Strenge Regelungen für den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln ab 24. Oktober 2012
Mit Art. 62 der sog. Liberalisierungsverordnung (D.L. 1/2012) wurden im letzten Jänner u. a. strenge Vorschriften über die Vertragsbedingungen und -gestaltungen für den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten und Lebensmitteln eingeführt. Die dafür seit langem angekündigten notwendigen Durchführungsbestimmungen sind bislang leider nicht veröffentlicht worden, seit heute aber auf der Homepage des Ministeriums für Land- und Forstwirtschaft einsehbar. Die Neuerungen betreffen vor allem die Schriftform der notwendigen Kaufverträge, zudem genaue Zahlungsfristen und ein strenges Verbot unlauterer Geschäftspraktiken. Obwohl die Durchführungsbestimmungen formell also noch ausständig sind und ob der Neuerungen noch erhebliche Unsicherheiten herrschen, hat das Ministerium erklärt, dass die Bestimmungen wie vorgesehen 7 Monate nach Inkrafttreten des Umwandlungsgesetzes, und somit zum 24. Oktober 2012, in Kraft treten sollen und an eine Fristverlängerung nicht gedacht wird. Nachstehend ein Überblick über die Neuerungen:
- Betroffene Produkte:
Die neuen Vorschriften betreffen im Einzelnen die Lieferungen von landwirtschaftlichen Produkten und von Lebensmitteln, die auf dem italienischen Staatsgebiet übergeben werden. Dabei sind allerdings nicht grundsätzlich alle Produkte der Land- und Forstwirtschaft betroffen, sondern
- nur jene landwirtschaftlichen Produkte, die im beiliegenden Art. 38 einer EU-Verordnung (siehe Anlage A) enthalten sind,
- und jene Lebensmittel, die in Art. 2 der EU-Verordnung Nr. 178/2002 enthalten (siehe Anlage B) sind.
Daraus folgt z. B., dass die Holzwirtschaft von den Neuerungen nicht unmittelbar betroffen ist. Wesentlich ist die Übergabe der Waren in Italien. Entsprechend sind die innergemeinschaftlichen Erwerbe und Importe betroffen, während umgekehrt innergemeinschaftliche Lieferungen und Exporte i. d. R. ausscheiden. In diesem Zusammenhang wird also besonders auf die sog. Incoterms und den damit verbundenen Zeitpunkt der Übergabe der Güter zu achten sein
- Subjektiver Anwendungsbereich:
Die Neuerungen betreffen
- zunächst die Lieferungen der Landwirte an Großhändler und Verarbeitungsbetriebe,
- dann aber auch alle weiteren Lieferungen im Zuge von Verarbeitungsprozessen und
- weiters alle Lieferungen bei der weiteren Distribution der Waren.
Ausgenommen sind hingegen
- innergemeinschaftliche Lieferungen,
- Lieferungen mit Sofortzahlung (z. B. Lieferung eines Landwirts von Gemüse an ein Hotel mit Sofortzahlung bei Übergabe),
- Lieferungen an Genossenschaften durch die eigenen Mitglieder sowie Lieferungen an ähnliche Gemeinschafsorganisationen durch die eigenen Gesellschafter bzw. Mitglieder,
- Lieferungen an den Endverbraucher.
Von der Neuerung betroffen sind nach heutiger Rechtslage also nicht nur z. B. die Lieferungen von Landwirten an Vermarkungs- und Verarbeitungsunternehmen, sondern auch die Lieferungen von Lebensmitteln der diversen Großhändler an Einzelhandelsgeschäfte oder auch an Hotels und Gastbetriebe oder auch an Betriebsmensen.
- Verträge in Schriftform:
Art. 62 der Liberalisierungsverordnung verlangt, dass für die Lieferung landwirtschaftlicher Produkte und von Lebensmitteln die Verträge grundsätzlich in Schriftform abgeschlossen werden müssen. Die fehlende Schriftform bedingt die Nichtigkeit des Vertrages. Dabei gilt nach den Durchführungsbestimmungen (Art. 3) die Anforderung an die Schriftform aber bereits als erfüllt ist, wenn Mitteilungen über E-Mail oder durch Fax erfolgen, auch ohne entsprechende Unterschrift. Wichtig ist, dass aus diesen Mitteilungen die Willensübereinkunft zwischen den Parteien hervorgeht (z. B. Anfrage, Angebot, Auftrag). Die Schriftform kann zudem auch nur aus den Transport- oder Lieferscheinen, aus den Bestellungen oder aus den Rechnungen hervorgehen, soweit dort die wesentlichen Elemente der Vereinbarungen wiedergegeben werden; in diesem letzten Fall müssen diese Belege aber den nachstehenden Verweis tragen: „Erfüllt die Verpflichtungen laut Art. 62, Abs. 1, D.L. Nr. 1 vom 24. Jänner 2012, abgeändert mit G. Nr. 27 vom 24. März 2012.”
In den so abgefassten schriftlichen Verträgen sind, bei anderweitiger Nichtigkeit,
- die Haltbarkeit des Produktes,
- Menge und Eigenschaften des verkauften Produktes,
- der Preis und
- die Übergabe- und Zahlungsbedingungen anzuführen.
- Unlautere Verkaufspraktiken:
Sogenannte unlautere Verkaufspraktiken werden verboten. Darunter versteht man im Sinne von Art. 4 der Durchführungsbestimmungen, wenn ein Vertragspartner seine beherrschende Marktstellung zu Lasten des anderen ausspielt. Das Gesetz selbst enthält eine Auflistung solcher Praktiken, und der Entwurf der Durchführungsbestimmungen enthält als Anlage eine Auflistung solcher gesetzeswidriger Verhaltensformen. Darunter fallen
- ungerechtfertigte und grob benachteiligende Vertragsbedingungen,
- nachträgliche Vertragsänderungen zum Schaden einer der Parteien,
- die Verpflichtung von einseitigen Zusatzleistungen, die keinen direkten und wirtschaftlichen Bezug zur Vertragsleistung haben,
- der Ausschluss von Verzugszinsen,
- die Festlegung von Preisen unter den Herstellungskosten und schließlich
- der Aufschub der Fristen für die Rechnungserteilung.
- Zahlungsziele:
Zunächst ist festzuhalten, dass für die Lieferung der im Sinne von Art. 62 D.L. 1/2012 geschützten Produkte getrennte Rechnungen auszustellen sind. Zudem werden zwingend folgende Zahlungsfristen festgelegt:
- 30 Tage für verderbliche Waren,
- 60 Tage für alle anderen betroffenen Güter.
Als verderblich gelten jene Waren, die eine Mindesthaltbarkeit von bis zu 60 Tagen haben, und auf jeden Fall die Milch. Bei Wurst- und Fleischwaren wird auf den Wassergehalt (aW-Wert) und den Säuregrad (pH-Wert) abgestellt. Die Fristberechnung erfolgt ab Monatesende, in welchem die Rechnung eingegangen ist. Wenn z. B. die Rechnung am 5. November 2012 eingeht, so muss die Zahlung innerhalb 30. Dezember 2012 bei verderblichen Gütern und innerhalb 29. Jänner 2013 bei sonstigen Waren erfolgen.
Das Eingangsdatum der Rechnung wird durch Einschreiben, durch persönliche Übergabe oder durch elektronische Post an eine zertifizierte Mail-Box (PEC) nachgewiesen. Fehlt ein entsprechender Nachweis, muss Bezug auf das Übergabedatum der Waren genommen werden. Für alkoholische Produkte hingegen kommt das bereits in G. 28/1999 festgelegte Zahlungsziel von 60 Tagen zur Anwendung.
Werden die aufgezeigten Zahlungsziele nicht eingehalten, kommen die gesetzlichen Verzugszinsen ab dem Folgetag zur Anwendung. Zur Erinnerung: Der Zinssatz für die Verzugszinsen beträgt für das zweite Semester für Lebensmittel und landwirtschaftliche Produkte allgemein 10%.
Wird ein Teil der Lieferung beanstandet, so rechtfertigt dies nicht, die Zahlung der gesamten Lieferung auszusetzen.
Und noch eine Präzisierung: Bei der Lieferung landwirtschaftlicher Produkte ist es vielfach üblich, dass Menge und Preis erst zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt werden (sog. „Lieferung auf Ehre“), weil z. B. erst im Zuge der Verarbeitung bestimmte Qualitätsmerkmale der Waren oder auch die Menge genau ermittelbar sind. In diesen Fällen erfolgt die Übergabe der Ware erst dann, wenn Preis und/oder Menge feststehen, und im Sinne einer eigenen Verordnung vom 15. November 1975 erfolgt in diesen Fällen auch die Rechnungserteilung erst zu diesem späteren Zeitpunkt. Der vorliegende Art. 62 setzt diese Bestimmungen nicht automatisch außer Kraft, außer es handelt sich um unlautere Praktiken.
- Inkrafttreten:
Die neuen Vorschriften gelten grundsätzlich für die ab 24. Oktober 2012 abgeschlossenen Verträge. Die zu diesem Zeitpunkt laufenden bzw. vorher abgeschlossenen Verträge müssen innerhalb 31. Dezember 2012 an die neuen Vorschriften angepasst werden (Mindestinhalte und Schriftform). Umgekehrt gelten die neuen Vorschriften über das Verbot unlauterer Geschäftspraktiken und über die zwingenden Zahlungsfristen aber bereits ab dem 24. Oktober 2012 bereits für die laufenden Verträge, und zwar unabhängig von der Anpassung an die aufgezeigten Neuerungen.
- Strafen:
Bei Nichtbeachtung der neuen Vorschriften sind hohe Verwaltungsstrafen vorgesehen. So drohen bei Unterlassung der Schriftform Strafen zwischen 516 Euro und 20.000 Euro, bei unlauteren Geschäftspraktiken zwischen 516 Euro und 3.000 Euro sowie für verspätete Zahlungen zwischen 500 Euro und 500.000 Euro. Die Verwaltungsstrafen werden von der Wettbewerbsbehörde („antitrust“) oder auch von der Finanzpolizei verhängt.
Für weitere Informationen und Unterlagen stehen wir Ihnen selbstverständlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Josef Vieider
Herunterladen R-42-23.10.12 Ankauf landwirtschaftlicher Produkte
Herunterladen R-42- Anlage A
Herunterladen R-42-Anlage B