Reform der Veraltungsstrafen

Reform der Veraltungsstrafen

Wir haben mit unserem Rundschreiben Nr. 7/2016 darüber berichtet: Nicht wie ursprünglich erst ab 2017 in D.Lgs. Nr. 158/2015 vorgesehen, sondern bereits ab 1. Jänner 2016 werden die Verwaltungsstrafen für steuerliche Vergehen erheblich reduziert.

Im Herbst letzten Jahres ist eine Reform der Verwaltungsstrafen und der Finanzstrafvergehen erlassen worden (Dlgs Nr. 158 vom 24. September 2015). Die Verordnung ist mit Bezug auf die Neuordnung der Finanzstrafvergehen sofort in Kraft getreten (22. Oktober 2015), für die Verwaltungsstrafen sollte sie allerdings erst mit 1. Jänner 2017 in Kraft treten. Mit dem Stabilitätsgesetz 2016 (Art. 1 Abs. 133, Ges. Nr. 208/2015) wurde die zeitliche Regelung jedoch geändert: Die für die Verwaltungsstrafen vorgesehenen Neuerungen treten bereits mit 1. Jänner 2016 in Kraft; davon ausgenommen sind lediglich die Verwaltungsstrafen im Zusammenhang mit der Selbstanzeige, für welche weiterhin die bisherigen Bestimmungen aufrecht bleiben.

 

 

Die Erleichterungen betreffen unter anderem herabgesetzte Verwaltungsstrafen für Fehler bei Anwendung des Reverse-Charge-Verfahrens, die Halbierung der Verwaltungsstrafen für verspätete Zahlungen innerhalb von 90 Tagen oder die Strafen bei fehlerhafter zeitlicher Zurechnung von Erlösen und Aufwendungen. Die größten Auswirkungen hat die Neuerung auf die freiwilligen Berichtigungen im Falle verspäteter Zahlungen innerhalb von 90 Tagen, da die entsprechende Mindeststrafe von bislang 30% auf 15% halbiert worden ist. Nachstehend die neuen Strafen, welche bei Nachzahlungen neben den gesetzlichen Zinsen (0,2% ab 1. Jänner 2016) zu entrichten sind:

- Verspätungen bis zu 14 Tagen: 0,1% je Tag (=1/15 von 1/10 der Mindeststrafe),

- Verspätungen bis zu 30 Tagen: 1,5% (1/10 der Mindeststrafe),

- Verspätungen bis zu 90 Tagen: 1,67% (1/9 der Mindeststrafe).

  • ab dem 90. Tag bis zur Abgabefrist der Steuererklärung des Folgejahres 3,75 Prozent.

Zusätzlich zu berücksichtigen sind die Verzugszinsen in Höhe des gesetzlichen Zinsfußes. Dieser ist bekanntlich ab 1. Jänner 2016 auf 0,2 Prozent herabgesetzt worden. Die Zinsen sind dabei immer in dem zum betreffenden Zeitpunkt geltenden Ausmaß zu berechnen (Pro Rata Temporis).

Weitere Änderungen und Verminderungen – Die Neuerungen bei der MwSt betreffen unter anderem die sogenannten Absichtserklärungen. Während bislang bei einem steuerfreien Umsatz ohne Absichtserklärung die Verwaltungsstrafe zulasten des Lieferanten 100 Prozent der Steuer betrug, wird diese nun auf 250 Euro herabgesetzt (vorbehaltlich Betrugsfälle). Eine ähnliche Verminderung wie bei den ungetreuen Erklärungen wird für die unterlassene oder fehlerhafte Fakturierung und für die entsprechenden Aufzeichnungen vorgesehen: Die Verwaltungsstrafe von 100 Prozent wird auf 90 Prozent herabgesetzt. Wenn die verspätete Fakturierung oder Aufzeichnung keine Auswirkung auf die periodische MwSt-Abrechnung hat, beträgt die Verwaltungsstrafe nur mehr 250 Euro.

Es geht nun darum, dass im konkreten Fall die verminderten Verwaltungsstrafen zugunsten des Steuerpflichtigen auch angewendet werden. Für die ab 2016 ausgestellten Festsetzungsbescheide und die Verwaltungsstrafen-Bescheide werden die Steuerämter jedenfalls die Neuerungen automatisch übernehmen (die interne Software wurde angepasst). Problematischer ist die Sache bei den Ende 2015 ausgestellten Bescheiden und bei den Bescheiden, für welche ein Streitverfahren anhängig ist. Für die endgültigen Bescheide, weil kein Einspruch erhoben wurde oder weil der Einspruch abgelehnt wurde, oder weil der Bescheid angenommen und abgefunden wurde (mit Verminderung der Verwaltungsstrafe auf ein Sechstel), ist hingegen die Sache gelaufen. Die Strafe bleibt in der ursprünglichen Höhe geschuldet, und die Differenz kann nicht zurückverlangt werden.

Für die noch nicht endgültigen Bescheide bzw. die noch offenen Fälle ist, je nach Stand und angewandtem Verfahren, zu unterscheiden. Es empfiehlt sich auch, die Angelegenheit mit dem Steueramt abzustimmen. Wenn eine Abfindung mit Zustimmung angestrebt wird (Verminderung noch auf ein Sechstel für die bis Ende 2015 zugestellten Bescheide), sollte man eine Neuberechnung der Verwaltungsstrafen beantragen. Dies kann formlos oder durch einen Antrag auf Selbstschutz erfolgen. Es sind allerdings die Fristen zu beachten, weil die 60-Tage-Frist durch den Selbstschutz nicht ausgesetzt wird. Bei einer einvernehmlichen Steuerfestsetzung (accertamento con adesione) kann die verminderte Strafe im Zuge der Vergleichsverhandlung neu berechnet werden.

Ähnliche Lösungen lassen sich auch bei gerichtlichen Vergleichen finden. Im Falle von anhängenden Streitverfahren hat man die Verminderungen durch Eingabe eines entsprechenden Schriftsatzes oder im Zuge der Verhandlung zu verlangen.

Ein in der Praxis häufig vorkommendes Problem betrifft wahrscheinlich die noch 2015 ausgestellten Mahnschreiben (avviso bonario), insbesondere wenn diese Zahlungsverspätungen von nicht mehr als 90 Tagen betreffen. Man hat sich dann mit dem Steueramt in Verbindung zu setzen, um eine Neuberechnung der Verwaltungsstrafen zu erzielen, damit man die Verminderung der Verwaltungsstrafen auf ein Drittel beibehalten kann.

Zusammenfassend: Man muss wissen, dass die Verminderung der Verwaltungsstrafen nach dem Grundsatz der Vorteilsregel auch rückwirkend anwendbar ist, solange die verhängten Strafen nicht endgültig sind. Man muss von Fall zu Fall prüfen, ob für die jeweilige Beanstandung die geringeren Strafen anwendbar sind und ob im konkreten ein Handlungsbedarf vorliegt.

Eine abschließende Überlegung: In manchen Fällen sind zwar die geringen Verwaltungsstrafen anwendbar, aber aufgrund der gesetzlichen Kumulierung gehen diese unter Umständen unter, weil eine andere, nicht verminderte Verwaltungsstrafe zur Anwendung gelangt.

 

Nach dem Grundsatz des „favor rei“ gelten die aufgezeigten Reduzierungen auch für Verfehlungen vor dem 1. Jänner 2016; wer jetzt z. B. eine MwSt-Nachzahlung für Oktober (fällig am 16. November 2015, Verspätung mehr als 30 Tage) leistet, hat eine Strafe von 1,67% zu entrichten.

 

Gleich bedeutend ist die Reduzierung der Strafen im Zusammenhang mit der Umkehrung der Steuerschuld (Reverse Charge), wo bislang die Strafen proportional zur Mehrwertsteuer berechnet worden sind, ohne dass dem Fiskus eigentlich ein Schaden entstanden ist. Die Neuerung gilt nicht nur für das Reverse-Charge-Verfahren im engeren Sinne (z. B. Bauwesen), sondern auch für die Integrierung von Rechnungen aus innergemeinschaftlichen Erwerben von Waren und Dienstleistungen. Die neuen Strafen:

- Soweit die erhaltene Rechnung zwar verbucht, aber nicht um die MwSt ergänzt wird, kommt eine Fixstrafe zwischen 500 Euro und 20.000 Euro zur Anwendung, wobei erfahrungsgemäß die Mindeststrafe verhängt wird und diese im Falle einer Abfindung abermals reduziert wird.

- Lediglich wenn die Rechnung überhaupt nicht verbucht wird, kommt eine proportionale Strafe in Höhe von 5% bis 10% der Bemessungsgrundlage mit einer Mindeststrafe von 1.000 Euro zur Anwendung.

- Die gleiche Strafe wird übrigens auch verhängt, wenn der Lieferant nicht innerhalb von 4 Monaten ab Umsatztätigung eine Rechnung erstellt und der Auftraggeber es unterlässt, eine Eigenrechnung mit den entsprechenden Meldungen zu erstellen.

Es muss anerkennend festgehalten werden, dass durch die jüngste Neuerung die drakonischen Verwaltungsstrafen verschwunden sind und wir auch in Italien ein europäisches Niveau erreicht haben

 

 

Mit der sofortigen Anwendung der verminderten Verwaltungsstrafen stellt sich nun die Frage der zeitlichen Wirkung auf bereits begangene, aber nicht beanstandete Übertretungen oder auch auf begangene und bereits beanstandete Übertretungen. Nach der sogenannten Vorteilsregel (Art. 3 Abs. 3 Dlgs Nr. 472/1997) gelten die Neuerungen auf jeden Fall für die begangenen und noch nicht beanstandeten Übertretungen. Es sind nämlich grundsätzlich die Verwaltungsstrafen anzuwenden, die zum Zeitpunkt der Beanstandung gelten (und nicht zum Zeitpunkt des Fehlers). Die Neuerungen können jedoch unter Vorbehalt auch für die anderen Fälle angewandt werden, wenn also der Fehler bereits beanstandet worden ist, sofern die Beanstandung bzw. der entsprechende Bescheid noch nicht endgültig bzw. nicht mehr beanstandbar ist. Und hier hat nun der Steuerpflichtige zu prüfen, dass die Bestimmung in seinem Interesse auch angewandt wird bzw. ob sich die Einnahmenagentur daran hält.

Die Neuerungen gelten auch für die freiwillige oder spontane Berichtigung: Diese hat nun in der Regel, abgesehen von bestimmten Ausnahmen, für die eine Bewertung der Prüfer erforderlich ist, auf der Grundlage der neuen, verminderten Verwaltungsstrafen zu erfolgen.

Kurz vor Weihnachten hat die Generaldirektion der Einnahmenagentur den peripheren Steuerämtern eine entsprechende interne Anweisung erlassen. Man habe grundsätzlich die Vorteilsregel zu gewähren. Aus operativer Sicht ist allerdings zu schauen, wie dies im konkreten Fall angewandt wird.

Die Reform der Verwaltungsstrafen sieht verschiedene Verminderungen vor. Man versucht, Formfehler sowie geringfügige Fehler und Verspätungen geringer zu bestrafen, und andererseits den guten Willen des Steuerpflichtigen zu berücksichtigen. Nachfolgend in Stichworten die wichtigsten Verminderungen.

Unterlassene und ungetreue Erklärungen – Für unterlassene bzw. nicht fristgerecht abgegebene Steuererklärungen gilt eine Verwaltungsstrafe von 120 Prozent der nicht erklärten Steuer; und die verspätete Erklärung ist auf jeden Fall ungültig (vorbehaltlich einer Abgabe binnen 90 Tagen nach der Fälligkeit; dann nur Verwaltungsstrafen in Höhe von 28 Euro). Wird aber die Steuererklärung innerhalb der Abgabefrist für die Erklärung des Folgejahres eingereicht, werden die Verwaltungsstrafen auf die Hälfte herabgesetzt (60 Prozent).

Im Falle von ungetreuen oder unvollständigen Erklärungen wird die bisherige Verwaltungsstrafe von 100 Prozent auf 90 Prozent herabgesetzt. Bei geringfügiger Unvollständigkeit, wenn die Differenz der höheren Steuern weniger als 3 Prozent der erklärten ausmacht und diese insgesamt nicht den Betrag von 30.000 Euro übersteigt, wird die Verwaltungsstrafe auf 60 Prozent vermindert.

Die gleiche Verminderung auf 60 Prozent gilt bei Fehlern über die periodengerechte Zurechnung von Aufwendungen und Erträgen. Wenn sich hier kein Schaden für den Fiskus ergibt, beträgt die Verwaltungsstrafe überhaupt nur 250 Euro.

Verspätete Zahlungen – Die aus der Praxis wichtigste Neuerung und Erleichterung betrifft die Milderungen bei geringfügigen Verspätungen. Die übliche Verwaltungsstrafe für die verspäteten Zahlungen in Höhe von 30 Prozent wird um die Hälfte auf 15 Prozent herabgesetzt, wenn die Verspätung nicht mehr als 90 Tage beträgt. Diese Verminderung betrifft auch die kurzfristigen Verspätungen von bis zu 15 Tagen. In letzterem Fall wird die Verwaltungsstrafe auf ein Fünfzehntel pro Verspätungstag herabgesetzt (bislang also 2 Prozent pro Tag; bei freiwilliger Berichtigung 0,2 Prozent pro Tag). Ab 2016 wird für die ersten fünfzehn Tage die Verwaltungsstrafe auf 1 Prozent pro Tag herabgesetzt; bei freiwilliger Berichtigung 0,1 Prozent pro Tag.

Die Verwaltungsstrafen für verspätete Zahlungen können nun bei freiwilliger Berichtigung wie folgt zusammengefasst werden:

  • In den ersten fünfzehn Tagen 0,1 Prozent pro Tag,
  • ab dem sechzehnten bis zum 30. Tag beträgt die Verwaltungsstrafe 1,5 Prozent (ein Zehntel von 15 Prozent);
  • ab dem 31. Tag bis zum 90. Tag nach der Fälligkeit 1,67 Prozent (ein Neuntel von 15 Prozent);

 

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Josef Vieider

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