Neuerungen im internationalen Steuerrecht zum Jahresbeginn 2024

Kurz vor Jahresende ist in Umsetzung der Steuerreform des letzten Jahres laut G. 111/2023 auch die gesetzliche Verordnung Nr. 209/2023 veröffentlicht worden. Sie bringt grundlegende Änderungen im internationalen Steuerrecht mit sich, welche i. d. R. seit Jahresbeginn 2024 rechtswirksam sind. Hier die ersten Details:

Unbeschränkte Steuerpflicht von Gesellschaften in Italien (Art. 2 D.Lgs. 209/2023)

Bislang galten eine Kapitalgesellschaft oder eine Körperschaft als in Italien ansässig, wenn sie hier für den vorwiegenden Teil der Steuerperiode ihren Rechtssitz, ihren Verwaltungssitz oder ihren hauptsächlichen Gegenstand bzw. ihren Gesellschaftszweck hatten. Der Rechtssitz und die zeitliche Komponente (vorwiegender Teil der Steuerperiode) bleiben unverändert. Der Verwaltungssitz wird nun aber durch den „Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung“ ersetzt, und man spricht auch nicht mehr vom Ort des hauptsächlichen Gegenstands bzw. des Gesellschaftszweckes, sondern vom Ort, an welchem hauptsächlich die gewöhnliche Geschäftstätigkeit ausgeübt wird. Der Begleitbericht hält fest, dass das Vorliegen auch nur einer der drei Anforderungen die Ansässigkeit und damit die unbeschränkte Steuerpflicht in Italien bewirkt.

Im Wesentlichen handelt es sich um die gesetzliche Verankerung von Kriterien, die so in der Rechtsprechung bereits seit einiger Zeit gängig sind. Die Neuerungen gelten für das nach dem 29. Dezember 2023 beginnende Geschäftsjahr, i. d. R. also ab dem 1. Jänner 2024.

Entscheidend ist sicher die Änderung in Art. 73 Abs. 3 EESt mit Bezug auf den Ort der tatsächlichen Geschäftsleitung (place of effective management); als solcher gilt jener, an welchem fortwährend die strategischen Entscheidungen für das Unternehmen getroffen werden. Als Ort der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit gilt hingegen jener, an welchem das Management das Tagesgeschäft abwickelt.

Empfehlung: Um insbesondere der Vermutung entgegenzutreten, dass ausländische Tochtergesellschaften ihre tatsächliche Geschäftsleitung in Italien haben, kann nur empfohlen werden, nachweislich Sitzungen des Verwaltungsorgans am ausländischen Rechtssitz abzuhalten und dort über Niederschriften auch klar festzuhalten, dass die strategischen Entscheidungen vor Ort (und nicht in Italien!) getroffen worden sind. Während in den letzten Jahren Prüfungen in diesem Bereich sehr selten waren, muss angesichts der vorliegenden Neuerungen auch von einer erhöhten Sensibilität der Finanzverwaltung ausgegangen werden!

Die aufgezeigten Neuerungen gelten schließlich infolge einer Änderung von Art. 5 EESt auch für Personengesellschaften. Übrigens, die Neuformulierung bringt auch einen Schutz gegenüber der bisherigen Verwaltungspraxis: Die Kontrolltätigkeit, welche ein Gesellschafter üblicherweise über seine ausländische Tochter ausübt, ist i. d. R. nicht schädlich, und darf daher auch nicht als Anhaltspunkt für eine unbeschränkte Steuerpflicht in Italien herangezogen werden, soweit die beherrschte Gesellschaft ihre Autonomie bei operativen und strategischen Entscheidungen beibehält.

Unbeschränkte Steuerpflicht natürlicher Personen in Italien (Art. 2 D.Lgs. 209/2023)

Geändert werden auch die Bestimmungen in Art. 2 EESt über die Ansässigkeit natürlicher Personen: Bei den natürlichen Personen wird vorrangig auf die persönlichen und familiären Interessen – und nicht wie bisher auf die wirtschaftlichen - abgestellt. Die Eintragung im Melderegister der Ansässigen gilt nur mehr als Hinweis und einfache Vermutung, die widerlegt werden kann.

Die Auswirkungen sind gravierend: Nach bisheriger Verwaltungspraxis konnte ein italienischer Steuerpflichtiger mit Frau und Kindern in Italien und einem Arbeitsverhältnis im Ausland mit ziemlicher Zuversicht behaupten, nicht in Italien unbeschränkt steuerpflichtig zu sein, hatte er den Mittelpunkt seiner wirtschaftlichen Interessen doch im Ausland. Seit 1. Jänner 2024 wird eine solche Argumentation schwierig werden.

Was den Aufenthalt anbelangt, so bleibt es bei der Festlegung des Steuerwohnsitzes nach Kalenderjahren, wenn also für den vorwiegenden Teil des Jahres die vorgesehenen Voraussetzungen zutreffen. Neu ist aber, dass bei der Berechnung des vorwiegenden Teils des Jahres auch die Tagesbruchteile, also auch die angefangenen Tage zu berücksichtigen sind. Als Tage zählen also auch solche, in denen man nur für wenige Stunden in Italien verweilte bzw. die vorgesehenen Voraussetzungen zutreffen. Darauf folgt, dass bei der Berechnung der 183 Tage (184 bei Schaltjahren) in Zukunft auch Tagesbruchteile zu berücksichtigen sind.

Wichtig ist aber, dass mit der Reform nicht die in einigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) und im OECD-Musterabkommen vorgesehene Möglichkeit der Aufteilung der Steuerperiode vorgesehen ist. In Italien gilt: Oder ich bin für ein Jahr in Italien ansässig, weil für 183 Tage die anteiligen Voraussetzungen vorliegen, oder ich bin es nicht.

Diese Voraussetzungen, die für den vorwiegenden Teil des Jahres zutreffen müssen, sind nun folgende:

Wohnsitz – Es wird hier zwar der Verweis auf das Zivilgesetzbuch (Art. 43 (2) ZGB) gestrichen, die Begriffsbestimmung dürfte allerdings unverändert bleiben. Es handelt sich um den Ort, an welchem jemand aufgrund der faktischen Situation den gewöhnlichen Aufenthalt hat.

Domizil – Für den Domizil-Begriff wird nun eine eigene Definition vorgesehen. Man bezieht sich nicht mehr auf den Ort, an welchem sich laut Zivilgesetzbuch (Art. 43 (1) ZGB) der Mittelpunkt der persönlichen Beziehungen und der wirtschaftlichen Interessen befindet, sondern es erfolgt eine Eingrenzung auf die persönlichen und familiären Beziehungen.

Anwesenheit – Dieses Kriterium wurde neu vorgesehen und betrifft die physische Anwesenheit des Steuerpflichtigen auf dem Staatsgebiet. Es handelt sich um ein residuales Kriterium, zumal es dem gewöhnlichen Aufenthalt entspricht, allerdings ohne Besitz einer ständigen Wohnstätte. Dies gilt z. B. für eine Person, die von Hotel zu Hotel zieht. Dieser Ansatz ist auch in anderen Ländern vorgesehen, so z. B. in Spanien.

Umgekehrt gilt die Eintragung im Verzeichnis der ansässigen Personen für den vorwiegenden Teil des Jahres zwar immer noch als Voraussetzung für den Steuerwohnsitz, es handelt sich nun aber nur mehr um eine einfache Vermutung. Dadurch verliert auch die Eintragung in das Verzeichnis der Auslandsitaliener (AIRE) an Bedeutung. Es zählt also mehr die Substanz bzw. die tatsächliche Situation.

Die Neuerungen gelten ab 1. Jänner 2024.

Homeoffice

Entgegen allgemeinen Erwartungen enthält die Verordnung keine Regelung für das zuletzt viel diskutierte grenzüberschreitende Homeoffice: Offensichtlich will Italien hier noch eine einschlägige Richtlinie auf OECD-Ebene abwarten. Allerdings hat Italien am 28. Dezember 2023 ein Rahmenabkommen gemäß Artikel 16 der EU-Verordnung 883/2004 über soziale Sicherheit zum grenzüberschreitenden Teleworking unterzeichnet, und dieses Abkommen gibt eine Reihe nützlicher Anhaltspunkte, die zweifelsohne auch für Steuerzwecke anwendbar sein sollten.

Wenn Sie also Teleworking „über die Grenze“ betreiben, setzen Sie sich bitte mit uns in Verbindung.

Verwaltungsstrafen meldeamtlicher Wohnsitz (Art. 1 Abs. 242 HG)

Passend zu der aufgezeigten Reform der steuerlichen Ansässigkeit ist auch eine Regelung im jüngsten Haushaltsgesetz: Die Verwaltungsstrafen für die nicht korrekte Meldung werden auf 100 Euro bis 500 Euro erhöht. Bei Nichtanmeldung einer Wohnsitzverlegung ins Ausland hingegen drohen Verwaltungsstrafen zwischen 200 Euro und 1.000 Euro. Zudem wird eine Meldepflicht zu Lasten der Gemeinden an die Agentur der Einnahmen für Eintragungen und Streichungen von Staatsbürgern mit Wohnsitz im Ausland vorgesehen.

Vereinfachung Hinzurechnungsbesteuerung (Art. 3 D.Lgs. 209/2023)

Die sog. CFC-Regelungen werden wesentlich vereinfacht: Hier geht es um die Besteuerung von Tochtergesellschaften im Ausland, wenn bestimmte negative Voraussetzungen eintreten, und für die dann die erwirtschafteten Gewinne vom Anteilseigner in Italien nach dem Transparenzgrundsatz zu besteuern sind, unabhängig vom entsprechenden Zufluss. Die entsprechenden Tatbestände, die gemeinsam zutreffen müssen, sind in Stichworten:

(1) der effektive Steuersatz im Ausland beträgt weniger als 15% (bisher galten die Einschränkungen dann, wenn die ausländische Steuer weniger als 50% der Steuer betrug, welche man in Italien geschuldet hätte). Die 50%-Regelung gilt allerdings auch in Zukunft für jene ausländischen beherrschten Gesellschaften, welche dort keiner Abschlussprüfung unterliegen;

(2) die Erlöse stammen für mehr als ein Drittel aus passiven Einkünften. Der Steuerpflichtige kann aber in einem Auskunftsverfahren nachweisen, dass eine effektive Tätigkeit unter Einsatz von Personal sowie Geräten und Ausrüstung vor Ort ausgeführt wird. Diese Bestimmungen gelten unabhängig davon, ob sich der Sitz der Gesellschaft in einem Steuerparadies oder in einem anderen Land befindet.

Soweit die ausländische Gesellschaft einen geprüften Jahresabschluss hat, kann schließlich für eine Abfindungssteuer in Höhe von 15% optiert werden.

Die Neuerungen gelten für das nach dem 29. Dezember 2023 beginnende Geschäftsjahr.

Änderung bei der Zuzugsbesteuerung (Art. 5 D.Lgs. 209/2023)

Über diesen Punkt haben wir Sie bereits mit Rundschreiben Nr. 42/2023 vorab informiert, damit ggf. noch vor Jahresende Maßnahmen getroffen werden konnten: Die bisher äußerst günstigen Bestimmungen im Bereich der Zuzugsbesteuerung werden vom Anwendungsbereich her und auch in ihrem Ausmaß ab 1. Jänner 2024 eingeschränkt. Wer allerdings noch bis zum Jahresende 2023 seinen Wohnsitz nach Italien verlegt hat, kann die alten Erleichterungen beanspruchen. Hier die umgesetzten Neuerungen:

- Zunächst wird der subjektive Anwendungsbereich eingeschränkt: Die Erleichterungen gelten nur mehr für zugezogene Steuerpflichtige, die sich zuvor zumindest für drei Jahre im Ausland aufgehalten haben; bis zum Jahresende 2023 reichten bekanntlich 2 Jahre aus. Besondere Anforderungen gelten beim Zuzug im Rahmen verbundener Unternehmen. Hier sind zusätzliche, restriktive Voraussetzungen vorgesehen: Der Aufenthalt im Ausland muss zumindest sechs Jahre gedauert haben, wenn der Arbeitnehmer nicht vorher in Italien in der gleichen Unternehmensgruppe beschäftigt war; der Auslandsaufenthalt muss zumindest sieben Jahre betragen haben, war die betreffende Person bereits vorher in der gleichen Gruppe in Italien beschäftigt.

- Wer die Erleichterungen beanspruchen will, muss sich verpflichten, für mindestens vier Jahre in Italien zu verbleiben (bislang 2 Jahre).

- Die Begünstigung gilt seit 1. Jänner nur mehr für hochqualifizierte Personen; dabei kehrt man i. W. zur Rechtslage zurück, wie sie bereits bis 2019 galt: Abschluss eines zumindest dreijährigen Bachelor- oder gleichwertigen Studienganges für Berufe, die in der Istat-Klassifikation CP 2011 unter den Hauptgruppen 1 (Gesetzgeber, Führungskräfte der höheren Ebene, Unternehmer), 2 (Geistes- und naturwissenschaftliche Berufe, Berufe mit hohem Spezialisierungsgrad) und 3 (technische Berufe) genannt sind. Für die geschützten Berufe Besitz der Voraussetzungen für die Zulassung zur Ausübung des betreffenden Berufes.

- Begünstigte Einkunftsarten in Italien: Bisher waren Lohneinkünfte und diesen gleichgestellten Einkommen, Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und Einkünfte aus Einzelunternehmen begünstigt. Für Steuerpflichtige mit Zuzug ab 1. Jänner 2024 werden Einkünfte aus Einzelunternehmen ausgeschlossen, und die freiberuflichen Einkünfte sind auf solche aus einer professionellen freiberuflichen Tätigkeit beschränkt; daraus folgt, dass z. B. Einkünfte aus der Abtretung von Urheberrechten nicht mehr begünstigt sind.

- Sodann wird auch das Ausmaß der Begünstigung reduziert: Für Rückkehrer ab 01.01.2024 wird die Steuerbegünstigung von bisher 70% (nur 30% des Einkommens sind zu besteuern) auf 50% herabgesetzt; allerdings: Soweit zumindest ein minderjähriges Kind ist, kann die Bemessungsgrundlage weiterhin auf 40% gemindert werden.

- Während es bislang keine Einkommensobergrenze gab, wird für Steuerpflichtige mit Zuzug ab 1. Jänner 2024 eine Schwelle von 600.000 Euro vorgesehen; der übersteigende Teil muss voll besteuert werden.

- Die Erleichterungen konnten bislang für eine Dauer von 5 Jahren beansprucht werden mit der Möglichkeit, eine Verlängerung um weitere 5 Jahre zu beantragen. Nun gilt die Erleichterung für das Jahr des Zuzugs und die 4 Folgejahre, und es ist keine weitere Verlängerung mehr vorgesehen, allerdings mit einer Ausnahme: Personen, die den meldeamtlichen Wohnsitz 2024 nach Italien verlegen, aber bereits 2023 (!) hier eine Wohnung erworben haben, können um eine zusätzliche Verlängerung um maximal 3 Jahre ansuchen.

- Unverändert bleiben bei Freiberuflern die bereits bestehenden De-Minimis-Beschränkungen, zumal für sie die Steuerersparnis einer Beihilfe gleichgestellt wird. Daraus folgt: Die Steuerersparnis durch die Erleichterungen für die Zuzugsbesteuerung darf in diesem Fall in einem 3Jahreszeitraum die Schwelle von 300.000 Euro nicht überschreiten.

Zusammenfassend gibt es seit 1. Jänner 2024 somit parallel 3 unterschiedliche Besteuerungsverfahren für zugezogene Steuerpflichtige:

- die Besteuerung für jene, die bis zum 29. April 2019 zugezogen sind (und die spätestens innerhalb Juni 2024 um die Verlängerung ansuchen müssen);

- die Besteuerung für jene, die zwischen dem 30. April 2019 und dem 31. Dezember 2023 zugezogen sind, und

- jene mit Zuzug ab 1. Jänner 2024.

Wichtig: Arbeitgeber, welche ab 1. Jänner 2024 Mitarbeiter aufnehmen, welche obgenannte Erleichterungen beanspruchen wollen, tun gut daran, sich das Vorliegen der neuen Anforderungen vom Mitarbeiter tunlichst genau bestätigen zu lassen!

Zuzug gewerblicher Tätigkeiten (Art. 6 D.Lgs. 209/2023)

Wer eine außerhalb der EU oder des EWR ausgeübte freiberufliche oder gewerbliche Tätigkeit nach Italien „verlegt“, kann hier für das Jahr des Zuzugs und die 5 Folgejahre mit einer um 50% reduzierten Steuerbelastung rechnen. Die Begünstigung betrifft u. a. Verlegungen von Schweizer Unternehmen nach Italien.

Die Erleichterung wird übrigens widerrufen, wenn das zugezogene Unternehmen seinen Sitz innerhalb von 5 Jahren (10 Jahre bei Großunternehmen) nach Verfall der Begünstigung wiederum ins Ausland verlegt. In der Praxis wird das Unternehmen also 10 bis 15 Jahre in Italien verbleiben müssen. Ob die Erleichterung im Einzelfall wirklich ein Vorteil ist, muss auch mit den Bestimmungen über den Wegzug im jeweils anderen Land überprüft werden.

Übrigens, die Begünstigung benötigt noch die Zustimmung der EU-Kommission; diese vorausgeschickt, gelten die Neuerungen für die nach dem 29. Dezember 2023 beginnende Steuerperiode.

Mindestbesteuerung Konzerne 15% (Art. 8 – 60 D.Lgs 209/2023)

In Umsetzung des EU-Reformpakets Pillar 2, das eine Mindestbesteuerung von 15% für die Gewinne großer multinationaler Gruppen oder Unternehmen mit Umsatzerlösen von insgesamt mindestens 750 Millionen Euro vorsieht, führt auch Italien eine solche Steuer ein. Mit dieser Richtlinie will man den Wettlauf nach unten bei den Körperschaftssteuersätzen eindämmen.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Vieider