Neue Bilanzierungsvorschriften ab dem Jahresabschluss 2016
Für den Jahresabschluss zum 31. Dezember 2016 kommen erstmals die Bestimmungen der sog. „Unions-Jahresabschlussrichtlinie“ (RL 2013/34/EU) zur Anwendung, die im Vorjahr mit D.Lgs. 139/15 ins italienische Recht übernommen worden ist. Neben einigen inzwischen vertrauten Bewertungsgrundsätzen werden auch der Aufbau von Bilanz, Gewinn- und Verlustrechnung sowie Anhang in wesentlichen Teilen geändert. Die wichtigsten Änderungen der Richtlinie sind inzwischen auch in die italienischen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (OIC) übernommen worden. Am 21. November 2016 wurde auch das überarbeitete XBRL-Format für Bilanz und Anhang veröffentlicht. Nachstehend die Änderungen im Überblick:
Anwendungsbereich:
Die neuen Bilanzierungsbestimmungen gelten für Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien und GmbHs sowie auch für Personengesellschaften, allerdings nur dann, wenn sie die vorgenannten Kapitalgesellschaften als unbeschränkt haftenden Gesellschafter haben. Die Neuerungen gelten für Geschäftsjahre mit Beginn ab dem 1. Jänner 2016.
Die Vorschriften über Abschluss und Informationspflichten werden nun besser auf die Größe der Unternehmen abgestuft. Es werden drei Größenklassen vorgesehen:
- Kleinstunternehmen (Art. 2435-ter ZGB): diese Klasse ist neu und umfasst Unternehmen, die im ersten Jahresabschluss oder für zwei aufeinanderfolgende Jahre mindestens zwei der drei folgenden Größenmerkmale nicht überschreiten: Bilanzsumme 175.000 Euro, Nettoumsatzerlöse 350.000 Euro, durchschnittliche Zahl der Beschäftigten nicht mehr als 5;
- kleine Unternehmen (Art. 2435-bis ZGB): als kleine Unternehmen gelten solche, die für im ersten Jahresabschluss oder für zwei aufeinanderfolgende Jahre zwei der drei nachfolgenden Schwellen nicht übersteigen: 50 Mitarbeiter, Bilanzsumme 4.400.000 Euro und Nettoumsatzerlöse 8.800.000 Euro.
- große Unternehmen: alle anderen Unternehmen gelten hingegen als große Unternehmen.
Kleinstunternehmen sind ab 2016 von der Abfassung nicht nur des Lageberichts, sondern auch des Anhanges befreit; in der Bilanz müssen allerdings die Haftungsverhältnisse und Eventualverbindlichkeiten (Durchgangskonten) und die Vergütungen an die Verwalter angeführt werden. Es braucht hier auch keine Kapitalflussrechnung. Im neuen XBRL-Schema sind eigene Zeilen für die vorgenannten Angaben vorgesehen. Übrigens: Diesen Kleinstunternehmen ist es offensichtlich untersagt, auch auf freiwilliger Basis noch einen Anhang zu hinterlegen!
Entsprechend wird jetzt zwischen
- ordentlichem Jahresabschluss,
- verkürztem Jahresabschluss und
- Jahresabschluss der Kleinstunternehmen unterschieden.
Änderungen an den Bewertungskriterien:
Was die Bilanzierung selbst anbelangt, so wird zunächst der Grundsatz eingeführt, dass „Substanz vor Form“ geht. Zudem wird festgehalten, was unter „wesentlich“ zu verstehen ist: Eine Information gilt dann als „wesentlich“, wenn vernünftigerweise zu erwarten ist, dass ihre Auslassung oder fehlerhafte Angabe Entscheidungen beeinflusst, die Nutzer auf der Grundlage des Abschlusses des Unternehmens treffen. Trotz dieser Grundsätze wird der Ausweis des Finanzierungsleasings in der bisherigen Form beibehalten; hier überwiegt also die Form über die Substanz. Nachstehend die wichtigsten Änderungen an den Bewertungsgrundsätzen:
- Die Aufwendungen für Werbung dürfen nicht mehr aktiviert werden.
- Kosten für die angewandte Forschung dürfen ebenfalls nicht mehr aktiviert und folglich nicht mehr über die Abschreibungen auf mehrere Jahre aufgeteilt werden.
Hinweis: Die italienische Einrichtung für die Erstellung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchhaltung hat inzwischen einen Entwurf für die Revision des Grundsatzes OIC Nr. 24 über das immaterielle Anlagevermögen veröffentlicht. Als Übergangslösung können bestimmte Kosten auf die Position „Ingangsetzung und Erweiterung“ (B.I.1) umgebucht werden, wenn diese einmalige Projekte betreffen und einen erwarteten mehrjährigen wirtschaftlichen Vorteil bringen. Die nicht aktivierbaren Aufwendungen müssen hingegen bereits in der Eröffnungsbilanz 2016 ausgebucht werden, und zwar unter Verwendung von bestehenden Rücklagen. Hier ist zu prüfen, ob diese Anpassung nicht u. U. Auswirkungen auf das notwendige Gesellschaftskapital hat!
- Die Festwertmethode ist nicht mehr zugelassen; bislang konnten Bestände an Vermögensgegenständen, die ohne große Änderungen bleiben (z. B. Endbestand an Kleinmaterialen) nach dieser Methode bewertet werden. Auch in diesem Fall soll die Eröffnungsbilanz 2016 verändert werden.
- Forderungen (OIC Nr. 15) und Verbindlichkeiten (OIC Nr. 19) sind zu ihrem aktualisierten Wert auszuweisen, sprich bei späterer Fälligkeit auf ihren Barwert abzuwerten. Die größten Auswirkungen dürfte diese neue Bewertungsvorschrift auf unverzinsliche Gesellschafterfinanzierungen haben. Die Abzinsung hat aufgrund des internen Zinsfußes (IRR) zu erfolgen.
- Entwicklungskosten sind nicht mehr generell über 5 Jahre, sondern im Verhältnis zu ihrer tatsächlichen Nutzungsdauer abzuschreiben. Nur wenn diese Zeitdauer nicht feststellbar ist, kann die bisherige Abschreibung über maximal 5 Jahre beibehalten werden.
- Der Firmenwert ist aufgrund der erwarteten Nutzungsdauer abzuschreiben; ist diese nicht feststellbar, kann der Firmenwert über maximal 10 Jahre (und nicht mehr 5 Jahre) abgeschrieben werden.
- Forderungen und Verbindlichkeiten in Auslandswährung müssen zum Wechselkurs am Bilanzstichtag ausgewiesen werden, und etwaige Kursdifferenzen sind einer nicht ausschüttbaren Rücklage zuzuweisen.
- Finanzderivate und ähnliche Finanzierungsinstrumente sind getrennt zu erfassen und zum Zeitwert („fair value“) zu bewerten.
Änderungen am Bilanzschema:
- Eigene Aktien sind nicht mehr in der Aktiva auszuweisen, sondern als Minderung des Reinvermögens, wo eine Rücklage mit negativem Vorzeichen einzuschreiben ist.
- Beteiligungen, Forderungen und Verbindlichkeiten gegenüber Gesellschaften, die von der gleichen beherrschenden Gesellschaft kontrolliert werden, sind getrennt auszuweisen. Es wird notwendig sein, den Kontenplan entsprechend zu erweitern.
- Im Reinvermögen wird eine eigene Position für die Differenzen aus der Aktualisierung von Forderungen und Verbindlichkeiten auf den Barwert vorgesehen.
- Angaben über Haftungsverhältnisse und Eventualverbindlichkeiten (die bisher in der Bilanz unter den „Ordnungskonten“ vermerkt wurden) werden aus der Vermögensübersicht gestrichten und in den Anhang verschoben.
- Finanzderivate und ähnliche Finanzierungsinstrumente aktiver oder passiver Natur sind getrennt in der Bilanz auszuweisen.
- Agio und Disagio sind nicht mehr in der Bilanz auszuweisen, begründet durch die geänderte Bewertung zukünftiger Forderungen und Verbindlichkeiten.
