Rundschreiben Nr. 31/2019
Bozen, den 21. August 2019
Mit Verordnung Nr. 660057 vom 31. Juli 2019 hat die Agentur der Einnahmen die notwendigen Durchführungsbestimmungen für den mit der sog. Wachstumsverordnung eingeführten Rabatt bei energetischen Sanierungen und für die neue Abtretung von Steuerguthaben bei Wiedergewinnungsarbeiten erlassen. Für beide Begünstigungen wurde ein einheitlicher Meldevordruck festgelegt, den wir diesem Schreiben nebst Anleitungen beilegen.
1. Rabatt bei energetischen Sanierungen (LG 296/2006, Art. 1, Abs. 344, 345, 346 u. 347)
Es hat in den letzten Jahren wohl kaum eine Steuererleichterung gegeben, die von den Steuerpflichtigen mit so viel Missfallen aufgenommen worden ist, wie der Nachlass bei energetischen Sanierungen. Zur Erinnerung: Die sog. „Wachstumsverordnung“ (Art. 10 G.V. 34/2019) sieht vor, dass der Bauherr im Zusammenhang mit dem Steuerbonus für die energetischen Sanierungen und Baumaßnahmen zur Erdbebensicherung (Abzug im Ausmaß von 65%, 70% bzw. 80%, 75% oder 85%) dafür optieren kann,
- den Steuerbonus nicht selbst über 10 Jahre in seiner Steuererklärung geltend zu machen, sondern unmittelbar vom Lieferanten oder Bauunternehmen einen Nachlass in gleicher Höhe zu verlangen.
Das Bauunternehmen erhält dann seinerseits für den gewährten Nachlass ein Steuerguthaben, das in 5 gleichen Raten über fünf Jahre verrechnet werden kann. Der Nachlass erscheint immer dann von großem Vorteil, wenn der Steuerabsetzbetrag mangels eigener Steuerschulden nicht oder nur teilweise beansprucht werden kann. In der Tat enthält die Bestimmung keine Regelung für den Fall, dass der Bauherr u. U. gar keine eigene Steuerschuld hat und nach den bisherigen Regelungen daher die Erleichterung nicht hätte beanspruchen können.
So vorteilhaft die Neuerung für Bauherren sein mag, für mittelständische Handwerker und Bauunternehmer ist sie fatal, zwingt sie diese doch, solche Steuergutschriften über 5 Jahre vorzufinanzieren, und dies in einer Phase, wo nicht zuletzt aufgrund der restriktiven Finanzpolitik der Banken diese Unternehmen ohnehin bereits unter einem chronischen Liquiditätsmangel leiden. Das Umwandlungsgesetz zur obgenannten Eilverordnung Nr. 34/2019 ist bekanntlich mit 1. Juli 2019 in Kraft getreten, und firstgerecht hat die Agentur der Einnahmen mit Verordnung Nr. 660057 vom 31. Juli 2019 innerhalb der vorgesehenen Frist von 30 Tagen auch die notwendigen Durchführungsbestimmungen erlassen, so dass die Begünstigung jetzt voll angewandt werden kann. Wir legen die Durchführungsbestimmungen diesem Rundschreiben bei. Nachstehend die wichtigsten Schritte im Lichte der neuen Einleitungen:
1. Der Bauherr hat die Möglichkeit, anstelle der Steuerabsetzbeträge für energetische Sanierungen einen Nachlass in gleicher Höhe von seinem Lieferanten bzw. vom Bauunternehmer zu verlangen. Die Option steht unseres Erachtens für ab 1. August 2019 fakturierte und bezahlte Lieferungen und Leistungen zu.
2. Für die Option ist eine eigene Mitteilung an die Agentur der Einnahmen notwendig, und zwar entweder
- unmittelbar über die Homepage der Agentur der Einnahmen oder
- mittels des unter Anlage B) beiliegenden Vordrucks.
Die Option kann frühestens ab 16. Oktober 2019 getroffen werden, und ist auf jeden Fall nach Zahlung der entsprechenden Aufwendungen zu verschicken. Letzter Termin für die Abgabe für Aufwendungen des Jahres 2019 ist der 28. Februar 2020; später abgegebene Meldungen sind wirkungslos. In der Regel wird aber eine frühere Option angebracht sein, denn dem Bauunternehmen ist die Verrechnung des Steuerguthabens erst ab dem 10. des Folgemonats nach Abgabe der Meldung erlaubt. Wird die Option also erst am 28. Februar 2020 versandt, darf mit der Verrechnung erst am 10. März 2020 begonnen werden.
Die Option ist durch jenen Steuerpflichtigen zu tätigen, der Anrecht auf den Absetzbetrag hat; bei Arbeiten auf Gemeinschaftsanteilen von Kondominien muss der Kondominiumsverwalter die Option zu tätigen.
3. Der Bauherr teilt mit dem Meldeformular auch bereits die Zustimmung des Lieferanten oder Bauunternehmers zur Nachlassgewährung mit, ohne dass dort aber eine ausdrückliche Bestätigung durch letztere verlangt würde. Bauherr oder Lieferant können den gewährten Nachlass in 5 gleichen Jahresraten über den Vordruck F24 verrechnen. Wird also ein Nachlass von 50.000 Euro gewährt, können über 5 Jahre jeweils jährlich 10.000 Euro verrechnet werden. Soweit die Steuerschulden nicht ausreichen, können Überhänge auf das nächste Jahr vorgetragen werden. Wichtig: Eine Erstattung im Sinne einer Rückzahlung an den Bauunternehmer ist nicht möglich. Bevor Lieferant oder Bauunternehmer die Verrechnung vornehmen, sind sie nach den vorliegenden Anleitungen verpflichtet, über Entratel oder Fiscoonline die erfolgte Abtretung gegenüber der Agentur der Einnahmen zu bestätigen.
Der Nachlass muss genau dem innerhalb 31. Dezember auf Zahlungen zustehenden Steuerabsetzbetrag entsprechen. Soweit mehrere Lieferanten/Handwerker für die Arbeit tätig sind, ist der Absetzbetrag auf die Lieferanten aufzuteilen. Die Obergrenze von 700.000 Euro für Verrechnungen von Steuerguthaben über den Vordruck F24 wird für diese Begünstigung aufgehoben.
4. Dem Bauunternehmen ist es gestattet, das Steuerguthaben an seine Lieferanten abzutreten. Allerdings ist nur eine Abtretung gestattet. Eine Abtretung an Banken oder Versicherungen ist nicht gestattet.
5. Der Nachlass mindert nicht die Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer. Die Fakturierung soll am nachstehenden Beispiel verdeutlicht werden. Es wird eine energetische Sanierung mit einem Entgelt von 50.000 Euro durchgeführt, zuzüglich Mehrwertsteuer 10%. Der Steuerabsetzbetrag von 65% beträgt 35.750 Euro (65% von 55.000 Euro). Die Rechnung ist wie folgt auszustellen:
Entgelt: | Euro | 50.000,00 |
MwSt 10% | Euro | 5.000,00 |
Summe | Euro | 55.000,00 |
Nachlass 65% | Euro | 35.750,00 |
Zu zahlender Betrag | Euro | 19.250,00 |
Übrigens: Der Restbetrag muss nach den üblichen Zahlungsvorschriften für die energetischen Sanierungen entrichtet werden, d. h., es müssen Bankoder Postüberweisungen unter Angabe des Zahlungsgrundes und der Steuernummer durchgeführt werden, und auf die Restzahlung muss die Bank auch den üblichen Steuereinbehalt von 8% tätigen.
Wichtig: Der Nachlass muss ausdrücklich in der Rechnung ausgewiesen werden und kann anscheinend nicht über eine spätere Gutschrift (evtl. nach Vorlage der Meldung an die Agentur der Einnahmen) zuerkannt werden.
6. Die Option für den Nachlass ist nicht auf natürliche Personen beschränkt; sie kann auch von Unternehmen ausgeübt werden. Nach dem Wortlaut der Durchführungsbestimmungen müssen sie in diesem Fall aber den Saldobetrag nach den Bestimmungen der natürlichen Personen zahlen.
Wichtig: Sollte der Steuerabsetzbetrag nicht oder nicht im mitgeteilten Ausmaße zustehen, so haftet hierfür gegenüber der Agentur der Einnahmen nur der Bauherr, und er wird Nachzahlungen sowie Zinsen und Strafen schulden. Der Bauherr haftet nur für ungerechtfertigte Verrechnungen im Vordruck F24; hier wird also eine penible Kontrolle des Steuerkontos notwendig sein. Ein Trost: Im Sinne der Durchführungsbestimmungen sollte das System einen Vordruck F24 mit überzogener Verrechnung automatisch annullieren.
