Steuerabsetzbeträge auf Wiedergewinnungsarbeiten – Nachlass in Rechnung und Forderungsabtretung nur mehr mit Gutachten zulässig – unbedingt weitere Entwicklungen abwarten!

Es mag sein, dass es im Zusammenhang mit den diversen Steuerabsetzbeträgen für Wiedergewinnungsarbeiten im Bauwesen auch einige schwarze Schafe gegeben hat, aber muss man deshalb wirklich das Kind mit dem Bade ausschütten? Aber der Reihe nach:

Zur Erinnerung: Mit Art. 121 der G.V. 34/2020 wurde im Vorjahr unter dem Eindruck der Coronapandemie zur Unterstützung des Bauwesens vorgesehen, dass Steuerpflichtige für die Steuerabsetzbeträge auf die unten angeführten Ausgaben in den Jahren 2020 und 2021 (und für den Superbonus von 110% nach heutiger Rechtslage zumindest auch noch im 1. Halbjahr 2022) alternativ zur Verrechnung derselben über 5 oder 10 Jahre in der eigenen Steuererklärung dafür optieren können,

- entweder vom Lieferanten einen entsprechenden Nachlass in der Rechnung im Höchstbetrag des Steuerguthabens zu verlangen oder aber

- den Steuerabsetzbetrag in ein Steuerguthaben umzuwandeln und an Dritte, darunter auch Banken und Versicherungen, abzutreten.

Diese Option auf einen anteiligen Rabatt in der Rechnung einerseits oder die Umwandlung in ein abtretbares Steuerguthaben andererseits steht für die nachstehenden Steuerabsetzbeträge zu:

- alle Steuerabsetzbeträge für Wiedergewinnungsarbeiten auf Wohngebäuden im Sinne von Art. 16-bis Abs. 1 Buchst. a) und b) EESt (50% mit Obergrenze 48.000 Euro);

- alle Steuerabsetzbeträge (65%, 75%, 85% bzw. 110%) für energetische Sanierungen;

- alle Steuerabsetzbeträge für die Erdbebensicherung (110%),

- alle Steuerabsetzbeträge für die Fassadensanierung (90%),

- Steuerabsetzbeträge für den Einbau von Photovoltaikanlagen (110%) und

- Steuerabsetzbeträge für den Einbau von Ladestationen (110%).

Und jetzt die Änderung: Mit einer Notverordnung (G.V. 157/2021) vom 11. November 2021, in Kraft seit dem 12. November 2021, wurde vor dem Hintergrund festgestellter Missbräuche verfügt, dass die aufgezeigte Abtretung bzw. der Nachlass in der Rechnung ab Inkrafttreten der Verordnung (also ab 12. November 2021) nur mehr zulässig sind, wenn

a) ein Bestätigungsvermerk durch einen Wirtschaftsprüfer oder Beistandszentrum (CAF) vorliegt und

b) die Angemessenheit der Kosten mit Bezug auf amtliche Richtpreisverzeichnisse durch einen anerkannten Sachverständigen bestätigt wird.

Damit werden die geltenden Regelungen, wie sie bislang nur für den Superbonus von 110% und die energetischen Sanierungen galten, auf alle Steuerabsetzbeträge erweitert, insbesondere also auch auf die Absetzbeträge von 50% für einfache Wiedergewinnungsarbeiten und auf den Fassadenbonus von 90%. Und es wird hier eine völlig differenzierte Handhabung vorgesehen, abhängig von der Inanspruchnahme des Guthabens: Wer ein Steuerguthaben von 50% oder 90% in traditioneller Weise über 10 Jahre in seiner Steuererklärung verrechnet, benötigt keinerlei Sachverständigengutachten. Wer hingegen für den Nachlass in der Rechnung optiert oder gar die Abtretung an Dritte vornehmen will, muss den Bestätigungsvermerk und ein Gutachten über die Preise vorlegen.

Die Agentur der Einnahmen hat unmittelbar auf die neue Rechtslage reagiert und noch am 12. November 2021 am späten Abend mit Verordnung Nr. 312528 neue Vordrucke für die Meldung von Nachlass und Abtretung veröffentlicht, so dass ohne Vermerk und Gutachten die beiden Erleichterungen auch technisch nicht mehr beansprucht werden können.

Übrigens: Die Angemessenheit der Preise muss nicht nur in Anlehnung an die Verordnung vom 6. August 2020 überprüft werden (was bei uns eine Überprüfung mit Bezug auf das Landesrichtpreisverzeichnis bedeutet), sondern es ist zudem vorgesehen, dass mit einer eigenen Verordnung zusätzliche Richtpreise für Güter und Leistungen erlassen werden sollen. Diese Verordnung ist bis dato ausständig, so dass zum heutigen Tag wohl niemand das verlangte Sachverständigengutachten erstellen kann; ggf. müsste der Sachverständige in der Übergangszeit Bezug auf Preislisten der Handelskammer oder der Berufsvereinigungen nehmen oder anderweitige Preisrechtfertigungen ableiten.

Die Neuerung hat durch ihre allgemeine Formulierung zur Folge, dass auch für vor dem 12. November 2021 ausgeführte Arbeiten, für welche bei Inkrafttreten der Verordnung die Meldung über den Nachlass in der Rechnung oder über die Abtretung noch nicht an die Agentur der Einnahmen verschickt war, rückwirkend die neuen Vorschriften gelten. Und das ist insbesondere bei komplexeren Arbeiten ein Ding der Unmöglichkeit, denn um die Angemessenheit der Preise zu kontrollieren, müssen die jeweiligen Lieferungen und Leistungen auch entsprechend angeboten und abgerechnet werden. Wer für die Sanierung seines Bades im Oktober z. B. einen Pauschalpreis von 30.000 Euro vereinbart und bezahlt hat, müsste jetzt nachträglich Preise für Fliesen, Sanitäranlagen, Arbeitsstunden usw. rekonstruieren, um das Steuerguthaben noch abtreten zu können. Das stellt aber rückwirkend die handelsrechtlich zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarungen auf den Kopf, und die Frage muss erlaubt sein, ob so tiefgreifende Eingriffe – rückwirkend (!) – mit der Charta des Steuerzahlers vereinbar sind.

Zudem ist es aus heutiger Sicht absolut nicht mehr möglich, Steuerguthaben aus puren Anzahlungen abzutreten, zumal auch für diese Arbeiten jetzt die Regelung über die abzurechnenden Baufortschritte gilt; nach heutiger Rechtslage muss davon ausgegangen werden, dass auch für diese Arbeiten die 30%-Regel gilt, wie sie beim Superbonus für die Abrechnung von Baufortschritten bereits vorgesehen ist.

Insbesondere mit Bezug auf den auslaufenden Fassadenbonus waren in den letzten Monaten zahlreiche Anzahlungen geleistet worden, auch für Arbeiten, die vielleicht erst 2022 ausgeführt werden. Wer das Pech hat und hierfür die Meldung über Rechnungsnachlass oder Abtretung des Guthabens noch nicht gemacht hat, dürfte wohl die Möglichkeit zur Abtretung bzw. zum Rechnungsnachlass verloren haben.

Es bleibt nur zu hoffen, dass im Zuge der ausständigen Verordnung über die Richtpreise oder spätestens bei Umwandlung der Notverordnung in Gesetz geklärt wird, dass die Einschränkungen zumindest nur für Leistungen und Lieferungen ab dem 12. November 2021 gelten.

Wir legen diesem Rundschreiben den neuen Meldevordruck nebst Anleitungen für die Abtretung bzw. Inanspruchnahme des Rechnungsnachlasses bei.

Empfehlung: Vorerst kann nur angeraten werden, bei allen Arbeiten, die nicht den sog. Superbonus von 110% betreffen, vorerst mit dem Rechnungsnachlass und mit der Abtretung des Steuerguthabens abzuwarten, in der Hoffnung, dass der Gesetzgeber noch Nachsicht walten lässt.

Übrigens gilt auch eine Änderung für den sog. Superbonus von 110%: Auch wer auf die Abtretung des Guthabens an Dritte oder auf den Rechnungsnachlass verzichtet, muss – um die Absetzbeträge in seiner Steuererklärung geltend zu machen – hierfür (im Unterschied zu Ecobonus, Fassadenbonus und Bonus für Wiedergewinnungsarbeiten) in seiner Steuererklärung einen Bestätigungsvermerk durch Wirtschaftsberater oder Steuerbeistandszentrum einholen. Von der Einschränkung ausgenommen sind nach dem Wortlaut des Gesetzes nur die Meldungen über den Vordruck 730, wenn dieser durch den Arbeitgeber versandt wird oder wenn der vorausgefüllte Vordruck der Agentur der Einnahmen übernommen wird. Offen bleibt hier die Frage, wie die innerhalb 30. November 2021 zu versendenden Steuererklärungen zu behandeln sind; muss für diese jetzt noch ein Bestätigungsvermerk nachgeholt werden?

Die neuen Einschränkungen gelten in Anlehnung an frühere Anleitungen im Zusammenhang mit dem sog. Sisma-Bonus u. E. nicht für Steuerguthaben aus dem Ankauf wiedergewonnener Wohnungen.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Vieider

Anlagen:

Meldevordruck

Anleitungen