Mit Bezug auf offene Steuerzahlkarten sind im letzten Haushaltsgesetz (G. 197/2022) zwei Maßnahmen vorgesehen:
1. Zunächst ist in Art. 1, Abs. 231-251) eine Regelung enthalten, wonach in der Zeit zwischen dem 1. Jänner 2000 und dem 30. Juni 2022 dem Steuereintreiber übergebene Eintreibungsaufträge begünstigt abgefunden werden, indem die geschuldeten Steuern bzw. Beiträge vollständig bezahlt werden, während Strafen und Zinsen, auch etwaige Verzugszinsen, sowie die Einhebungsgebühren (sog. „agio“ i. d. R. zwischen 3% und 6% des Betrages) völlig erlassen werden. Die Abfindung ist damit erheblich günstiger als frühere derartige Maßnahmen, bei welchen auf Zinsen und Einhebungsgebühren nicht verzichtet worden ist.
2. Zudem ist in Art. 1 (Abs. 222 – 230) vorgesehen, dass in der Zeit vom 1. Dezember 2000 bis zum 31. Dezember 2015 überlassene Eintreibungen automatisch annulliert werden, soweit der Betrag einschließlich Zinsen, Strafen und Gebühren, die Schwelle von 1.000,00 (eintausend/00) Euro nicht übersteigt.
Für die begünstigte Abfindung muss innerhalb 30. April 2023 (Endfälligkeit dürfte wegen der Feiertage der 2. Mai 2023 sein) ein eigener Antrag gestellt werden; die Verschrottung kleiner Steuerzahlkarten hingegen sollte automatisch von Amtswegen erfolgen.
Nachstehend die Details zu den beiden Maßnahmen im Lichte der letzten Klärungen durch die Finanzverwaltung:
1. Abfindung von Steuerzahlkarten
Wie eingangs aufgezeigt, können Steuerzahlkarten, deren Eintreibung dem Steuereintreiber in der Zeit zwischen dem 1. Jänner 2000 und dem 30. Juni 2022 überlassen worden ist, begünstigt abgefunden werden. Die Maßnahme ist nicht auf Zahlkarten der Steuerämter beschränkt, sondern gilt auch für Sozialabgaben, insbesondere also für Beiträge an INPS und INAI; bei anderen Versicherungsanstalten (z. B. Enasarco und diverse Freiberuflerkassen) ist hingegen im Detail zu prüfen, ob diese innerhalb 31. Jänner 2023 der „Operation Steuerfrieden“ beigetreten sind oder nicht.
Von der Möglichkeit der begünstigten Abfindung ausdrücklich ausgenommen sind
- Zollgebühren,
- die Einfuhrmehrwertsteuer bei Importen,
- Rückforderungen von laut EU-Recht nicht zustehenden staatlichen Beihilfen,
- Rückforderungen des Rechnungshofes und
- Strafen im Zusammenhang mit der Strafgerichtsbarkeit.
Soweit Zahlkarten für Verkehrsstrafen vorliegen, müssen die verhängten Strafen voll bezahlt werden, die Zinsen und Einhebungsgebühren werden hingegen auf Antrag erlassen.
Wichtig: Voraussetzung für die Abfindung ist nicht unbedingt die erfolgte Zustellung einer Steuerzahlkarte, sondern es reicht die Übergabe der Forderung an den Steuereintreiber innerhalb 30. Juni 2022. Entsprechend tut man in Zweifelsfällen gut daran, sich rechtzeitig beim Steuereintreiber zu erkundigen, ob dort entsprechende Aufträge auf Eintreibungen vorliegen. Dies betrifft insbesondere Fälle, in welchen in der Vergangenheit Mahnbescheide zugestellt worden sind, welche „vergessen“ worden sind und für welche u. U. in den nächsten Monaten noch Steuerzahlkarten zugestellt werden könnten.
Antrag: Um in den Genuss der Begünstigung zu kommen, ist spätestens innerhalb 30. April 2023 ein eigener Antrag auf Abfindung zu stellen. Die Einnahmeagentur hat hierfür ein eigenes elektronisches Portal eröffnet, und zwar unter der nachstehenden Internetadresse:
Wie auf der Homepage ersichtlich, kann zwischen zwei Verfahren gewählt werden:
- Steuerpflichtige, welche bereits einen Zugang über SPID, CIE oder CNS haben, können über diesen reservierten Zugang unmittelbar die Steuerzahlkarten angeben, welche sie abfinden wollen;
- Steuerpflichtige ohne solchen Zugang können über das öffentliche Portal der Agentur der Einnahmen den Antrag stellen. Die dort abverlangten Daten gehen aus der Anlage A) zu diesem Rundschreiben hervor.
Wichtig: Ein Antrag in Papierform ist nicht möglich! Im Unterschied zu früheren ähnlichen Maßnahmen kann also kein schriftlicher Antrag mittels PEC oder Einschreiben an die Agentur gestellt werden.