Unsere Empfehlungen:
- Soweit es der Wettbewerb zulässt, empfehlen wir, den Rabatt nicht zu gewähren, zumal er zu einer übermäßigen finanziellen Belastung des Unternehmens führt.
- Will man dem Kunden den Nachlass aber zugestehen, so sollte zumindest verlangt werden, dass die aufgezeigte Option an die Agentur der Einnahmen frühest möglich verschickt wird, damit die Rechtssicherheit gegeben ist, dass die Meldung gemacht worden ist, und weiter, damit man umgehend mit der Verrechnung des Steuerguthabens beginnen kann.
Auf jeden Fall empfehlen wir Ihnen, sich mit unserem Büro in Verbindung zu setzen, damit gemeinsam eine bestmögliche Absicherung des Unternehmens gesucht werden kann.
2. Abtretung von Steuerguthaben bei Wiedergewinnungsarbeiten (Art. 16-bis, Abs. 1 Buchst. h DPR 917/86)
Steuerpflichtige, welche Wiedergewinnungsarbeiten auf Wohngebäuden durchführen, die auch zu einer Energieeinsparung führen, können seit 1. Mai 2019 im Sinne der Wachstumsverordnung die entsprechenden Steuergutschriften von 50% ohne besondere Voraussetzungen dem Lieferanten oder Bauunternehmen abtreten. Sachlich handelt es sich um die Baumaßnahmen im Sinne von Art. 16-bis Abs. 1 Buchst. h DPR 917/1986, also i. W. um Baueingriffe, welche nach den geltenden Bestimmungen seit 1. Jänner 2018 zur ENEA-Meldung verpflichten. Wir verweisen zu diesem Zweck auf unser Rundschreiben Nr. 42/2018. Im Wesentlichen handelt es sich um
- Arbeiten zum Austausch von Fenstern und Türen;
- Arbeiten auf der Baustruktur, die eine Energieeinsparung bewirken, wie Austausch von Wänden, Isolierungsmaßnahmen usw. und
- der Einbau von Anlagen zur Energieeinsparung, insbesondere also für Solaranlagen.
Die Meldung der Abtretung hat durch den Bauherren über die Homepage der Agentur der Einnahmen oder anhand des beiliegenden Vordrucks zu erfolgen.
Das erwerbende Bauunternehmen hat – wie beim obgenannten Rabatt – die Möglichkeit, das so erworbene Steuerguthaben ein weiteres Mal an die eigenen Lieferanten abzutreten. In keinem Fall ist eine Abtretung an Banken, Versicherungen oder andere Finanzierungsunternehmen zulässig.
Die Abtretung hat ebenfalls innerhalb 28. Februar des Folgejahres zu erfolgen. Der Erwerber kann das Steuerguthaben ab 20. März des Folgejahres verwenden, muss in diesem Fall aber eine Verrechnung in 10 gleichen Jahresraten vornehmen. Wichtig: Damit die Verrechnung möglich ist, muss das erwerbende Unternehmen auch hier ausdrücklich (nach unseren Erkenntnissen mittels Entratel oder Fiscoonline) der Abtretung zustimmen.
Empfehlung: Soweit es der Markt zulässt, sollte auch von dieser Begünstigung aus Unternehmersicht Abstand genommen werden; die Auswirkungen auf die Liquidität sind noch gravierender, zumal eine Verrechnung nur über 10 Jahre erlaubt wird.
Allgemein darf die Hoffnung noch nicht aufgegeben werden, dass spätestens mit dem Haushaltsgesetz für 2020 eine Überarbeitung der beiden Steuerbegünstigungen erfolgt, zumal inzwischen die gravierenden Auswirkungen auf die Liquidität der betroffenen Unternehmen allgemein bekannt sein dürfen. Auch unter diesem Aspekt sollte vor einer voreiligen Anwendung der beiden Erleichterungen Abstand genommen werden.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass eigene Bestimmungen die Abtretung des Steuerguthabens oder die Gewährung eines entsprechenden Nachlasses auch für Erdbebensicherungsarbeiten vorsehen; sollten Sie hierüber nähere Informationen benötigen, setzen Sie sich bitte mit unserem Büro direkt in Verbindung.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider