Mit dem Geschäftsjahr 2024 tritt der neue Rechnungslegungsgrundsatz OIC 34 in Kraft, der die buchhalterische Erfassung der Erlöse regeln soll. Der neue Grundsatz ist im April 2023 vom OIC endgültig genehmigt worden und wird für das Geschäftsjahr 2024 erstmals verbindlich. Wesentlich ist, dass aus Verträgen mit Kunden hervorgehende „separate Leistungsverpflichtungen“ (z. B. Lieferung eines Gerätes mit zukünftiger Wartungsverpflichtung) getrennt zu identifizieren, ertragsmäßig zu erfassen und periodengerecht zuzuordnen sind. Die entsprechenden Vorschriften waren bisher verstreut in OIC 15 und OIC 23 enthalten. Der Rechnungslegungsstandard OIC 34 findet auf alle Erlöse aus dem Verkauf von Waren und Dienstleistungen, unabhängig von ihrem Ausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung (Position A1- Umsatzerlöse und A5 – Sonstige betriebliche Erlöse) Anwendung.
Wichtig: Keine Änderungen entstehen mit Bezug auf die Bilanzierung von unfertigen Leistungen, da der Rechnungslegungsstandard OIC23 in diesen Fällen weiterhin anwendbar ist. Ebenso findet der neue OIC34 für Erlöse aus der Veräußerung von Unternehmen, auf Mieteinnahmen, auf Gewinnzuweisungen und andere Rechtsgeschäfte, sofern diese nicht auf einen Verkauf von Gütern und Leistungen abzielen, keine Anwendung.
Die neuen Grundsätze werden erstmals für den Jahresabschluss zum 31.12.2024 zu beachten sein; es wird aber in vielen Fällen notwendig sein, Geschäftsgebarung, allgemeine Vertragsbedingungen und Vorlagen für Handelsverträge ab 1. Jänner 2024 an die neuen Leitlinien anzupassen. In Anlehnung an den internationalen Standard IFRS15 geht der Grundsatz von einem „5-Phasen-Modell“ aus. Hier die Details:
1. Phase: Zusammenfassung von Verträgen:
Eine Gruppe von Verträgen wird als ein einziger Vertrag behandelt, wenn sie gleichzeitig mit demselben Kunden ausgehandelt werden und einen einzigen Geschäftszweck verfolgen oder wenn der Preis eines Vertrags von den Preisen oder der Leistung der anderen abhängt. Sind diese Voraussetzungen gegeben, muss die Gruppe von Verträgen wie ein einziger Vertrag behandelt werden.
2. Phase: Bestimmung des gesamten Transaktionspreises:
Enthält der Preis variable Bestandteile, so ist es notwendig, die Bewertung dieser variablen Bestandteile vorzunehme, und zwar:
- zusätzliche Einnahmen (variable Aufschläge) werden nur dann in den Gesamtpreis einbezogen, wenn sie hinreichend sicher sind;
- Komponenten zur Minderung der Erlöse wie Preisnachlässe, Skonti bei Sofortzahlung, Rabatte, Vertragsstrafen, Prämien und Rücknahmeverpflichtungen sind immer als Verringerung der Einnahmen auf der Grundlage von Erfahrungswerten des Unternehmens zu verbuchen.
Wichtig: Werden Zahlungsfristen von mehr als 12 Monaten ohne Zinsvereinbarung oder mit Zinsen gewährt, die erheblich vom marktüblichen Zinssatz abweichen, so ist der Gesamtpreis unter Berücksichtigung der Abzinsung der Zahlungsströme zum marktüblichen Zinssatz zu ermitteln.
Übrigens: Während in den letzten Jahren sog. Kassenskonti als Finanzierungsaufwendungen in der GuV ausgewiesen worden sind, werden diese in Zukunft wiederum als ertragsmindernd unter A.1 der GuV einzuschreiben sein.
3. Phase: Identifizierung und Bestimmung von eigenständigen Leistungsverpflichtungen:
Ein Liefer- oder Dienstleistungsvertrag kann mehrere eigenständige Leistungsverpflichtungen enthalten, die getrennt erfasst werden müssen. Dies betrifft insbesondere Wartungsleistungen, Reparaturzusagen, Rücknahmeverpflichtungen usw.; eine Aufteilung in die einzelnen Bestandteile kann hingegen unterlassen werden, wenn:
- die einzelnen Güter oder Dienstleistungen voneinander abhängig sind (mit anderen Worten, wenn die einzelnen Güter oder Dienstleistungen vom Kunden nicht getrennt genutzt werden können);
- eine oder mehrere Dienstleistungen, die Gegenstand des Vertrags sind, nicht zu den charakteristischen Tätigkeiten des Unternehmens gehören und unentgeltlich erbracht werden (Premiumgeschäfte);
- es sich um einen Verkauf einschließlich Gewährleistungsgarantiehandelt, wobei diese nicht von den verkauften Waren getrennt werden kann. Im Falle des Verkaufs von Waren mit einer Gewährleistungsgarantie müssen daher die Einnahmen in dem Moment erfasst werden, in dem die Risiken und Chancen im Wesentlichen auf den Kunden übertragen werden. Gleichzeitig ist eine Gewährleistungsrückstellung in Höhe der geschätzten Kosten für einen eventuellen Ersatz und/oder eine Reparatur zu bilden. Alle anderen gewährten Garantien sind dagegen separat zu bilanzieren und als gesonderte Einnahmen zu erfassen.