-Nur marginale Auswirkung hat die Änderung, dass bei den latenten Steuern nicht mehr in unter- und überjähriger Forderungen aufzugliedern ist.
Änderungen am Schema der Verlust- und Gewinnrechnung:
- Die außerordentlichen Aufwendungen und Erträge werden gestrichen. Dies hat Auswirkungen auf die Berechnung von Betriebserfolg und anderen Kennzahlen.
- Im Finanzierungsbereich sind Aufwendungen und Erträge gegenüber Gesellschaften, die von der gleichen beherrschenden Gesellschaft kontrolliert werden, getrennt auszuweisen.
- Ebenfalls im Finanzierungsbereich zu erfassen sind die Veränderungen der Finanzderivate und ähnlichen Finanzierungsinstrumente aus der Anwendung des “fair-value”-Bewertungskriteriums.
Anhang:
Zunächst muss der Aufbau des Anhangs nun zwingend entsprechend der Reihenfolge von Aktiva, Passiva und GuV gegliedert sein.
- Die GuV muss im Anhang erläutert werden. Dabei wird auf jeden Fall eine geographische Gliederung der Erlöse verlangt, auch dann, wenn sie nicht wesentlich ist.
- Die Eventualverbindlichkeiten (Ordnungskonten) sind im Detail im Anhang darzustellen.
- Eine wichtige Neuerung betrifft die Notwendigkeit, als Ergänzung zum Anhang eine Kapitalflussrechnung zu erstellen (ausgenommen bei verkürztem Jahresabschluss und Jahresabschluss der Kleinstunternehmen). Dies wurde eigentlich bereits von den seit 2014 geltenden, neuen Rechnungslegungsgrundsätzen (OIC) vorgeschrieben.
- Zuwendungen an Verwaltung und Revisoren: Es sind auch etwaige Vorschüsse anzugeben.
- Geschäfte mit verbundenen Unternehmen müssen immer angegeben werden, nicht nur, wenn sie wesentlichen Charakter haben.
- Umfassende Informationen werden auch zu den Finanzderivaten und ähnlichen Finanzierungsinstrumenten verlangt.
- Die wesentlichen Ereignisse nach dem Bilanzstichtag sind im Anhang und nicht mehr im Lagebericht anzugeben; auch der Vorschlag an die Gesellschafterversammlung über die Ergebnisverwendung ist im Anhang festzuhalten.
- In der GuV-Rechnung werden die Posten der außerordentlichen Aufwendungen und Erträge gestrichen; im nächsten Jahresabschluss müssen die etwaigen Umklassifizierungen im Anhang im Detail erläutert werden.
Konzernabschluss:
Die Schwellen für die konsolidierten Abschlüsse werden angehoben. Die Pflicht zur Aufstellung dieser Abschlüsse besteht, wenn für zwei aufeinanderfolgende Jahre zwei der drei nachstehenden Schwellen überschritten werden: Bilanzsumme 20 Mio. Euro, Nettoumsatzerlöse 40 Mio. Euro, durchschnittliche Beschäftigtenanzahl 250. Die Berechnung dieser Schwellen bleibt unverändert: man hat die Beträge der Einzelabschlüsse zu addieren, also ohne Elidierung der Innenumsätze. Die konsolidierten Abschlüsse können auch in einer anderen Sprache der europäischen Union aufgestellt werden (und nicht nur auf Italienisch). Es ist auf jeden Fall eine Kapitalflussrechnung zu erstellen.
Steuerliche Auswirkungen:
Die Umsetzung der eingangs angeführten EU-Richtlinie ist unter der Prämisse erfolgt, dass sie keinerlei Auswirkungen auf das Steueraufkommen des Staates haben darf. Dies zu erreichen, wird u. E. aber nicht möglich sein, außer man führt wieder eine zweigleisige Gewinnermittlung für Handelsrecht und Steuerrecht ein. Und genau das hat die Regierung trotz zahlreicher Proteste der Wirtschaftsverbände vor. Aber bis zur Steuererklärung ist noch etwas Zeit.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Josef Vieider
Herunterladen R-41-22-11-2016 Neue Bilanzierungsvorschriften