Detail, und so sind noch viele Fragen ungeklärt und mehr noch umstritten, da die Doktrin sich mit bestimmten Auslegungen der Finanzverwaltung nicht anfreunden kann. Entsprechend haben sich die Interessensverbände schon mehrfach dafür ausgesprochen, den Termin 31. Mai 2019 zu verschieben. Bis heute darf davon aber nicht unbedingt ausgegangen werden. Anbei ein Überblick über die derzeit geltende Rechtslage:
1. Abfindung von Erhebungsprotokollen
Rechtsquellen: Art. 1 G.V. 119/2018; Verordnung der Agentur der Einnahmen Nr. 17776 vom 23. Jänner 2019, Rundschreiben Nr. 7 der Agentur der Einnahmen vom 9. April 2019 sowie Erlass Nr. 8/E vom 23. Jänner 2019.
Im Sinne von Art. 1 G.V. 119/2018 können bis zum 24. Oktober 2018 zugestellte Erhebungsprotokolle („processo verbale di constatazione“) gegen Zahlung der vollen beanstandeten Steuern und Abgaben, aber bei vollem Nachlass der Zinsen und Strafen, abgefunden werden. In der Praxis wird also auf Zinsen und Strafen verzichtet, wenn im Gegenzug uneingeschränkt alle zusätzlichen Steuern und Abgaben laut Protokoll bedingungslos und vollständig akzeptiert werden. Die Maßnahme betrifft Einkommensteuern, Sozialabgaben, Steuereinbehalte, Ersatzsteuern, IRAP, MwSt, IVIE und IVAFE; im Bereich der Sozialabgaben sind vor allem die Beiträge an die Handwerker- und Kaufleuteversicherung sowie jene an die Sonderpensionskasse des INPS/NIFS abfindbar. Nicht begünstigt sind hingegen die Register-, Hypotherkar- und Katastersteuer sowie Erbschafts- und Schenkungssteuern.
Ausdrücklich zugelassen ist auch die Abfindung nicht erklärter Auslandseinkünfte, soweit sie Gegenstand eines Erhebungsprotokolls zum obgenannten Stichtag waren. Reine Formfehler sind hier ausgenommen, fallen aber in die Abfindung nach dem nachstehenden Art. 9 der Verordnung. Von der Abfindung ausgeschlossen ist auch, wer zum vorgenannten Datum 24. Oktober 2018 bereits einen Bescheid zugestellt bekommen hat, auch weil hierfür bereits im November letzten Jahres ein eigenes Abfindungsverfahren vorgesehen war.
Wichtig: Soweit ein Erhebungsprotokoll mehrere Jahre betrifft, können auch nur einzelne Steuerperiode abgefunden werden. Für die restlichen Jahre bleibt dann die Möglichkeit offen, u. U. Einspruch einzulegen oder auf anderem Wege einen Vergleich mit der Finanzverwaltung anzustreben.
Wer diese Erleichterung beanspruchen will, muss innerhalb 31. Mai 2019 eine entsprechende Meldung einreichen. Zu diesem Zweck sind übrigens keine eigenen Vordrucke veröffentlicht worden; vielmehr ist es notwendig, eine Ergänzungsmeldung für die jeweilige UNICO-, IRAP-, MwSt- oder 770-Meldung bis 31. Mai 2019 auf dem amtlichen Vordruck der betreffenden Steuerperiode abzufassen, in welcher die höheren Bemessungsgrundlagen und die höheren Steuern laut Erhebungsprotokoll anzugeben sind. Auf dem Deckblatt ist das Feld „fristgerechte Nachmeldung“ („correttiva nei termini“) anzukreuzen, auch wenn ggf. die ordentlichen Fristen längst verfallen sind.
Die geschuldeten Steuernachzahlungen müssen im Sinne der Verordnung Nr. 8 vom 23. Jänner 2019 mittels eigener Zahlungsschlüssel erfolgen, und es ist nicht zulässig, irgendwelche Verrechnungen mit bestehenden Steuerguthaben vorzunehmen. Die Zahlung hat innerhalb 31. Mai 2019 in ihrer Gesamtheit zu erfolgen, oder es wird für eine Ratenzahlung (20 Quartalsraten über die nächsten 5 Jahre) optiert, und in diesem Fall ist die erste Rate am 31. Mai 2018 fällig. Es sind die gesetzlichen Zinsen von derzeit günstigen 0,8% p.a. geschuldet, was eine Ratenzahlung durchaus interessant macht.
Im Zuge der Nachmeldungen dürfen auch bestehende Verlustvorträge nicht verrechnet werden.