Beispiel: Wird eine Maschine mit einem Wartungsvertrag oder mit einer Einschulungsverpflichtung verkauft, so sind diese Leistungsverpflichtungen getrennt zu erfassen. Nur die gesetzlich vorgeschriebenen Garantieleistungen sind diesbezüglich nicht als separate Verpflichtungen zu erheben.
4. Phase: Aufteilung des Transaktionspreises auf die Leistungsverpflichtungen:
Wird unter Phase 3 eine Aufteilung in eigenständige Leistungsverpflichtungen vorgenommen, so muss in der Folge der Gesamtpreis den einzelnen Leistungsverpflichtungen anteilig zugeordnet werden. Die Verkaufspreise sind abzüglich der üblicherweise angewandten Rabatte, die vertraglich vereinbart sind, zu berücksichtigen.
Im Klartext: Wird eine Maschine mit Wartungsvertrag zu einem einheitlichen Preis verkauft und wird darauf ein Nachlass von 10% gewährt, so müssen Verkaufspreis und Entgelt für den (u. U. mehrjährigen Wartungsvertrag) getrennt jeweils um 10% reduziert werden.
5. Phase: Periodengerechte Erfassung:
In der 5. Phase muss der so auf Leistungsverpflichtungen aufgeteilte Preis periodengerecht zugeordnet werden, wobei naturgemäß erhebliche Unterschiede zwischen Lieferungen und Leistungen eintreten.
Beispiel: Das folgende Beispiel, welches im OIC 34 selbst so dargestellt wird, soll die Auswirkungen aufzeigen.
Eine Maschine wird mit einem 2jährigen „kostenlosen“ Wartungsvertrag um 110 verkauft. Der Listenpreis für die Maschine beträgt im Normalfall 100 und jener für die 2jährige Wartung 20.
Offensichtlich liegen 2 getrennte Leistungsverpflichtungen vor: die Lieferung der Maschine und die Wartungsleistung, welche getrennt zu erfassen sind. Der Gesamtpreis (110) ist auf die getrennten Leistungsverpflichtungen im Verhältnis aufzuteilen, und zwar 91,67 für die Maschine und 18,33 für die 2jährige Wartung. Es ergibt sich eine zeitlich unterschiedliche Erfassung der Erlöse: Für die Maschine hat man auf die Übergabe abzustellen, die Erlöse für die Instandhaltung sind hingegen periodengerecht den zwei Folgejahren zuzurechnen. Die anteiligen Erlöse für die Instandhaltung sind als transitorische Passiva abzugrenzen und entsprechend aufzuschieben.
Auswirkungen:
In der Praxis ergeben sich die größten Abweichungen im Vergleich zur heutigen Regelung in den nachstehenden Fällen:
- bei Lieferungen mit Garantieleistungen, die über die gesetzlichen Garantien hinausgehen, sind getrennt zu erfassen und abzugrenzen;
- bei Lieferungen mit Rücknahmeverpflichtungen;
- bei Prämiengeschäften;
- bei Veräußerungen von Lizenzrechten;
- bei Lieferungen und Leistungen im Namen und/oder auf Rechnung Dritter und
- bei Lieferungen mit verzögerter Übergabe.
Vereinfachungen für Kleinunternehmen:
Kleinunternehmen, die den Jahresabschluss in verkürzter Form oder in Form der sog. Mikrobilanz erstellen dürfen, können folgende Vereinfachungen beanspruchen:
- Verzicht auf die Abzinsung von Forderungen und Erlösen, auf bei Zahlungszeilen von mehr als 12 Monaten ohne Zinszahlung oder unter Ansatz von Zinssätzen, die erheblich von den marktüblichen Zinsen abweichen;
- Verzicht auf die Aufteilung des Gesamtpreises auf Leistungsverpflichtungen, sofern eine solche Trennung nur unwesentliche Auswirkungen hätte;
- vereinfachte Verbuchung von Verkäufen mit Rückgaberecht, wobei vermieden wird, dass die verkauften Waren, die voraussichtlich zurückgegeben werden, in den Lagerbestand wieder aufgenommen werden müssen.
Wichtig: Werden diese Erleichterungen in Anspruch genommen, so muss dies im Anhang zum Jahresabschluss vermerkt werden.
Empfehlung: Soweit die Erleichterungen aufgrund der Größe des Unternehmens nicht zustehen, wird zu prüfen sein, ob ab 1. Jänner 2024 die allgemeinen Vertragsbedingungen oder die üblich verwendeten Verträge anzupassen sind, um den hier aufgezeigten Trennungen gerecht werden zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider