Sonderbesteuerung bzw. Abschöpfung von Sondergewinnen aus Energieproduktion und -verteilung

Die Grundlinien sind sicher aus der Tagespresse bekannt: Zur Finanzierung der horrenden Ausgaben im Zusammenhang mit den jüngsten Energiekostensteigerungen hat Italien Maßnahmen eingeführt, um im Gegenzug die Übergewinne der Unternehmen in diesem Bereich besonders zu besteuern.

1. Sondersteuer Übergewinne > 5 Mio. Euro

Mit einer ersten Maßnahme (Art. 55 G.V. 50/2022) werden die positiven Umsatzdifferenzen aus dem Zeitraum 1. Oktober 2021 – 30. April 2022 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2020/2021 einer Sondersteuer von 25% unterworfen. Dabei wird einzig auf die positive Differenz aus den aktiven und passiven Umsätzen in den jeweiligen MwSt-Voranmeldungen des Bezugszeitraumes geachtet, und - soweit die Differenz zumindest 5 Mio. Euro beträgt und um zumindest 10% angestiegen ist -, kommt auf diese Marge eine Sondersteuer von 25% zur Anwendung.  Die Sondersteuer ist innerhalb 30. Juni 2022 (40%) und 30. November 2022 (60%) zu entrichten, soweit in der Zwischenzeit nicht noch Änderungen und Aussetzungen vorgenommen werden. Der Kreis der betroffenen Steuerpflichtigen sollte allerdings sehr begrenzt sein. Zu beachten ist, dass hier nicht nur Energieproduzenten betroffen sind, sondern auch -verteiler. Die Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit der Bestimmung sind groß, insbesondere mit Verweis auf das Scheitern einer ähnlichen Maßnahme (sog. „Robin-Tax“) vor rund 10 Jahren.

2. Abschöpfung Übergewinn bei Anlagen erneuerbarer Energie > 20 KW

Ein weit breiteres Anwendungsfeld wird hingegen die nächste Maßnahme laut Art. 15-bis G.V. Nr. 4/2022 (ratifiziert mit Umwandlungsgesetz Nr. 25/2022) haben. Die Proteste der Interessensvertretungen sind entsprechend groß, und die notwendigen Durchführungsbestimmungen, welche von ARERA unter Einbeziehung der Verbände erlassen werden sollten, ziehen sich hin. Hier trotzdem der Versuch einer Kurzdarstellung, weil vor allem bei Photovoltaikanlagen und Wasserkraftwerken heuer mit empfindlichen Einbußen gerechnet werden muss, bzw. erwartete Gewinne aus den gestiegenen Preisen z. T. ausbleiben dürften.

Ziel der Bestimmung ist es, die Sondergewinne, welche infolge der gestiegenen Energiepreise in der Zeit zwischen dem 1. Februar 2022 und dem 31. Dezember 2022 anwachsen, nicht nur einer Sonderabgabe zu unterwerfen, sondern völlig abzuschöpfen.

Betroffen sind hier allerdings nur die Energieproduzenten, und zwar die Betreiber folgender Anlagen:

  • Photovoltaikanlagen mit einer Leistung von mehr als 20 KW mit festen Preisen aus den sog. „Energiekonten“ (Fördermaßnahmen), die nicht von den gängigen Marktpreisen abhängen. Betroffen sind hier die Förderungen im Rahmen der Maßnahmen „conto energia I“, „conto energia II“, „conto energia III“ und “conto energia IV”, wo seinerzeit Fördersätze von bis zu rund 490 Euro je MWh zuerkannt worden sind;
  • Photovoltaikanlagen, mit einer Leistung von mehr als 20 KW, die keine Förderung erhalten, aber vor dem 1. Jänner 2010 in Betrieb gegangen sind;
  • Wasserkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 20 KW, die keine Förderungen erhalten und vor dem 1. Jänner 2010 in Betrieb genommen wurden;
  • Geothermie-Anlagen mit einer Leistung von mehr als 20 KW, die keine Förderungen erhalten und vor dem 1. Jänner 2010 in Betrieb genommen wurden;
  • Windkraftanlagen mit einer Leistung von mehr als 20 KW, die keine Förderungen erhalten und vor dem 1. Jänner 2010 in Betrieb genommen wurden.

Bei den betroffenen Anlagen erfolgt kurzum eine Abschöpfung des Übergewinnes, welcher i. d. R. als Differenz zwischen einem theoretischen Marktpreis und einem gesetzlich definierten Referenzpreis festgelegt wird. Der Referenzpreis je MWh wird zu diesem Zweck, getrennt nach Zonen, wie folgt definiert:

  • Zone Zentrum/Nord: 58 Euro je MWh,

  • Zone Zentrum/Süd: 57 Euro je MWh,

  • Zone (auch Südtirol): 58 Euro je MWh,

  • Sardinien: 61 Euro je MWh,

  • Sizilien: 75 Euro je MWh und

  • Zone Süd: 56 Euro je MWh.

Dieser Referenzpreis wird also dem Marktpreis gegenübergestellt, welcher bei Photovoltaikanlagen i.d.R. als stündlicher zonaler Marktpreis und bei Wasserkraftwerken i. d. R. als monatlicher Durchschnitt der stündlichen zonalen Marktpreise erhoben wird.

Liegt der Referenzpreis über dem Marktpreis, so zahlt der GSE den höheren Referenzpreis aus.

Liegt hingegen, was derzeit die allgemeine Regel sein dürfte, der Referenzpreis unter dem Marktpreis, so fordert der GSE den entsprechenden Übergewinn vom Produzenten ein bzw. nimmt bei der Zuerkennung der obgenannten Förderungen (Stichwort „conto energia“) autonom einen Ausgleich vor. Bei Anlagen mit einem garantierten Mindestpreis muss auf Jahresbasis dieser Mindestpreis gewährleistet werden.

Grundsätzlich sollte die aufgezeigte Abschöpfung des Übergewinnes nur für Stromlieferverträge gelten, die ab dem 27. Jänner 2022 abgeschlossen worden sind. Diese Einschränkung gilt allerdings nur, wenn die beiden nachstehenden Voraussetzungen gegeben sind:

  • Der Liefervertrag sieht einen Fixpreis vor,
  • und der vereinbarte Durchschnittspreis liegt nicht über 58 Euro je MWh + 10% (=63,8 Euro/MWh).

Im Klartext: Diese Ausnahmen wird kaum jemand erfüllen können, und es darf wohl unterstellt werden, dass die Ausnahmeregelung als Feigenblatt dient, um Kritiken über die rückwirkende Anwendung des gesamten Gesetzeswerkes zu zerstreuen.

Beispiel: Die Auswirkungen der Maßnahme sollen am nachstehenden Beispiel erläutert werden: Eine PV-Anlage in Südtirol produziert im Bezugszeitraum Februar – Dezember 2022 4 Mio. KWh, die zu einem Preis von 110 Euro/MWh eingespeist werden. Der Erlös würde in diesem Fall rund 208.000 Euro über dem Referenzpreis von 58 Euro/MWh liegen, und entsprechend würden etwaige Förderungen aus dem „Energiekonto“ 2022 um diesen Wert reduziert werden.

Wie im Detail die Verrechnung des Übergewinns durch den GSE erfolgen wird bzw. welche Informationen über die Produktion und die Marktpreise (bzw. ggf. auch über eigene Verteidigungsgründe!) dieser Körperschaft vorgelegt werden müssen bzw. dürfen, das sollte Gegenstand der noch ausstehenden Durchführungsbestimmungen sein. Die ARERA hat bis dato allerdings nur ein allgemeines Konsultationspapier, nicht aber den notwendigen Beschluss über Meldepflichten und Berechnungsvorgang veröffentlicht. Bis zum 6. Mai 2022 konnten hierzu Eingaben eingebracht werden, und derzeit sind die Beratungen im Gange.

Für weitere Informationen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Vieider