Für die Geschäftsjahre bis einschließlich 2015, für welche Erhebungsprotokolle vorliegen, wird die Verjährungsfirst um 2 Jahre verlängert, soweit die Abfindung nicht in Anspruch genommen wird.
2. Abfindung behängender Streitverfahren
Rechtsquellen: Art. 6 und Art. 7 G.V. 119/2018, Verordnung vom 18. Febr. 2019 Nr. 39209 und Rundschreiben Nr. 6 vom 1. April 2019 sowie Erlass Nr. 29/E vom 21. Februar 2019.
Zum 24. Oktober 2018 behängende Steuerstreitverfahren können begünstigt abgefunden werden.
Hier gilt: Abgefunden können alle Streitverfahren werden, wo die Agentur der Einnahmen die Gegenpartei ist. Entsprechend sind hier neben der Mehrwertsteuer und den Einkommensteuern auch Register-, Hypothekar-, Kataster- Erbschafts- und Schenkungssteuern zugelassen, während im Unterschied zu den Erhebungsprotokollen Sozialabgaben ausgeschlossen sind. Der Vorteil besteht auch hier im völligen Verzicht der Finanzverwaltung auf Zinsen und Strafen, während das Ausmaß der zu zahlenden Steuern abhängig vom Grad ist, in welchem das Verfahren zum 24. Oktober 2018 behängend war. Damit überhaupt ein „behängendes Verfahren“ vorliegt, muss spätestens zum 24. Oktober 2018 zumindest ein Einspruch eingereicht worden sein, und es darf bei Antragsstellung noch kein endgültiges (sprich nicht mehr anfechtbares Urteil) vorliegen.
Die Höhe der Abfindung ist abhängig von der Art der bis zum 24. Oktober 2018 ergangenen Urteile, und hierfür ist wiederum die Hinterlegung des jeweiligen Urteils zum 24. Oktober 2018 ausschlaggebend.
Nachstehend die Kosten der Abfindung:
1. Soweit ein Einspruch eingereicht worden ist, die Partei sich aber noch nicht vor der Steuerkommission eingelassen hat, sind 100% der Steuern bei Nachlass von Zinsen und Strafen zu entrichten.
2. Die gleiche Abfindung in Höhe von 100% der beanstandeten Steuern gilt auch immer dann, wenn das zuletzt ergangene Urteil für den Steuerpflichtigen negativ ausgefallen ist, sprich er hat in der 1.und/oder 2. Instanz verloren.
3. Soweit nur ein Einspruch eingereicht worden ist und die Parteien sich bei der Steuerkommission eingelassen haben, aber überhaupt noch kein Urteil ergangen ist, müssen 90% der beanstandeten Steuern, allerdings unter Nachlass der Zinsen und Strafen, entrichtet werden. Dabei geht die Finanzverwaltung – im Widerspruch zur vorherrschenden Doktrin – davon aus, dass die Einlassung innerhalb 24. Oktober erfolgt sein mußte.
4. Wenn hingegen ein für den Steuerpflichtigen positives Urteil 1. Grades vorliegt, sind nur noch 40% der Steuern bei Nachlass von Strafen und Zinsen zu entrichten. Ein solches Urteil liegt vor, wenn es zum 24. Oktober 2019 bei der zuständigen Steuerkommission hinterlegt worden ist.
5. Liegt sogar ein Urteil 2. Grades zu Gunsten des Steuerpflichtigen vor, sind nur noch 15% der Steuern geschuldet, bei Nachlass von Strafen und Zinsen. Auch hier muss die Hinterlegung wie oben erfolgt sein.
6. Hat der Steuerpflichtige im 2. Grad gewonnen und behängt das Verfahren zum 24. Oktober 2018 in der Kassation, so sind noch 5% der Steuern geschuldet, bei Nachlass von Strafen und Zinsen.
7. Wenn hingegen der Kassationsgerichtshof ein Verfahren an die Steuerkommission zurückverwiesen hat und dieses zum 24. Oktober 2018 wiederum bei den Steuerkommissionen behängt, so sind – unabhängig von den früheren positiven oder negativen Urteilen ersten und zweiten Grades - wiederum 90% der Steuern unter Nachlass von Zinsen und Strafen zu entrichten.
- Soweit das Streitverfahren hingegen nur Strafen zum Gegenstand hat, kann eine Abfindung gegen Zahlung von 15% der Strafen erfolgen, soweit bereits ein positives Urteil für den Steuerpflichtigen vorliegt, und gegen Zahlung von 40% in allen anderen Fällen.
Zwecks Inanspruchnahme der Abfindung ist innerhalb 31. Mai 2019 ein eigener Antrag zu stellen, und zwar anhand des Vordrucks DCT/18, wie er von der Agentur der Einnahmen mit Verordnung vom 18. Februar 2019, Nr. 39209, festgelegt worden ist. Der Antrag kann nur auf elektronischem Wege versandt werden.
