Italien hat mit rund 2jähriger Verspätung einschlägige EU-MwSt-Bestimmungen, die unter dem Arbeitstitel „quick fixes“ (frei übersetzt: schnelle Lösungen) laufen, mit der gesetzesvertretende Verordnung Nr. 192 vom 5. November 2021 (veröffentlicht im Amtsblatt vom 30. Nov. 2021) (nicht unbedingt schnell!) übernommen. Die Neuerungen sind seit 1. Dezember 2021 in Kraft und erfordern mittelfristig sicher einige organisatorische Umstellungen. Sie betreffen
- die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Lieferungen und Leistungen.
- die Reihengeschäfte und
- die Regelung der Konsignationslager.
Konsegnationslager werden eher selten gehalten, und über die entsprechenden Neuerungen können wir Sie auf Anfrage hin gerne informieren. Hier wollen wir uns auf die neuen Bestimmungen bei internationalen Lieferungen und Leistungen sowie auf die Reihengeschäfte beschränken.
Innergemeinschaftliche Lieferungen und Leistungen
Durch die Neuerung sind zwei neue Voraussetzungen für die MwSt-Befreiung eingeführt worden, wobei die erste bereits gängige Praxis ist, die zweite sicher einige Beachtung verdient:
- der Besitz einer MwSt-IdNr. durch den Kunden und
- die INTRA-Meldung durch den Lieferer.
Der Besitz einer MwSt-IdNr. durch den Kunden ist nun auch formalrechtliche Voraussetzung für eine steuerfreie ig Lieferung. Die IdNr. muss dem Lieferanten schriftlich mitgeteilt werden, und dieser muss über die MIAS/VIES-Datei prüfen, ob diese Identifikationsnummer auch tatsächlich gültig ist. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass innergemeinschaftliche Lieferungen ohne vorherige Überprüfung der VIES-Daten nicht mehr steuerfrei fakturiert werden dürfen. In Anlehnung an geltendes EU-Recht ist diese Vorschrift bereits in der Vergangenheit weitgehend eingehalten worden.
Aufgrund einer ersten Interpretation sollten infolge der Neuerung auch steuerfreie Lieferungen mit Montage im Sinne von Art. 41 Abs. 1 Buchst. c) GV Nr. 331/1993 an Nicht-Unternehmer nicht mehr möglich sein. Bekanntlich können italienische Unternehmer aufgrund einer Sonderregelung aus dem Jahr 1993 Lieferungen steuerfrei in andere EU-Länder durchführen, und soweit diese Güter vor Ort durch den Lieferanten selbst oder auf seine Rechnung montiert, eingebaut oder zusammengebaut werden, ist es nicht notwendig, dass der Kunde eine MwSt-IdNr. hat. Es ist demnach z. B. zulässig, eine Kücheneinrichtung steuerfrei im Sinne der vorgenannten Norm auch an eine Privatperson in ein anderes EU-Land zu liefern, wenn diese Küche vor Ort durch den Lieferanten selbst oder auf seine Rechnung eingebaut wird. Bei genauer Durchsicht der Änderung in Art. 41 Abs. 2-ter GV 331/1993 muss allerdings festgestellt werden, dass die Reform nicht den obgenannten Abs. 1 Buchst. c) betrifft. Demnach sollten u. E. auch nach Inkrafttreten der Neuerung in GvV Nr. 192/2021 solche steuerfreien Lieferungen mit Montage im Sinne von Art. 41 Abs. 1 Buchst. c) GV Nr. 331/1993 an Nicht-Unternehmer zulässig sein.
Weit größere Auswirkungen dürfte die nächste Neuerung haben: Eine korrekte Meldung der steuerfreien Lieferung in der Intra-Meldung wird als wesentliche Voraussetzung für die Steuerbefreiung eingeführt. Daraus folgt: Bei Unterlassung der Intra-Meldung wird die Steuerbefreiung der Lieferung aberkannt, ausgenommen, der Lieferer kann sein Versäumnis zur Zufriedenheit der zuständigen Behörden begründen. Der Fehler muss umgehend nach Bekanntwerden berichtigt werden. Die Steuerbehörden dürfen keinen Grund zu der Annahme haben, dass das Versäumnis Bestandteil eines Betrugskomplotts ist. Vor Inkrafttreten der GvV Nr. 192/2021 wurden fehlerhafte Intra-Meldungen nur mit Verwaltungsstrafen geahndet, der Fehler hatte aber keine Auswirkung auf die Steuerbefreiung der Lieferung selbst.
Wichtig: Zum Thema liegen bis dato keine amtlichen Anleitungen vor; es muss aber empfohlen werden, bereits für den Monat Dezember 2021, für welchen die Anforderung erstmals gilt, die Intra-Meldung mit größter Sorgfalt zu erstellen, um hier schwerwiegende Beanstandungen zu vermeiden!
Erstmalige Definition der Reihengeschäfte im italienischen MwSt-Recht
Innergemeinschaftliche Lieferungen, an welchen mehrere Parteien in unterschiedlichen Ländern beteiligt sind, mussten bislang aus italienischer Sicht immer auf ein Dreiecksgeschäft heruntergebrochen werden, und zwar derart, dass das Geschäft für MwSt-Zwecke zwischen drei Unternehmen dargestellt werden konnte.
Nun wird auch im italienischen MwSt-Recht erstmals das sog. Reihengeschäft vorgesehen, bei welchem sich nicht nur drei, sondern auch mehrere Parteien beteiligen können. Zu diesem Zweck werden die Beförderung/Versendung und entsprechend die Steuerbefreiung grundsätzlich dem Zwischenhändler (sog. „middleman“) zugeschrieben.
Die bisherige italienische Regelung der Dreiecksgeschäfte wird aber durch die neuen Reihengeschäfte nicht berührt, sprich, man kann mit den bisherigen Prozeduren fortfahren. Man tut sicher gut daran, mit organisatorischen Änderungen an eingefahrenen Abläufen die Veröffentlichung amtlicher Anleitungen zum Thema durch die Agentur der Einnahmen abzuwarten. In der Zwischenzeit ist es wichtig zu wissen, dass nun auch in Italien grundsätzlich Reihengeschäfte ohne Reduzierung der Transaktion auf ein Dreiecksgeschäft möglich sind. Das Fehlen einer solchen Gestaltung hat nämlich in der Vergangenheit insbesondere im Verhältnis zu Deutschland (wo immer „nur“ von Reihengeschäften mit „bewegten“ und „ruhenden“ Lieferungen gesprochen wird) oft für Irritierungen gesorgt!
Abschließend noch ein Hinweis zu den sog. internen Dreiecksgeschäften in Italien im Sinne von Art. 58 GV 331/1993: Auch sie werden durch die Reform nicht angetastet und können – obwohl nach vorherrschender Doktrin wohl im Widerspruch zu geltendem EU-Recht – unverändert fortgeführt werden. Zur Erinnerung: Es geht um den inländischen Hersteller A, der im Auftrag des inländischen Zwischenhändlers B direkt Gegenstände an den Kunden C in einem anderen EU-Mitgliedstaat versendet oder befördert. Die Lieferung von A an B ist im Sinne des obgenannten Art. 58 steuerfrei, vorausgesetzt, die Versendung erfolgt unmittelbar durch A oder in seinem Auftrag
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider