Split Payment – Erweiterung ab 1. Juli 2017 auf alle öffentlichen Körperschaften und von diesen beherrschte Gesellschaften – Reverse-Charge geht vor Split Payment
Der Senat hat am 15. Juni 2017 das Umwandlungsgesetz zum Nachtragshaushalt (D.L. 50/2017) endgültig genehmigt; es wird in diesen Tagen im Amtsblatt veröffentlicht werden. Damit werden ab 1. Juli 2017 zwei bedeutende Erweiterungen des sog. Split-Payment-Verfahrens in Kraft treten, offiziell um die Steuerhinterziehung zu beschränken, tatsächlich vor allem um dem Staatshaushalt vorübergehend etwas Luft zu verschaffen, dies aber unter gravierenden Opfern der betroffenen Unternehmen. Bekanntlich zahlen beim Split Payment öffentliche Körperschaften die in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer nicht mehr an das Unternehmen aus, sondern führen sie direkt an den Fiskus ab, mit entsprechenden Liquiditätsnachteilen beim Rechnungsaussteller. Die Rechnung ist wie folgt auszustellen:
Entgelt der Leistung Euro 10.000,00
MwSt 22% Euro 2.200,00
Summe Euro 12.200,00
MwSt durch Auftraggeber einzuzahlen lt. Art. 17-ter MwStG Euro -2.200,00
Zu zahlender Betrag Euro 10.000,00
Das Verfahren wird nun subjektiv und objektiv erweitert:
- Subjektive Erweiterung: Bislang waren Entgelte, welche Steuerrückbehalten unterlagen, vom Split-Payment ausgenommen. Diese Befreiung wird ab 1. Juli 2017 gestrichen. Daraus folgt, dass ab diesem Datum auch die Vergütungen an Freiberufler oder Handelsagenten dem Verfahren unterliegen werden.
- Sachliche Erweiterung: Hier erfolgen insgesamt fünf Erweiterungen:
- Alle öffentlichen Körperschaften unterliegen ab 1. Juli 2017 dem Split-Payment-Verfahren. Bei der Definition dieser Körperschaften nimmt Art. 17-ter MwStG Bezug auf Art. 1, Abs. 2 G. 196/2009, wo wiederum Bezug auf eine eigene Liste des ISTAT genommen wird. Vereinfachend darf festgestellt werden: Ab 1. Juli 2017 muss allen öffentlichen Körperschaften, die derzeit der elektronischen Rechnungserteilung unterliegen, die Rechnung unter Anwendung des Split Payment ausgestellt werden.
In der Praxis wird ab 1. Juli 2017 vor allem dem Wohnbauinstitut und anderen öffentlichen Körperschaften mit wirtschaftlicher Tätigkeit, so z. B. dem GSE, die Rechnung in der oben aufgezeigten Form auszustellen sein.
Nach vorliegendem Wortlaut weiterhin ausgenommen, weil nicht von der elektronischen Rechnungserteilung betroffen, bleiben hingegen zahlreiche Sonderbetriebe der öffentlichen Verwaltung.
Durch das Umwandlungsgesetz befreit wurden hingen die sogenannten Gemeingüter oder Allmende. Es dürfte sich hier aber vor allem um die Eigenverwaltungen der Fraktionen gemäß LG Nr. 16/1980 und auch um Gemeingüter und Agrargemeinschaften handeln.
- Zusätzlich gilt das Split Payment ab 1. Juli 2017 für alle Gesellschaften, die im Sinne von Art. 2359 Abs. 1 Zi 1 und 2 ZGB direkt vom der Regierung (Ministerrat oder Ministerien) beherrscht werden.
- Weiters gilt das Verfahren für alle Gesellschaften, die im Sinne von Art. 2359 Abs. 1 Zi. 1 ZGB direkt von Regionen, Provinzen, Städten, Gemeinden oder Gemeindeverbänden beherrscht werden.
Die Beherrschung aufgrund vertraglicher Bindungen (Art. 2359 Abs. 1 Zi. 2 ZGB) gilt offensichtlich nur für vom Ministerrat oder Ministerien beherrschte Gesellschaften, nicht aber für jene der Gebietskörperschaften.
- Weiters gilt das Verfahren für alle Gesellschaften, die direkt oder indirekt von Gesellschaften der vorhergehenden Punkte 2) und 3) beherrscht werden.
- Schließlich muss das Split Payment ab 1. Juli 2017 auch gegenüber den rund 40 im Börsenindex FTSE MIB eingetragen Gesellschaften angewandt werden.
Es liegt auf der Hand, dass es für den Durchschnittsunternehmer kaum überprüfbar sein wird, ob eine Gesellschaft direkt oder indirekt durch eine Gebietskörperschaft, wie oben aufgezeigt, beherrscht wird. Eigentlich hätte die Finanzverwaltung schon vor Wochen ein Verzeichnis der betroffenen Körperschaften und Gesellschaften veröffentlichen sollen; dieses ist aber bis dato ausständig.
Im Gegenzug müssen die betroffenen Körperschaften und Gesellschaften auf Anfrage des Lieferanten oder Dienstleisters aber eine eigene Erklärung ausstellen, dass sie unter das Split Payment fallen. Diese Erklärung verpflichtet den Rechnungsaussteller zur einschlägigen Fakturierung.
Hinweis: Zumindest laut dem Wortlaut des Gesetzes müssen die betroffenen Körperschaften und Gesellschaften aber nicht von sich aus aktiv werden, sondern der Steuerpflichtige muss, sollte er Zweifel haben, anfragen, ob sein Kunde unter das Split Payment fällt oder nicht!
Wichtig: Die aufgezeigten Erweiterungen gelten für die ab 1. Juli 2017 in Rechnung gestellten Umsätze. Daraus folgt: Durch Fakturierung noch innerhalb 30. Juni 2017 kann man die Erweiterung u. U. noch vermeiden!
Ein schwacher Trost: Ab 1. Jänner 2018 sollen für die betroffenen Unternehmen die MwSt-Erstattungen beschleunigt werden, und zwar von derzeit 90 auf 65 Tage; dies gilt aber immer nur für Erstattungsanträge in der MwSt-Jahreserklärung oder in trimestralen Rückforderungen. Bis diese aber abgegeben werden können, muss das Unternehmen die MwSt i. d. R. aber über Monate vorfinanzieren.
Reverse Charge geht vor Split Payment:
Für die Geschäftsvorfälle, die dem sog. Reverse-Charge-Verfahren unterliegen, überwiegt weiterhin das genannte Verfahren. Daraus folgt, dass z. B. für Reinigungsarbeiten oder für Fertigstellungsarbeiten und Reparaturleistungen auf Gebäuden auch in Zukunft das Reverse-Charge-Verfahren zur Anwendung kommt. Die Überlegung gilt aber auch für Stromlieferungen an den GSE, welcher ab 1. Juli 2017 grundsätzlich unter das Split Payment fällt. In diesen Fällen wird die Rechnung also unverändert ohne MwSt an die öffentlichen Körperschaften ausgestellt.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Josef Vieider
Herunterladen R-29-19.06.2017 Split Payment