Steuerabsetzbeträge auf Wiedergewinnungsarbeiten – Steueramt rudert zurück – Ergebnis nicht befriedigend

Die Horrornachricht haben wir Ihnen bereits mit Rundschreiben Nr. 48/2021 überbracht: Mit einer Notverordnung (G.V. 157/2021) vom 11. November 2021, in Kraft seit dem 12. November 2021, wurde - offensichtlich vor dem Hintergrund festgestellter Missbräuche - verfügt, dass grundsätzlich für alle Steuerabsetzbeträge auf Wiedergewinnungsarbeiten die Abtretung an Dritte und der Nachlass in der Rechnung nur mehr zulässig sind, wenn

a) ein Bestätigungsvermerk durch einen Wirtschaftsprüfer oder Beistandszentrum (CAF) vorliegt und

b) die Angemessenheit der Kosten mit Bezug auf amtliche Richtpreisverzeichnisse durch einen anerkannten Sachverständigen bestätigt wird.

Zudem braucht es für den Superbonus von 110% den Sichtvermerk des Steuerberaters oder Beistandszentrums auch dann, wenn die Steuergutschrift „nur“ über 5 Jahre in der eigenen Steuererklärung verrechnet wird, ausgenommen der Fall, die Steuererklärung wird als Vordruck 730 direkt vom Arbeitgeber oder Steuersubstitut verschickt.

Die Neuerung hat Auswirkungen vor allem auf die Steuerabsetzbeträge von 50% für die „normalen“ Wiedergewinnungsarbeiten auf Wohngebäuden, den sog. „Fassadenbonus“ von 90%, den Bonus für Fotovoltaikanlagen und die Installation von Elektroladestationen, weil für diese Baumaßnahmen zuvor von einem Bestätigungsvermerk und von einer Preisprüfung nie die Rede war. Praktisch sind die bestehenden strengeren Vorschriften für den Superbonus von 110% nun z. T. auf alle Wiedergewinnungsarbeiten ausgeweitet worden.  Leider sieht die Neuerung keinerlei Übergangsbestimmung vor und stellt die Bauherren nun vor gewaltige Probleme, wurden die Aufträge an Handwerker und Lieferanten doch in Unkenntnis dieser neuen Vorschriften vergeben.

Zumindest teilweise zeigt sich die Agentur der Einnahmen jetzt einsichtig. In Beantwortung einiger Fragen (sog. FAQs) am 22. November 2021 wird versucht, Schadensbegrenzung zu betreiben. Hier einige Klarstellungen:

1. Für Steuerabsetzbeträge im Bauwesen, verschieden vom Superbonus von 110%, bleiben innerhalb 11. November 2021 an die Agentur der Einnahmen versandte Mitteilungen über den Nachlass in der Rechnung oder über Abtretungen an Dritte weiterhin voll rechtswirksam, auch wenn Bestätigungsvermerk und Preisprüfung fehlten. Ausschlaggebend ist die Annahme der Meldungen durch die Agentur noch innerhalb der genannten Frist, dann sind Nachlass in der Rechnung und Abtretung trotz erfolgter Gesetzesänderungen gerettet. Aber ganz ehrlich: Diese Klarstellung hätte es nicht unbedingt gebraucht, denn wenn auch bereits angenommene Mitteilungen rückwirkend infrage gestellt worden wären, hätte dies wohl jedes Vertrauen in die Finanzverwaltung erschüttert.

2. Informativer ist da schon die nächste Aussage: Steuerabsetzbeträge, immer ausgenommen der Superbonus von 110%, dürfen auch nach dem 12. November 2021 an Dritte abgetreten werden bzw. über einen Nachlass in der Rechnung des Lieferanten beansprucht werden, wenn

a) die entsprechende Rechnung vor diesem Datum übergeben worden ist,

b) die entsprechende Rechnung vor diesem Datum zur Gänze oder teilweise (bei Nachlass in der Rechnung) auch bezahlt worden ist und

c) bereits vor dem 12. November 2021 mit Dritten eine Vereinbarung über die Abtretung des Guthabens oder mit dem Lieferanten über den Nachlass in der Rechnung getroffen worden ist.

Bei einer wörtlichen Auslegung der Antwort müssen alle drei genannten Anforderungen erfüllt sein; über den Nachweis des Datums einer Abtretungs- oder Nachlassvereinbarung wird man sich sicher trefflich streiten können.

Liegen diese 3 Voraussetzungen vor, darf auch nach dem 12. November 2021 noch eine Meldung an die Agentur der Einnahmen über Abtretung und Nachlass in der Rechnung gemacht werden, ohne dass Bestätigungsvermerk und Preisprüfung verlangt werden. Die Agentur der Einnahmen hat mit Pressemitteilung vom 25. November 2021 mitgeteilt, die entsprechenden elektronischen Übermittlungskanäle in diesem Sinne abgeändert zu haben.

Bleibt zu ergänzen, dass für die Steuerabsetzbeträge, immer verschieden vom Superbonus von 110%, auf jede Preisprüfung verzichtet werden kann, wenn diese nicht abgetreten oder nicht als Preisnachlass verrechnet werden, sondern über (i. d. R. 10 Jahre) in der Steuererklärung verrechnet werden. Nachvollziehbar ist eine derartige Ungleichbehandlung beim besten Willen nicht!

3. Soweit nicht der Superbonus von 110% beansprucht wird, ist grundsätzlich nur eine Preisprüfung notwendig. Daraus folgt, dass – abgesehen von den einschlägigen ENEA-Meldungen – bei Wiedergewinnungsbonus, Ecobonus, Fassadenbonus u. a. also nicht auch eine technische Prüfung verlangt wird. Die Prüfung kann von den gleichen Sachverständigen durchgeführt werden, die bereits aufgrund der bisherigen Regelungen hierfür anerkannt waren.

4. Solange keine neue Verordnung über Richtpreise veröffentlicht wird, geltend die Grundsätze laut Verordnung vom 6. August 2020.

Vor schier unlösbaren Problemen stehen all jene, die aufgrund der zu erwartenden Kürzungen beim Fassadenbonus noch innerhalb Jahresende Vorauszahlungen leisten wollen, um den derzeitigen Absetzbetrag von 90% zu retten, wobei die Arbeiten u. U. zur Gänze oder teilweise erst im nächsten Jahr durchgeführt werden.

Kein Problem besteht, wenn auf Rechnungsnachlass und Abtretung des Guthabens an Dritte verzichtet wird und die Absetzbeträge „nur“ in der Steuererklärung verrechnet werden. Sollen hingegen die vorgenannten Erleichterungen beansprucht werden, müssten heute technische Preisgutachten für noch durchzuführende Arbeiten eingeholt werden, was sicher eine Zumutung für alle Sachverständigen darstellt.

Hier ein Lösungsvorschlag: Man bringt das erste Zehntel der Absetzbeträge noch in der Steuererklärung in Abzug, und nur für die weiteren 9/10 wird dann die Abtretung an Dritte beantragt. Oder: Man beginnt trotz geleisteter Zahlungen im Jahr 2021 mit dem Abzug erst nach Fertigstellung der Arbeiten im Jahr 2022 und tritt dann wieder das gesamte Guthaben ab; dann hat auch ein Sachverständiger wieder die Möglichkeit, die Preisprüfung durchzuführen.

Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Josef Vieider