Wer den Antrag über den reservierten Zugang verschickt, erhält eine einzige Rückmeldung der Agentur über die erfolgte Versendung des Antrages R-DA-2023.
Wer hingegen den Antrag über das öffentliche Portal stellt, erhält insgesamt 3 Rückantworten. Eine erste Antwortsmail betrifft die erfolgte Versedung des Antrages, und diese muss innerhalb von 72 Stunden bestätigt werden. Achtung: Erfolgt innerhalb genannter Frist keine Bestätigung, gilt der Antrag als annulliert und nicht gestellt! Dieser Mail folgen dann noch zwei weitere Antworten der Agentur über die Versendung des Antrages und mit der Empfangsbestätigung.
Die Auswirkungen der Antragsstellung: Bereits durch die Stellung des Antrages werden alle Vollstreckungsmaßnahmen blockiert. Zudem kann der Steuerpflichtige bei Schulden über 5.000 Euro auch umgehend wieder Zahlungen der öffentlichen Verwaltung verlangen und er gilt auch für die Ausstellung des DURC wieder als regulärer Steuer- und Beitragszahler.
Wie ersichtlich, ist im Antrag bereits anzugeben, ob man eine einmalige Zahlung wünscht oder aber für die Ratenzahlung optiert. Es kann eine Ratenzahlung in 18 Raten verlangt werden, für welche Zinsen in Höhe von 2% p.a. berechnet werden, also Zinsen, die zumindest derzeit erheblich unter den marktüblichen Finanzierungskosten liegen.
Die Annahme des Antrages: Die Agentur der Einnahmen wird innerhalb 30. Juni 2023 über die Annahme bzw. Ablehnung des Antrages entscheiden und dann die fälligen Zahlungen mitteilen.
Die Zahlung: Die Zahlung kann dann mittels einmaliger Abfindung innerhalb 31. Juli 2023 erfolgen oder in maximal 18 Raten, wobei die ersten beiden Raten in Höhe von jeweils 10% der Steuerschuld innerhalb 31.07.23 und 30.11.23 und die weiteren 16 Raten mit gleichbleibenden Beträgen jeweils innerhalb 28.02., 31.05., 31.07. und 30.11. in den Jahren 2024 bis 2027 zu entrichten sind.
Noch ein Hinweis: Soweit mehrere Steuerzahlkarten abgefunden werden, ist es auch möglich, mehrere Anträge zu unterschiedlichen Zeiten, immer innerhalb 30. April 2023, zu stellen.
2. Verschrottung Steuerzahlkarten bis zu 1.000 Euro:
Getrennt zu sehen ist die Verschrottung von Steuerzahlkarten bis zu 1.000 Euro. Achtung: Der Grenzwert ist aus der Summe von Kapital, Zinsen, Strafen und Einhebungsgebühren zu sehen. Einzelne Steuerzahlkarten, welche dem Steuereintreiber in der Zeit vom 1. Dezember 2000 bis zum 31. Dezember 2015 überlassen worden sind und obige Schwelle von 1.000 Euro nicht übersteige, werden innerhalb 31. März 2023 automatisch „verschrottet“. Entsprechend wird die Eintreibung dieser Steuerzahlkarten in der Zeit vom 1. Jänner 2023 bis zum 31. März 2023 ausgesetzt.
Wichtig: Die Aufhebung dieser Steuerzahlkarten erfolgt von Amtswegen durch die Agentur für die Steuereinnahmen, und es ist daher kein formeller Antrag durch den Schuldner notwendig!
Die Verschrottung gilt grundsätzlich für Steuern und Sozialabgaben. Einschränkend muss darauf hingewiesen werden, dass die Gläubigerkörperschaften innerhalb 31. Jänner 2023 entscheiden konnten, sich an dieser Aktion zu beteiligen. Wie aus der Presse zu erfahren war, hat sich zumindest die Autonome Provinz Bozen bereits gegen den Nachlass ausgesprochen.
Von der Verschrottung ausgenommen sind wie in der Vergangenheit Rückforderungen von Staatsbeihilfen, Forderungen des Rechnungshofes, EU-Beihilfen, die MwSt auf Importe und Verkehrsstrafen.
Im Detail wird es sicher viele Grenzfälle geben, wo es bis zuletzt unklar bleiben wird, ob die Zahlkarte nun annulliert wird oder nicht und ob ggf. ein Antrag auf begünstigte Abfindung gestellt werden, um zumindest Zinsen, Strafen und Einhebungsgebühren vermeiden zu können.
Hierzu folgende Empfehlung: Zumal die Annullierung innerhalb 31. März 2023 erfolgen muss, sollte im Extremfall anfangs April geprüft werden, ob die Verschrottung auch tatsächlich erfolgt ist. Wenn nicht, bleibt immer noch Zeit bis zum 30. April 2023, den eingangs aufgezeigten Antrag auf Abfindung zu stellen.
Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider