Beim Vorsteuerabzug für 2017 ausgestellte, aber erst 2018 eingegangene Rechnungen gibt es eine völlig Kehrtwende der Agentur der Einnahmen; die Ende Februar fälligen Kunden- und Lieferantenlisten werden aufgeschoben, damit die eigentlich erst für 2018 vorgesehenen Vereinfachungen vorweggenommen werden können. Die aktualisierten Listen für das erweiterte Split Payment sind vor einigen Tagen endlich veröffentlicht worden. Hier die Details:
1. Kehrtwende bei Vorsteuerabzug
Nochmals die Vorgeschichte: Durch eine Änderung in G.V. 50/2017 wurden im letzten Jahr die Fristen für den Vorsteuerabzug um rund 2 Jahre reduziert. Im Sinne von Art. 19 Abs. 1 MwStG entsteht der Anspruch auf den Vorsteuerabzug auf erworbene Lieferungen und Leistungen zu dem Zeitpunkt, zu dem die Steuerschuld entsteht. Der Vorsteuerabzug kann bis zur Abgabe der MwSt-Jahreserklärung des Jahres beansprucht werden, in welchem das Anrecht auf den Vorsteuerabzug entstanden ist. Nach dem Wortlaut dieser Bestimmungen wäre die Vorsteuer auf 2017 ausgestellte Rechnungen, die erst 2018 eingehen, nur mehr im Jahr 2017 (und hier spätestens in der MwSt.-Jahreserklärung im April 2018) absetzbar. Daraus folgt, dass die Mehrwertsteuer aus solchen Rechnungen entweder noch in der Abrechnung für Dezember (bzw. für das 4. Quartal) 2017 oder außerbuchhalterisch in der MwSt.-Jahreserklärung für 2017 im April 2018 abgezogen werden müsste. Umgekehrt gilt nach dem Wortlaut der Bestimmung: Ein Abzug der Mehrwertsteuer für 2017 ausgestellte Rechnungen in einer periodischen MwSt.-Abrechnung im Jahr 2018 (z. B. für Jänner 2018) wäre nicht mehr zulässig! Auf die gravierenden Widersprüche dieser Neuerung zu geltendem EU-Recht wurde in den letzten Wochen und Monaten wiederholt hingewiesen; trotzdem war es der Politik offensichtlich nicht möglich, im Zuge des Haushaltsgesetzes für 2018 eine Korrektur vorzunehmen. Das holt nun die Agentur der Einnahmen im Verwaltungswege nach und vollzieht eine völlige Kehrtwende. Im Sinne von Rundschreiben Nr. 1/2018 vom 17. Jänner 2018 – und in Übereinstimmung mit geltendem EU-Recht - darf laut Agentur die Vorsteuer abgezogen werden, soweit die zwei nachstehenden Voraussetzungen erfüllt sind, und dann bis zur Abgabe der jeweiligen MwSt-Jahreserklärung:
- Die Steuerschuld muss bei Lieferer oder Dienstleister entstanden sein (i. d. R. durch die Ausstellung der Rechnung), und
- der Kunde muss formell im Besitz der Rechnung sein, das heißt, er muss diese Rechnung zum Zeitpunkt des Vorsteuerabzugs auch erhalten haben. Diese zweite Voraussetzung ist so in Art. 19 MwStG nicht festgeschrieben, geht aber aus den Grundsätzen der EU-MwSt- Richtlinie hervor und ist auch durch einschlägige Rechtsprechung des EUGH gestützt.
Und daraus folgt: Für Rechnungen, die zwar 2017 ausgestellt worden sind, aber erst 2018 beim Empfänger ankommen, kann die Vorsteuer im Monat (oder Trimester) des Erhalts im Jahr 2018 im Register der Eingangsrechnungen abgezogen werden oder alternativ kumuliert in der MwSt-Jahreserklärung für 2018 im April 2019. Umgekehrt ist es, ganz im Gegenteil zum Wortlaut in Art. 19 MwStG, offensichtlich nicht zulässig, die Vorsteuer aus solchen 2017 ausgestellten, aber erst 2018 eingegangenen Rechnungen noch in der MwSt-Erklärung für 2017 im April 2018 abzuziehen. Geklärt wird auch, dass bei späterem Erhalt der Rechnungen (z. B. Rechnungen aus 2017 gehen erst nach April 2019 ein) der Vorsteuerabzug innerhalb der allgemeinen Verjährungsfristen nicht verloren ist; es ist dann aber eine Korrekturmeldung auf die MwSt-Jahreserklärung notwendig!
Im Sinne von Rundschreiben Nr. 1/2018 gilt also: Es ist nicht zulässig, die Mehrwertsteuer in 2017 ausgestellten und 2018 eingegangene Rechnungen noch im Dezember 2017 oder im 4. Quartal 2017 in Abzug zu bringen! Da aber die Finanzverwaltung offensichtlich erst am 17. Jänner 2018, also nach dem Monatsabschluss für Dezember 2017, zu dieser Einsicht gelangt ist, wird im Rundschreiben Nr. 1/2018 Nachsicht für die Vergangenheit gezeigt: Wenn in der Abrechnung für Dezember 2017 am 16.01.18 noch Rechnungen abgezogen worden sind, die u. U. erst am 16. Jänner 2018 eingegangen sind, so geht das ausnahmsweise in Ordnung!
In Zukunft tut man aber sicher gut daran, sich an die neuen Vorgaben der Finanzverwaltung zu halten, will man Beanstandungen vermeiden. Bleibt die Frage, wie der tatsächliche Erhalt der Rechnungen überprüft wird. Die Agentur hat die Antwort parat: Versanddatum bei PEC- Mitteilungen und andere Verfahren, welche den Erhalt dokumentieren (z. B. Eingangsstempel). Wenn solche Nachweise fehlen, dann muss der Erhalt allgemein im Rahmen der ordentlichen Buchführung (z. B. fortlaufende Nummerierung der Rechnungen) belegt sein.
Und im Umkehrschluss: Wenn eine am 29. Dezember 2017 ausgestellte Rechnung nicht mit PEC oder Einschreiben oder elektronischer Post erst 2018 zugestellt worden ist und auch nicht einen klaren Eingangsstempel mit Datum 2018 trägt, wird die Finanzverwaltung schwer nachweisen können, dass der Kunde die Rechnung nicht vielleicht doch noch im Dezember 2017 erhalten hat.
Schlussfolgerung: Vor dem 17. Jänner 2018 eingegangene Rechnungen mit Ausstellungsdatum 2017 dürfen noch problemlos im Dezember 2017 verbucht werden; später erhaltene Rechnungen müssen im Monat/Quartal des Erhalts 2018 eingetragen werden, und die Vorsteuer wird in der Abrechnung des entsprechenden Monats/Quartals in Abzug gebracht. Spätestens muss die Vorsteuer für 2018 eingegangene Einkaufsrechnungen in der MwSt- Erklärung für 2018 im April 2019 abgezogen werden.
2. Kunden- und Lieferantenliste für 2. Halbjahr 2017
Und nun eine gute Nachricht: Die eigentlich erst für 2018 vorgesehenen Vereinfachungen bei der Kunden- und Lieferantenliste (siehe unser Rundschreiben Nr. 45/2017) werden vorgezogen und sollen bereits den Listen für das 2. Halbjahr 2017 zugutekommen. Zu diesem Zweck wird die Frist für die Abgabe vom 28. Februar 2018 vorerst ausgesetzt, und es soll ein neuer Termin vorgesehen werden, welcher auf jeden Fall erst 60 Tage nach Veröffentlichung der zu überarbeitenden und vereinfachten Vordrucke fällig sein wird.
Hinweis: Sobald der Vordruck nebst Anleitungen veröffentlicht wird, werden wir Sie über Details und Termine der neuen Kunden- und Lieferantenliste informieren. Der Terminaufschub erleichtert zudem auch die Registrierung von 2017 ausgestellten Rechnungen (die u. U. intern noch geprüft werden müssen) mit Monat Dezember 2017.
3. Split Payment
Besser spät als nie: Im Amtsblatt vom 18. Jänner 2018 ist die Verordnung des Finanzministeriums vom 9. Jänner 2018 veröffentlicht worden, in welcher die Körperschaften, Gesellschaften und Stiftungen enthalten sind, an welche seit 1. Jänner 2018 aufgrund der geänderten Zugangsvoraussetzungen nur mehr Rechnungen unter Anwendung des sog. „Split Payment“ ausgestellt werden dürfen (siehe auch unser Rundschreiben Nr. 3/2018).
Um zu überprüfen, ob eine Körperschaft oder Gesellschaft in die Anwendung der „gespaltenen MwSt“ fällt, müssen für Gesellschaften, Stiftungen und Körperschaften die Listen unter http://www1.finanze.gov.it/finanze2/split_payment/public/ eingesehen werden; bei der öffentlichen Verwaltung hingegen ist die Eintragung der jeweiligen Verwaltung für Zwecke der elektronischen Rechnungserteilung in der Liste unter www.indicpa.gov.it ausschlaggebend. Die provisorischen Listen der Gesellschaften haben wir Ihnen bereits übermittelt; große Änderungen sind nicht erfolgt. Trotzdem muss nach ersten Überprüfungen festgestellt werden, dass die Listen sicher nicht vollständig und fehlerfrei sind!
Zur Rechtssicherheit trägt aber eine Klarstellung bei, dass zukünftige Änderungen der Zugangsvoraussetzungen, soweit sie innerhalb 30. September eintreten, erst ab 1. Jänner des da- rauffolgenden Jahres für die Anwendung des Split Payment wesentlich sind, während Änderungen nach dem 30. September erst für die Zeit ab 1. Jänner des zweiten Folgejahres wirksam werden. Sollten also in den nächsten Wochen weitere Korrekturen an den Listen erfolgen, so sollten diese – zumindest nach dem Wortlaut dieser Regelung – für das laufende Jahr keine unmittelbaren Auswirkungen mehr haben. Umgekehrt können Gesellschaften und Verwaltungen, die sich irrtümlich (nicht) in den Listen finden, innerhalb von 15 Tagen ab Veröffentlichung (also noch bis zum 2. Februar 2018) Korrekturanträge an das Ministerium stellen; hierfür sind eigene Vordrucke veröffentlicht worden, und ggf. bitten wir Sie, sich mit unserem Büro in Verbindung zu setzen.
Wichtig: Lieferer und Dienstleister können im Sinne von Art. 17-ter Abs. 1-quater MwStG von ihren Kunden eine ausdrückliche Erklärung verlangen, mit welcher diese bestätigen, dass sie unter das Split Payment fallen.
Und noch ein Hinweis für Restaurants, Hotels und Einzelhändler, die u. U. in arge organisatorische Schwierigkeiten geraten, wenn sie all den betroffenen Verwaltungen und Gesellschaften nur mehr Rechnungen mit Split Payment erhalten dürfen und diese (bei öffentlichen Verwaltungen) zudem nur mehr als elektronische Rechnungen versandt werden dürfen: Unseres Erachtens gilt unverändert die Klarstellung in Beantwortung der parlamentarischen Anfrage Nr. 5-005002 vom 15. März 2015, wonach Lieferungen und Leistungen, die über Kassenbeleg oder Steuerquittung dokumentiert werden, nicht unter die neuen Verpflichtungen fallen. Dar- aus folgt: Wird für ein Mittagessen zu Lasten einer betroffenen Gesellschaft zunächst eine Steuerquittung ausgestellt, und nachfolgend wird für diesen Steuerbeleg eine Rechnung er- stellt (mit Angabe der Nummer der Steuerquittung auf der Rechnung), um den Vorsteuerabzug zu ermöglichen, so fällt dieser Umsatz nicht in die Verpflichtungen von elektronischer Fakturierung oder Split Payment! Voraussetzung hierfür ist aber, dass dem Kunden nicht schon sofort eine Rechnung ausgestellt wird, sondern zunächst eine Steuerquittung (oder ein Kassenbeleg), und erst in einem zweiten Moment (u. U. auch nur 1 Minute später) wird eine Rechnung erstellt, in welcher auf die vorhergehende Steuerquittung Bezug genommen wird.
Für weitere Informationen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider