Gesamtschuldnerische Haftung für Lohnsteuer und Mehrwertsteuer bei Werk- und Unterwerkverträgen – Rundschreiben der Agentur der Einnahmen Nr. 2/2013

Gesamtschuldnerische Haftung für Lohnsteuer und Mehrwertsteuer bei Werk- und Unterwerkverträgen – Rundschreiben der Agentur der Einnahmen Nr. 2/2013

Wie mitgeteilt, wurde mit der sog. „Aufschwungsverordnung“ (Art. 13-ter, D.L. 83/2012) im August letzten Jahres die gesamtschuldnerische Haftung im  Zusammenhang mit der Einzahlung von Lohnsteuern und Mehrwertsteuern grundlegend reformiert. Wir haben Sie insbesondere mit unserem Rundschreiben Nr. 41 vom 15. Oktober 2012 über die neuen Verpflichtungen informiert. Die Agentur der Einnahmen hat nun mit Rundschreiben Nr. 2 vom 1. März 2013 erste Anleitungen zu Umfang und Art der neuen Haftungsbestimmungen veröffentlicht.

Die gesamtschuldnerische Haftung gilt bekanntlich nur im Verhältnis zwischen Auftragnehmer und Subunternehmer; der gewerbliche Auftraggeber oder Bauherr selbst hingegen sind von der direkten solidarischen Haftung ausgenommen, unterliegen aber einer Verwaltungsstrafe zwischen 5.000 Euro und 200.000 Euro, wenn sie  Zahlungen leisten, ohne sich beim Werknehmer zuvor über die Ordnungsmäßigkeit der Steuerzahlungen im Bereich Mehrwertsteuer und Lohnsteuer informiert zu haben, oder wenn er die Zahlungen leisten, obwohl sie Kenntnis von Unregelmäßigkeiten erlangt haben.

Nachstehend die wichtigsten Erkenntnisse in dem amtlichen Rundschreiben:

 

  1. Sachlicher Anwendungsbereich:

Nach dem Wortlaut von Art. 13-ter D.L. 83/2012 (in Abänderung von Art. 35 Abs. 28 und Abs. 28-ter D.L. 223/2006) wäre die gesamtschuldnerische Haftung auf Werkverträge, Unterwerkverträge, allgemein auf Dienstleistungsverträge und schließlich sogar auf Lieferverträge („contratti di fornitura“, eine Vertragsform, die im ZGB so nicht geregelt ist) anzuwenden. Wir haben bereits mit unserem Rundschreiben Nr. 41/2012 darauf verwiesen, dass nach unserem Verständnis die solidarische Haftung nur Werk- und Unterwerkverträge im Sinne von Art. 1655 ZGB betreffen kann, auch weil das gesamte Gesetzeswerk auf andere Vertragsarten, insbesondere auf Kaufverträge, nicht anwendbar erscheint. Umgekehrt haben wir auch darauf verwiesen, dass die Verpflichtung nicht nur auf Werkverträge im  Bauwesen oder gar auf Bauunternehmer beschränkt sein kann, sondern z. B. auch Werkverträge in allen anderen Wirtschaftsbereichen, z. B. im Maschinenbau u. ä, betrifft. Leider ist diese Auslegung in den letzten Monaten nicht allgemein geteilt worden, und immer wieder wurden auch für einfache Warenlieferungen oder auch für Leistungen von Freiberuflern die einschlägigen Freistellungserklärungen verlangt, und um endlich zu ihrem Geld zu kommen, haben viele Unternehmer diese zusätzliche Bürokratie auch in Kauf genommen.

Mit dem nun vorliegenden Rundschreiben Nr. 2/2013 hat die Agentur der Einnahmen nun unsere Auslegung vom letzten Oktober bestätigt:

- Die solidarische Haftung betrifft einzig Werk- und Unterwerkverträge (Art. 1655 ZGB), allerdings nicht beschränkt auf das Bauwesen. Auch sind die Verwaltungsstrafen anzuwenden, wenn nur ein Werkvertrag ohne weitere Unterwerkverträge besteht.

- Umgekehrt sind aber Lieferverträge, Arbeitsverträge mit Freiberuflern („contratto d’opera“, Art. 2222 ZGB), Beförderungsverträge (Art. 1678 ZGB) und Unterlieferverträge ausgenommen.

- Ebenfalls bestätigt das Rundschreiben, dass die Zuweisung von Arbeiten durch ein Baukonsortium an die eigenen Mitglieder ausgenommen ist, weil sie nach geltender Rechtslage weder einen Werk- noch einen Unterwerkvertrag darstellt.

Da sicher auch in Zukunft Auftraggeber Erklärungen und Unterlagen auch bei Lieferverträgen und anderen Vereinbarungen, die der Neuerung nicht unterworfen sind, verlangen werden, legen wir unter Anlage B) das volle Rundschreiben Nr. 2/2013 der Agentur der Einnahmen bei; die Beschränkung auf Werk- und Unterwerkverträge ist auf Seite 5 geklärt.

 

  1. Subjektiver Anwendungsbereich:

Die Bestimmungen betreffen im Wesentlichen alle Unternehmen, und zwar:

- gewerbliche Auftraggeber oder Bauherren,

- Auftragnehmer und

- Subunternehmen.

Umgekehrt sind, und das wird im Rundschreiben ausdrücklich bestätigt, natürliche Personen ohne MwSt-Position  nicht betroffen. Ausgeschlossen sind auch die öffentlichen Auftraggeber (Art. 3, Abs. 33 Dlgs 163/2006), so alle öffentlichen Körperschaften und die von diesen gebildeten Konsortien sowie die Konzessionäre öffentlicher Arbeiten. Mit obigem Rundschreiben wird schließlich geklärt, dass auch die Kondominien ausgenommen sind.

 

  1. Zeitlicher Anwendungsbereich:

Die Neuerungen  gelten für Zahlungen ab dem 11. Oktober 2012, und auch das nur, soweit sie sich auf Verträge beziehen, die ab dem 12. August 2012 (Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes zum D.L. 83/2012) abgeschlossen worden sind. Mit dem Rundschreiben Nr. 2/2013 stellt die Agentur der Einnahmen nun fest, dass die solidarische Haftung auch für vor dem 12. August 2012 abgeschlossene Verträge gilt, soweit nach diesem Datum eine Vertragsverlängerung erfolgt; die Verlängerung wird zu diesem Zweck einem Neuabschluss gleichgestellt.

 

  1. Freistellungserklärungen:

Als Nachweise für die korrekten Einzahlungen von Lohnsteuer und Mehrwertsteuer gelten entweder

- beeidete Bestätigungen von Steuerbeistandszentren, Wirtschaftsprüfern, Arbeitsberatern u. ä. Sachverständigen oder

- im Sinne des Rundschreibens Nr. 40/E der Agentur der Einnahmen auch Ersatzerklärungen im Sinne von DPR 445/2000 durch den Auftragnehmer.

Diesem Rundschreiben legen wir erneut einen überarbeiteten Vordruck bei, wie er unlängst vom gesamtstaatlichen Verband der Bauunternehmer („ANCE“) ausgearbeitet worden ist. Im Rundschreiben Nr. 2/2013 wird es zudem zugelassen, dass es beim gleichzeitigen Vorliegen mehrerer Werkverträge zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer zulässig ist, periodische Ersatzerklärungen auszustellen, die dann für alle Verträge verwendet werden können.

 

  1. Vertragsabtretung

Im Rundschreiben Nr. 2/2013 geht die Agentur der Einnahmen schließlich auch auf den Fall ein, wo ein Bauunternehmen seine Forderungen aus einem Werkvertrag an Dritte abtritt. Für diesen Fall muss die Erklärung in dem Moment ausgestellt werden, in welchem dem Schuldner, also dem Auftraggeber, die erfolgte Forderungsabtretung mitgeteilt wird.

 

Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

Herunterladen R-09-04.03.12 Solidarische Haftung

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Herunterladen anlagen Rundschreiben Nr. 2 vom 1. März 2013