Mit Verordnung des Ministeriums für Wirtschaft und Finanzen vom 29. November 2023, veröffentlicht im Amtsblatt vom 11. Dezember 2023, wurde der gesetzliche Zinsfuß mit Wirkung ab 1. Jänner 2024 von bislang 5% auf 2,5% reduziert. Das Ausmaß der Veränderung ist wie im Vorjahr überraschend, wo der Zinsfuß von 1,25% auf 5% angehoben worden war.
Die Änderung hat auf mehrere zivil-, handels- und steuerrechtliche Sachverhalte sowie auf die Sozialabgaben unmittelbare Auswirkungen. Als Beispiele können angeführt werden die Zinsberechnung für die sogenannte freiwillige Berichtigung, die Verzinsung von Forderungen aus Schadenersatz und anderen Streitfällen sowie die Verzinsung der vom Mieter erteilten Kaution an den Mietherrn.
1. Schuldverhältnisse:
Soweit nicht vertraglich oder gesetzlich ein anderer Zinsfuß festgelegt ist, kommt bei Schuldverhältnissen ab 1. Jänner 2024 der gesetzliche Zinsfuß von 2,5% zur Anwendung. Dies gilt z. B. für die Verzinsung der vom Mieter hinterlegten Kaution an den Vermieter.
2. Bewertung des lebenslangen Fruchtgenussrechtes
Der lebenslängliche Fruchtgenuss wird wie folgt berechnet: Abhängig vom Alter des Fruchtnießers werden bestimmte Koeffizienten festgesetzt; multipliziert mit dem gesetzlichen Zinsfuß ergeben sie den jeweiligen Wert des Fruchtgenusses. Wir legen die neue Übersicht diesem Rundschreiben unter Anlage A) bei, wie sie mit Verordnung vom 21. Dezember 2023 (veröffentlicht im Amtsblatt vom 29. Dezember 2023) neu definiert worden ist. Um z. B. die Bemessungsgrundlage der Registersteuer bei Übertragung des nackten Eigentums einer Liegenschaft zu ermitteln, muss der volle Wert mit dem gesetzlichen Zinsfuß (ab 1. Jänner 2024 2,5%) und mit dem Koeffizienten nach Alter des Fruchtnießers multipliziert werden.
Bei einem Wert des vollen Eigentums einer Liegenschaft von z. B. 120.000 Euro und einem Fruchtnießer, der 59 Jahre alt ist, ergibt sich folgende Berechnung:
- Wert des vollen Eigentums: 120.000 Euro
- Gesetzlicher Zinsfuß: 2,5%
- Koeffizient Fruchtgenuss bei 59 Jahren: 24
Entsprechend ergibt sich ein Wert des Fruchtgenusses von 72.000 Euro (=120.000x2,5%x24), während der Wert des nackten Eigentums 48.000 Euro (120.000 abzgl. Wert Fruchtgenuss) beträgt. Im Endeffekt wurden die Koeffizienten derart geändert, dass der Fruchtgenuss trotz geänderter Zinssätze wieder die gleichen Werte hat wie zuvor.
3. Auswirkungen im Steuerbereich:
Unmittelbare Auswirkung hat die Reduzierung des gesetzlichen Zinsfußes auf die freiwilligen Berichtigungen für unterlassene, verspätete oder unzureichende Steuerzahlungen (sog. „ravvedimento operoso“), für welche ab 1. Jänner 2024 Zinsen im Ausmaß von 2,5% geschuldet sind. Bei Berichtigungen aus dem Vorjahr sind nunmehr die Zinsen aufgrund unterschiedlicher Zinssätze zu ermitteln. Wenn z. B. am 16. Dezember 2023 die MwSt-Zahlung zu gering war und im Jänner 2024 eine Nachzahlung erfolgen soll, so sind die Zinsen hierfür bis zum 31. Dezember 2023 mit 5% und ab dem 1. Jänner 2024 zum Zinsfuß von 2,5% zu ermitteln. Für vereinbarte Ratenzahlungen im Zuge von getroffenen Abfindungen von Streitverfahren bleibt hingegen im Sinne des Rundschreibens Nr. 28 vom 21. Juni 2011 der bei Abfindung mit dem Steueramt geltende Zinssatz aufrecht, d. h., im Vorjahr vereinbarte Raten müssen nicht neu berechnet werden. Ratenzahlungen für ab 1. Jänner 2024 zu treffende Abfindungen werden hingegen mit dem neuen Zinssatz von 2,5% berechnet werden, soweit nicht ausdrücklich ein anderer Zinssatz vorgesehen ist. Keine Auswirkungen hat die Erhöhung des Zinssatzes für die Ratenzahlungen auf die Ersatzsteuern bei der Aufwertung von Beteiligungen und Grundstücken, da hier der Zinsfuß für die Ratenzahlung (3%) eigens festgelegt worden ist.
Im Bereich der Einkommensteuern gilt für gewährte Darlehen ein vermuteter Zinsertrag in Höhe des gesetzlichen Zinsfußes, falls nicht schriftlich eine andere Verzinsung vorgesehen ist; diese Zinsvermutung gilt sowohl im Bereich der Kapitaleinkünfte (Art. 45 Abs. 2 EESt) als auch für die Einkünfte aus Unternehmen (Art. 89 Abs. 5 EESt). Soll eine andere Verzinsung zur Anwendung kommen, so ist hierfür eine Vereinbarung mit sicherem Datum (Einschreiben ohne Umschlag, Mitteilung über zertifizierte E-Mail-Adresse) erforderlich. Liegt keine abweichende Vereinbarung vor, gilt ab 1. Jänner 2024 die gesetzliche Verzinsung von 2,5%.
4. Auswirkungen bei Sozialabgaben:
Der auf 2,5% gesenkte gesetzliche Zinsfuß hat zudem auch Auswirkungen auf die Verwaltungsstrafen für unterlassene oder verspätete Zahlungen von Sozialabgaben, zumal in diesem Bereich die Strafen auf den gesetzlichen Zinsfuß von 2,5% (in diesem Sinne Art. 106 G. 388/2000) erhöht werden können, soweit die Vergehen auf objektive Unsicherheiten, schuldhaftes Verhalten Dritter oder auf außerordentliche Umstrukturierungen in Krisensituationen zurückzuführen sind.
Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen natürlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider
Anlage A:
Tabelle
Fruchtgenuss laut D.M. vom 21.12.2023
Alter | Koeffizient | Anteil Fruchtgenuss | Anteil nacktes Eigentum |
von 0 bis 20 | 38,00 | 95,00 | 5,00 |
von 21 bis 30 | 36,00 | 90,00 | 10,00 |
von 31 bis 40 | 34,00 | 85,00 | 15,00 |
von 41 bis 45 | 32,00 | 80,00 | 20,00 |
von 46 bis 50 | 30,00 | 75,00 | 25,00 |
von 51 bis 53 | 28,00 | 70,00 | 30,00 |
von 54 bis 56 | 26,00 | 65,00 | 35,00 |
von 57 bis 60 | 24,00 | 60,00 | 40,00 |
von 61 bis 63 | 22,00 | 55,00 | 45,00 |
von 64 bis 66 | 20,00 | 50,00 | 50,00 |
von 67 bis 69 | 18,00 | 45,00 | 55,00 |
von 70 bis 72 | 16,00 | 40,00 | 60,00 |
von 73 bis 75 | 14,00 | 35,00 | 65,00 |
von 76 bis 78 | 12,00 | 30,00 | 70,00 |
von 79 bis 82 | 10,00 | 25,00 | 75,00 |
von 83 bis 86 | 8,00 | 20,00 | 80,00 |
von 87 bis 92 | 6,00 | 15,00 | 85,00 |
von 93 bis 99 | 4,00 | 10,00 | 90,00 |