Mit diesem Rundschreiben möchten wir Sie über relevante Änderungen im Bereich der Mehrwertsteuer in den letzten Wochen informieren:

1. Mehrwertsteuerguthaben UK:

Mit Erlass vom 2. Mai 2024 hat die Agentur der Einnahmen bestätigt, dass seit 7. Februar 2024 ein Abkommen zwischen Italien und dem Vereinigten Königreich in Kraft ist, welches die gegenseitige Erstattung der Mehrwertsteuer ermöglicht. Das Abkommen war nach dem Austritt des Landes aus der EU notwendig geworden, weil die einschlägigen Erstattungsverfahren für die EU-Mitgliedsländer für das Königreich nicht mehr gelten.

Im Sinne des Abkommens ist der entsprechende Antrag ist innerhalb der üblichen Termine und damit spätestens innerhalb 30. September des Folgejahres zu stellen. Die Bestimmung ist zudem rückwirkend bis zum 1. Jänner 2021 anwendbar. Daraus folgt: Auf jeden Fall kann jetzt um die Erstattung der englischen MwSt. für das Jahr 2023 angesucht werden, die Formulierung lässt aber auch den Schluss zu, dass – obwohl die entsprechenden Fristen längst verfallen sind – auch noch für die Jahre 2021 und 2022 ein Antrag gestellt werden darf.

Hinweis: Aufgrund der aufgezeigten Rechtslage empfehlen wir, umgehend einen Erstattungsantrag für die Jahre 2021 und 2022 zu stellen; schlimmstenfalls wird er abgelehnt werden.

2. Elektronische Rechnungen bei Auslandsunternehmen:

Die Agentur der Einnahmen erlaubt es ausländischen Unternehmen mit direkter Registrierung oder Fiskalvertreter in Italien, ihren italienischen gewerblichen Kunden für in Italien steuerpflichtige Umsätze elektronische Rechnungen auszustellen.

Bekanntlich geht bei diesen B2B-Geschäften die Steuerschuld auf den Leistungsempfänger bzw. Kunden über (Reverse Charge), der zwingend die Erwerbsbesteuerung vorzunehmen hat. Der ausländische Unternehmer hat die Rechnung an den gewerblichen italienischen Kunden nicht (!) über seine italienische MwSt-Position, sondern über jene des ausländischen Mutterhauses auszustellen. In dieser ist anzuführen, dass die Steuerschuld auf den Kunden übergeht. Es darf daher nicht eine Rechnung mit italienischer MwSt ausgestellt werden.

Hier muss festgestellt werden, dass italienische Kunden in der Zwischenzeit gewohnt sind, für alle Einkäufe eben elektronische Rechnungen zu erhalten.

Und hierzu wird mit der verbindlichen Auskunft Nr. 58/2024 jetzt ein neuer Lösungsansatz aufgezeigt, um internen buchhalterischen Erfordernissen der italienischen Kunden nachzukommen. Dem in Italien für MwSt-Zwecke registrierten ausländischen Unternehmen wird es ermöglicht, elektronische Rechnungen über die SdI-Plattform anzustellen und so den Kunden zu übermitteln (B2B). Für diese Rechnungen ist aber der Code „N2.2“ (nicht steuerbar oder außerhalb des Geltungsbereiches) zu verwenden, womit angezeigt wird, dass die Rechnung nur buchhalterischen Zwecken dient. In der Rechnung ist, wie erwähnt, zu vermerken, dass die Steuerschuld auf den Kunden übergeht.

3. MwSt-Guthaben und Betriebsstätte ausländischer Unternehmen.

Ausländische Unternehmen, welche in Italien über eine Betriebsstätte verfügen, können ein etwaiges Guthaben nur im Rahmen des Veranlagungsverfahrens zurückverlangen und nicht über das Erstattungsverfahren. Dies hat die Agentur der Einnahmen mit verbindlicher Auskunft Nr. 87 vom 8. April 2024 geklärt und damit ein Urteil der Kassation (Nr. 25685/2023) bestätigt.

Die Antwort ist nicht befriedigend, weil sie nicht zwischen einer Betriebsstätte für Zwecke der Einkommensteuer und einer solchen für MwSt-Zwecke unterscheidet. Spätestens seit den Verwaltungsanweisungen rund um die EXPO im Jahr 2015 ist klar, dass eine Betriebsstätte für Einkommensteuerzwecke nicht zwangsläufig auch eine solche für die MwSt sein muss, und umgekehrt.

4. Scheingesellschaften und Vorsteuerabzug

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil C-341/22 vom 7. März 2024 (Rechtssache „Feudi di San Gregorio Aziende Agricole SpA“) das in Italien herrschende Verbot zum Vorsteuerabzug für die sogenannten nicht operativen oder ruhenden Gesellschaften als ungesetzlich erklärt, weil es den Grundsätzen der MwSt-System-Richtlinie widerspricht.

Hier zur Erinnerung die derzeit geltenden Einschränkungen für den Vorsteuerabzug bei ruhenden Gesellschaften:

- In der Jahreserklärung, in welcher der MwSt-Überhang ausgewiesen wird, darf nicht die Erstattung beantragt oder die Verrechnung mit geschuldeten Steuern vorgenommen werden; es ist also nur der Übertrag möglich.

- Werden für drei aufeinanderfolgende Jahre nicht die vorgesehenen Umsätze erzielt, kann das Guthaben auch nicht vorgetragen werden. Der Vorsteuerabzug geht praktisch verloren.

Eine derartige Regelung widerspricht laut EuGH dem Unionsrecht. Das Erkenntnis ist nicht unmittelbar umsetzbar, es bleibt aber zu hoffen, dass Italien alsbald seine Bestimmungen an dieses Erkenntnis anpasst. Inzwischen ist das Urteil sicher überall dort eine große Hilfe, wo die Finanzverwaltung in der Vergangenheit den Vorsteuerabzug oder die MwSt-Erstattung mit Verweis auf obige Bestimmungen aberkannt hat.

Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Vieider