Für Wiedergewinnungsarbeiten mit Beginn nach 1. November 2021 Bescheinigung über „Angemessenheit der Arbeitskraft“ für Steuerabsetzbeträge notwendig

Die Vorgeschichte: Bereits mit Verordnung Nr. 143 vom 25. Juni 2021 hat das Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik ein System zur Überprüfung der „Angemes­senheit des Arbeitsaufwandes bei der Ausführung von Bauarbeiten“ eingeführt. Damit sollen offensichtlich Lohndumping und irreguläre Arbeitsverhältnisse am Bau unterbunden werden. Die Regelung gilt seit 1. November 2021 auch für private Bauaufträge ab einem Wert von 70.000 Euro. Konkret wurde von den Bauarbeiterkassen über „Edilconnect“ ein eigenes elektronisches Prüfsystem eingeführt, mit welchem die Angemessenheit der eingesetzten Arbeitskräfte nach Mindestindizes für die einzelnen Arbeitskate­gorien kontrolliert wird. Dazu werden die vom Hauptauftragnehmer bei der Bauarbeiterkasse gemeldeten Informationen berücksichtigt, mit Schwerpunkt auf den Gesamtwert des Bauwerkes, auf den Betrag der für die Realisierung vorgesehenen Bauarbeiten sowie auf eventuelle Subunternehmen und Unterauftragnehmer. Soweit diese Mindestanforderungen erfüllt werden, wird von der zuständigen Bauarbeiterkasse eine Angemessenheitsbescheinigung über die eingesetzten Arbeitskräfte (sog. „durc di congruità del lavoro“) ausgestellt. Kann die Bauarbeiterkasse hingegen diese Ange­messenheit nicht bestätigen, weist sie den Auftragnehmer auf die Abweichungen hin und fordert ihn auf, seine Position in Ordnung zu bringen. Wird dem nicht Folge geleistet, registriert die Bauarbeiterkasse den Auftragnehmer in der nationalen Datenbank für irreguläre Unternehmen (BNI). Spezifische Verwaltungsstrafen sind nicht vorgesehen.

So weit so gut! In Beantwortung einer sog. häufigen Anfrage (FAQ) vom 15. Februar 2022 hat die gesamtstaatliche paritätische Kommission der Bauarbeiterkassen allerdings mit Verweis auf die allgemeinen Verpflichtungen im Bereich Arbeitssicherheit und Sozialabgaben erklärt, dass eine fehlende Bescheinigung Anlass für die Aberkennung der diversen Steuerabsetzbeträge für Wiedergewinnungsarbeiten im Bauwesen sein sollte.

Die Agentur der Einnahmen selbst hat zur Angelegenheit bislang nicht Stellung genommen und auch in ihrem jüngsten Rundschreiben Nr. 19/E vom 27. Mai 2022 nur am Rande auf diese Verpflichtung verwiesen, ohne allerdings auf die Auswirkungen (ggf. Aberkennung von Begünstigungen) näher einzugehen.

Trotzdem muss man zur Sicherheit empfehlen,

- für Bauarbeiten, welche Anrecht auf die diversen Steuerabsetzbeträge (50%, 65%, 110% usw.) geben und

- für welche der Baubeginn nach dem 1. November 2021 gemeldet worden ist und

- wo der Auftragswert Euro 70.000 überschritten hat,

umgehend vom beauftragten Bauunternehmen diesen „durc di congruità“ über die Angemessenheit der eingesetzten Arbeitskraft zu verlangen. Und wichtig: Die Verpflichtung zur Beibringung dieser Bescheinigung betrifft nicht nur Unternehmen, welche bei der Bauarbeiterkasse eingetragen sind, sondern auch andere Baufirmen (z. B. Generalbauunternehmer oder Unternehmer, die nur am Rande im Bauwesen tätig sind, wie z. B. Schlossereibetriebe), wenn sie im konkreten Fall (auch z. B. über Subunternehmer) Wiedergewinnungsarbeiten auf einer Baustelle durchführen, wo die Entgeltsschwelle von 70.000 Euro überschritten wird. Diese Unternehmen müssen sich dann zwar nicht eigens bei der Bauarbeiterkasse eintragen, die Kasse stellt ihnen aber trotzdem über „Edilconnect“ den entsprechenden Dienst zur Ausstellung der Bescheinigung zur Verfügung.

Anbei noch die von Edilconnect erarbeiteten Kennzahlen zur Überprüfung der Angemessenheit der Arbeitskraft, wie sie von der Bauarbeiterkasse der Provinz Bozen veröffentlicht worden sind:

Nr.
Kat.
BESCHREIBUNG Mindestanteil der Arbeitskraft
am Arbeitswert in Prozenten
01 0G1 Neuer Zivilbau, einschließlich
Anlagen und Lieferungen
14,28%
02 0G1 Neuer Industriebau, Anlagen
ausgeschlossen
5,36%
03 0G1 Umbau von Zivilbauten 22,00%
04 0G1 Umbau von Industriegebäuden,
Anlagen ausgenommen
6,69%
05 0G2 Restaurierung und Instandhaltung von denkmalgeschützten Gütern 30,00%
06 0G3 Straßenbauten, Brücken, usw. 13,77%
07 0G4 Bauwerke im Untergrund 10,82%
08 0G5 Dämme 16,07%
09 0G6 Wasser- und Abwasserleitungen 14,63%
10 0G6 Gasleitungen 13,66%
11 0G6 Ölleitungen 13,66%
12 0G6 Bewässerungsanlagen und
Abflussleitungen
12,48%
13 0G7 Seebauten 12,16%
14 0G8 Flussbauten 13,31%
15 0G9 Anlagen für die Erzeugung
elektrischer Energie
14,23%
16 0G10 Anlagen für die Umwandlung und Verteilung 5,36%
17 0G12
0G13
Bodensanierung und
Umweltschutz
16,47%

Hinweis: Angesichts der herrschenden Unsicherheiten bei den Steuerabsetzbeträgen am Bau können wir allen betroffenen Firmen nur empfehlen, im Zweifelsfall die Bescheinigung einzuholen, um im Extremfall später Schadensersatzforderungen zu vermeiden!

Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Vieider