Die Zahlung hat bei Abfindungsbeträgen bis zu 1.000 Euro vollständig innerhalb 31. Mai 2019 zu erfolgen. Bei höheren Beträgen kann ebenfalls innerhalb genannten Datums die volle Zahlung erfolgen; alternativ kann aber auch für eine Ratenzahlung in 20 Quartalsraten, fällig jeweils zum 31. Mai, zum 31. August, zum 30. November und zum 28. Februar eines jeden Jahres optiert werden, wobei die gesetzlichen Zinsen in Höhe von derzeit 0,8% p.a. geschuldet sind. Auf jeden Fall sind Verrechnungen mit bestehenden Steuerguthaben ausgeschlossen. Auf die geschuldete Steuer können allerdings die im Laufe des Verfahrens bereits gezahlten Beträge angerechnet werden, ausgenommen die Einhebungsgebühren der Steuereinhebungsstelle. Es kann in diesem Zusammenhang auch Fälle geben, in denen die im Laufe des Verfahrens bereits gezahlten Steuern den laut Abfindung geschuldeten Beträgen entsprechen bzw. sogar höher sind.
Die Finanzverwaltung hat übrigens auch die Möglichkeit, den Abfindungsantrag abzulehnen, und zwar innerhalb 31. Juli 2019. Gegen einen Ablehnungsbescheid kann Einspruch nach den allgemeinen Bestimmungen eingereicht werden.
3. Formfehlernachlass
Der Formfehlernachlass ist mit dem Haushaltsgesetz für 2019 als Änderung zu Art. 9 der Gesetzesverordnung Nr. 119/2018 eingeführt worden. Die Durchführungsbestimmungen wurden hier mit Erlass der Agentur der Einnahmen Nr. 62274 vom 15. März 2019 veröffentlicht. Mit Erlass Nr. 37/E vom 21. März 2019 wurden schließlich die Zahlungsmethoden festgelegt.
Inhaltlich wird eine weitgehende Auslegung getroffen: Es sind alle innerhalb 24. Oktober 2018 eingetretenen Fehler sanierbar, die nicht zu einer Steuerhinterziehung an sich führten, und zwar auch dann, wenn sie die Kontrolltätigkeit der Steuerbehörde erschweren. Ausgenommen sind nur Vergehen im Zusammenhang mit dem Vordruck RW (Auslandseinkünfte). Umgekehrt fallen unter den Nachlass die Vergehen im Zusammenhang mit dem Reverse-Charge-Verfahren, unterlassene Optionen, fehlerhafte Kunden- und Lieferantenlisten usw.
Der Steuernachlasss kostet pauschale 200 Euro je Steuerperiode, und zwar unabhängig von der Anzahl der zu sanierenden Vergehen.
Die Zahlung hat entweder einmalig innerhalb 31. Mai 2019 oder in 2 gleichen Raten innerhalb 31. Mai 2019 und 2. März 2020 zu erfolgen. Mit Erlass vom 21. März 2019 wurde auch der Zahlungsschlüssel im Vordruck F24 (Feld „Erario“), festgelegt: PF99. Als Bezugsjahr ist jenes anzugeben, für welches der Formfehlernachlass beantragt werden soll. Auch hier gilt: Es dürfen keine Verrechnungen mit bestehenden Steuerguthaben vorgenommen werden.
Aber mit der Zahlung ist es nicht getan: Es muss auch der Formfehler an sich beseitigt werden, und
zwar grundsätzlich innerhalb 2. März 2020. Sollte man allerdings den Formfehler noch gar nicht genau kennen und nur zur Vorsicht den Nachlass beantragen, so besteht die Möglichkeit, den Fehler innerhalb einer Frist von 30 Tagen ab Aufdeckung und Aufforderung durch die Finanzverwaltung zu berichtigen.
Erfahrungsgemäß ist es zu empfehlen, vor allem für die letzten beiden Jahre (2018 und 2017), die vorwiegend Gegenstand laufender Kontrollen sein könnten, den Formfehlernachlass zu beantragen.
4. Verschrottung von Steuerzahlkarten
Die zum 30. April 2019 verfallene Möglichkeit, bis zum 24. Oktober 2019 vorgeschriebene Steuerzahlkarten zu verschrotten, soll verlängert werden, und zwar voraussichtlich bis Oktober 2019. Eine entsprechende Änderung hat Innenminister Salvini angekündigt, und er will einen entsprechenden Änderungsantrag im Zuge der Umwandlung der jüngsten Wachstumsverordnung einbringen.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider