Mit 19. Mai 2020 ist die Verordnung zum Wiederaufbau G.V. 34/2020 (sog. „Decreto rilancio“) in Kraft getreten. Die umfangreichen Neuerungen für Unternehmen und Freiberufler erläutern wir in einem getrennten Rundschreiben. Mit Bezug auf das Bauwesen hingegen sind zwei wesentliche Neuerungen zu verzeichnen:
- neuer Steuerabsetzbetrag von 110% der Ausgaben für bestimmte Baumaßnahmen im Bereich der energetischen Sanierung und Energieeinsparung und
- allgemeine Option, zukünftige und bisherige Steuerabsetzbeträge in einen Nachlass (Skonto) des Lieferanten oder in ein abtretbares Steuerguthaben umzuwandeln.
In der Tagespresse wurde in den letzten Wochen vor allem der erhöhte Steuerabsetzbetrag von 110% behandelt, verständlich, denn die Vorstellung, bei der Durchführung von Baumaßnahmen noch etwas Geld übrig zu lassen, birgt eine gewisse Faszination. Wie nachstehend aufgezeigt, ist der Anwendungsbereich allerdings recht eingeschränkt. Viel wichtiger ist hingegen die Möglichkeit, zustehende Steuerabsetzbeträge in Rechnungsnachlässe oder abtretbare Steuerguthaben umzuwandeln; es ist nicht absolut übertrieben, wenn Kommentatoren das Haus hier schon als Bankomat für die private Liquidität eingestuft haben. Die Neuerungen im Detail:
1. Neuer Steuerabsetzbetrag von 110% (Art. 119)
Für die nachstehenden Wiedergewinnungsarbeiten in der Zeit zwischen dem 1. Juli 2020 und dem 31. Dezember 2021 wird ein Steuerabsetzbetrag von 110% der Ausgaben zuerkannt:
- energetische Sanierungen
- Maßnahmen zur Erdbebensicherung
- Einbau von Photovoltaikanlagen und
- Einbau von Elektroladestationen.
Zu den einzelnen Baumaßnahmen:
1) Was die energetische Sanierung anbelangt, so werden für Zwecke des erhöhten Steuerabsetzbetrages folgende Baueingriffe mit den jeweiligen Obergrenzen anerkannt:
a) Verbesserung der Außenisolierung des Gebäudes, wobei mehr als 25% der Außenhülle betroffen sein müssen, mit einer Obergrenze der anerkannten Kosten von 60.000 Euro je Baueinheit im Gebäude (bei einem Haus mit 3 Wohnungen entspricht dies anerkannten Kosten bis zu 180.000 Euro). Die verwendeten Baumaterialien müssen den Vorgaben einer Verordnung des Umweltschutzministeriums vom 11. Oktober 2017 entsprechen;
b) Austausch von Heizungsanlagen, der Klimaanlagen, der Anlagen für die Warmwasseraufbereitung und der Wärmepumpen auf den Gemeinschaftsanteilen von Kondominien mit einer Obergrenze von 30.000 Euro je Baueinheit im Gebäude, Euro, wobei auch die Kosten für die
Entsorgung der alten Anlagen berücksichtigt werden dürfen;
c) Austausch der Heizungsanlagen, der Klimaanlagen, der Anlagen für die Warmwasseraufbereitung und der Wärmepumpen in Einfamilienhäusern, und zwar mit einer Obergrenze von 30.000 Euro, wobei auch die Kosten für die Entsorgung der alten Anlagen berücksichtigt werden dürfen.
Wichtig: Soweit gemeinsam mit den vorgenannten energetischen Sanierungsmaßnahmen auch andere traditionelle energetische Sanierungen (z. B. Sonnenschutz, Anschluss Fernwärme usw.) durchgeführt werden, so gelten zwar die in Art. 14 G.V. 63/2013 festgelegten traditionellen für die Ausgaben, aber der Steuerabsetzbetrag kann auf 110% erhöht werden.
Damit die Erhöhung auf 110% zum Tragen kommt, muss die Energieeffizienz des Gebäudes um 2 Klassen verbessert werden oder man muss alternativ in die höchst mögliche Klasse aufsteigen, und die Verbesserung ist mittels Energiebescheinigungen (APE) zu belegen. Zu diesem Zweck ist eine derartige Bescheinigung bei Beginn und bei Abschluss der Arbeiten zu erstellen.
Wichtig: In Anlehnung an die herrschende Auslegung bei den Erdbebensicherungsarbeiten muss davon ausgegangen werden, dass eine erste Bescheinigung vor Beginn der Arbeiten vorliegen muss; eine nachträgliche Zertifizierung führt zum Verfall des Anspruchs. Daher die dringende Empfehlung: Sollten Sie solche Arbeiten planen, bitte auf jeden Fall vor Baubeginn einen Energieausweis erstellen lassen. Und in diesem Zusammenhang ist auch vorgesehen, dass die Sachverständigen, welche die notwendigen Bescheinigungen erstellen, angemessene Versicherungspolizzen vorweisen müssen. Abgestraft sind leider jene Steuerpflichtigen, die bereits einschlägige Arbeiten begonnen haben.
Noch eine Einschränkung: Die Maßnahmen für die energetische Sanierung auf Einfamilienhäuser, welche nicht als Hauptwohnsitz zweckbestimmt sind, werden für den erhöhten Absetzbetrag von 110% nicht anerkannt. Im Umkehrschluss: Die erhöhten Steuerabsetzbeträge für energetische Sanierungen stehen auch für Zweitwohnungen zu, vorausgesetzt es handelt sich um Mehrfamilienhäuser.
2) Die Erhöhung des Absetzbetrages auf 110% für Erdbebensicherungsarbeiten gilt für die Risikozonen 1, 2 und 3, nicht aber für die Risikozone 4. Südtirol ist damit ausgeschlossen.
Ansonsten gelten die allgemeinen bisherigen Regelungen, insbesondere ist darauf zu achten, dass vor Baubeginn eine beeidete Prüfung der Sicherheitsklasse erstellt werden muss.
3) Beim Einbau von Photovoltaikanlagen werden Kosten bis zu 48.000 Euro anerkannt, und der erhöhte Absetzbetrag von 110% gilt unter der Voraussetzung, dass gleichzeitig energetische Sanierungen oder Errichtungen von Elektroladestationen vorgenommen werden. Die nicht selbst verbrauchte Energie muss an den GSE abgetreten werden.
4) Für den Einbau von Ladestationen für Elektrofahrzeuge steht ein Absetzbetrag von 110% zu, vorausgeschickt der Einbau wird gemeinsam mit einer Maßnahme zur energetischen Sanierung im Sinne von Zi. 1 durchgeführt.
Die erhöhten Steuerabsetzbeträge von 110% stehen zu:
- Kondominien,
- natürlichen Personen, soweit sie nicht als Unternehmer oder Freiberufler tätig werden,
- den Wohnbauinstituten und ähnlichen öffentlichen Einrichtungen sowie
- Wohnbaugenossenschaften für Baumaßnahmen auf ungeteiltem Eigentum.
Der so zustehende Steuerabsetzbetrag von 110% kann entweder über 5 Jahre (Achtung: nicht 10 Jahre) abgesetzt oder alternativ als Nachlass beim Lieferanten verlangt werden oder auch umgehend an Dritte abgetreten werden, und zwar auch an Banken oder Versicherungen. Soweit die Abtretung erfolgt oder ein Nachlass verlangt werden, ist eine Konformitätserklärung durch einen anerkannten Sachverständigen notwendig. Für die Baumaßnahmen (ausgenommen die Ladestationen) ist zudem eine einschlägige ENEA-Meldung notwendig, deren Inhalt noch durch eine eigene Durchführungsbestimmung festgelegt werden muss.
Wichtig: Abgesehen von den obgenannten Maßnahmen bleiben die bisher geltenden Bestimmungen über die Steuerabsetzbeträge auf Wiedergewinnungsarbeiten im Sinne von Art. 16-bis EESt (50%) und die energetischen Sanierungen (65%) sowie den sog. Fassadenbonus (90%) unverändert, auch mit Bezug auf die jeweiligen Obergrenzen und die Aufteilung (10 Jahre).
Hinweis: Die erhöhten Absetzbeträge gelten für Zahlungen ab 1. Juli 2020. Wer immer also Anrecht auf einen Steuerabsetzbetrag von 110% hat, tut gut daran, in der Zwischenzeit keine Zahlungen zu leisten und die Veröffentlichung der neuen Melde- und Prüfpflichten abzuwarten.
2. Nachlass in Rechnung und Abtretbarkeit Steuerguthaben (Art. 121)
Für die Steuerabsetzbeträge auf die nachstehenden Ausgaben in den Jahren 2020 und 2021 kann der Steuerpflichtige alternativ zur Verrechnung derselben über 5 oder 10 Jahre dafür optieren,
- entweder vom Lieferanten einen entsprechenden Nachlass in der Rechnung im Höchstbetrag des Steuerguthabens zu verlangen oder aber
- den Steuerabsetzbetrag in ein Steuerguthaben umzuwandeln und an Dritte, darunter auch Banken und Versicherungen, abzutreten.
Diese Option auf einen anteiligen Rabatt in der Rechnung einerseits oder die Umwandlung in ein abtretbares Steuerguthaben andererseits steht für die nachstehenden Steuerabsetzbeträge zu: - alle Steuerabsetzbeträge für Wiedergewinnungsarbeiten auf Wohngebäuden im Sinne von Art. 16-bis Abs. 1 Buchst. a) und b) EESt (50% mit Obergrenze 48.000 Euro);
- alle Steuerabsetzbeträge (65%, 75%, 85% bzw. 110%) für energetische Sanierungen;
- alle Steuerabsetzbeträge für die Erdbebensicherung
- alle Steuerabsetzbeträge für die Fassadensanierung,
- Steuerabsetzbeträge für den Einbau von Photovoltaikanlagen (110%, siehe oben)
- Steuerabsetzbeträge für den Einbau von Ladestationen (110%, siehe oben).
Aber damit nicht genug: Die Umwandlung in ein abtretbares Steuerguthaben kann laut Begleitbericht zur vorliegenden Verordnung innerhalb 2020 auch für Ausgaben der Vergangenheit beansprucht werden, und zwar für die noch nicht verrechneten Guthaben. Wer also vor 5 Jahren aus einer Wiedergewinnung einen Steuerabsetzbetrag von 48.000 Euro erzielt hat und davon bis heute 24.000 Euro in 5 Raten verrechnet hat, könnte laut Begleitbericht die verbleibenden 24.000 Euro im Jahr 2020 an eine Bank verkaufen.
Innerhalb von 30 Tagen muss die Agentur der Einnahmen die notwendigen Durchführungsbestimmungen für die Abtretung der Guthaben erlassen. Es muss davon ausgegangen werden, dass die erwerbende Bank eine angemessene Abzinsung der ausstehenden Raten vornimmt, zumal sie selbst das Guthaben ja auch erst in den nächsten 5 bis 10 Jahren tatsächlich geltend machen kann. Einen großen Vorteil haben aber all jene Steuerpflichtigen, die das Guthaben selbst nicht oder nur zum Teil nutzen können, weil z. B. die notwendigen Steuerschulden fehlen (werden). Insbesondere für ausländische Auftraggeber tun sich hier völlig neue Wege auf. Sie konnten bislang die Steuerguthaben für Wiedergewinnungsarbeiten und energetische Sanierungen in Italien so gut wie überhaupt nicht nutzen.
Sobald die Durchführungsbestimmungen vorliegen, werden wir Sie umgehen informieren.