Neue Nachweise bei innergemeinschaftlichen Lieferungen ab 1. Jänner 2020

Rundschreiben Nr. 40/2019
Bozen, den 27. Dezember 2019

Zur Erinnerung: Eine der Voraussetzungen, damit eine innergemeinschaftliche Lieferung vor- liegt, ist der Umstand, dass das Gut tatsächlich von einem EU-Staat in einen anderen verbracht wird. Wie diese Verbringung nachzuweisen war, darüber gab es bislang in den einzelnen EU- Ländern recht unterschiedliche Vorschriften. Mit Jahreswechsel tritt nun die europäische MwStVO im Sinne der Richtlinie 2018/1912 in Kraft. Damit wird erstmals auf Unionsebene eine einheitliche Regelung vorgesehen, mit der eine Vermutungsregelung über die erfolgte Verbringung vorgesehen wird. Die Steuerbehörden können die Vermutungsdokumente widerlegen, aber nur wenn sie Hinweise auf falsche Dokumente haben oder dass die Ware nicht das Abgangsland verlassen hat. Die Neuerungen treten mit 1. Jänner 2020 in Kraft, auch wenn Italien bis heute eine ausdrückliche Umsetzung in das nationale Recht unterlassen hat.
Eigentlich war in der Fachpresse in den letzten Tagen davon ausgegangen worden, dass die Finanzverwaltung zumindest mit einem Rundschreiben die Neuerungen klären würde; dem ist leider nicht so. Inzwischen muss man sich mit einer Antwort der Agentur der Einnahmen (Nr. 100 vom 8. April 2019) behelfen, in welcher die Finanzverwaltung die anstehenden Neuerungen bereits zum Teil vorweggenommen hat.
Daher trotzdem der Versuch einer Darstellung der wichtigsten Neuerungen:
Die Neuregelung (Art. 45a) der Durchführungsverordnung sieht eine umfangreiche Nachweispflicht vor, die in der Praxis oft schwierig, oft kaum oder überhaupt nicht zu erfüllen ist. Man unterscheidet dabei zwischen
(a) Beförderung oder Versendung durch den Lieferer und
(b) Beförderung oder Versendung durch den Erwerber bzw. Abnehmer.

Beförderung durch Lieferer
Werden die Gegenstände vom Lieferer oder für seine Rechnung von einem Dritten befördert oder versendet, kann der Nachweis des grenzüberschreitenden Transports wie folgt erfolgen:
a) durch Unterlagen zum Versand oder zur Beförderung der Gegenstände (Liste laut Art. 45 Buchst. A) oder
b) durch einen alternativen Nachweis (Liste laut Art. 45 Buchst. B).

Im ersten Fall (Buchst. A) sind mindestens zwei der nachstehenden einander nicht widerspre-
chenden Unterlagen erforderlich, die von zwei verschiedenen Parteien ausgestellt wurden. Die
Parteien müssen vom Verkäufer und vom Erwerber und auch voneinander unabhängig sein. Es
handelt sich dabei um folgende Dokumente (Buchst. a von Art. 45a MwStVO):

- Transportdokument,
- unterzeichneter CMR-Frachtbrief,
- Konnossement (Schiffsfrachtbrief),
- Luftfracht-Rechnung oder
- Rechnung des Beförderers der Gegenstände.

Unklar ist hier noch, ob der CMR-Frachtbrief, um als Nachweis zu genügen, nur vom Spediteur
bzw. dem Transportunternehmen zu unterzeichnen ist (für die Warenübernahme), oder ob auch
die Unterschrift des Abnehmers erforderlich ist.

Im zweiten Fall (alternativer Nachweis laut Buchst. B) kann der Nachweis durch eines der vor- hergehenden Dokumente (laut Buchst. a) und ein weiteres Dokument der nachfolgenden Liste (laut Buchst. B) erbracht werden. Auch hier müssen die Dokumente von zwei verschiedenen Parteien ausgestellt werden, die voneinander und vom Verkäufer und vom Erwerber unabhängig sind. Es handelt sich dabei um folgende Unterlagen (Buchst. b von Art. 45a MwStVO): -Versicherungspolizze für den Versand oder die Beförderung der Gegenstände;

  • Bankunterlagen, die die Bezahlung des Versands oder der Beförderung der Gegenstände be- legen;
  • von einer öffentlichen Stelle wie z. B. einem Notar ausgestellte offizielle Unterlagen, die die Ankunft der Gegenstände im Bestimmungsmitgliedstaat bestätigen;
  • eine Quittung, ausgestellt von einem Lagerinhaber im Bestimmungsmitgliedstaat, durch die die Lagerung der Gegenstände in diesem Mitgliedstaat bestätigt wird.

Beförderung durch den Erwerber

Werden die Gegenstände nicht vom Lieferer, sondern vom Erwerber (Abnehmer) oder für seine Rechnung von einem Dritten befördert oder versendet, hat der Lieferer den Nachweis des grenz- überschreitenden Transports durch die gleichen Unterlagen zu erbringen, die im Falle der Lieferung oder Beförderung durch ihn oder in seinem Auftrag erforderlich wären (Fall a) und zusätzlich durch eine schriftliche Erklärung des Erwerbers. Aus dieser Erklärung hat hervorzugehen, dass die Gegenstände vom Erwerber oder auf dessen Rechnung von einem Dritten versandt oder befördert wurden, und welches der Bestimmungsmitgliedstaat der Gegenstände ist. Diese Erklärung des Abnehmers muss dem Lieferer spätestens zehn Tage nach Ablauf des Liefermonats vorliegen. Aus der Ersatzerklärung müssen im Detail folgende Informationen hervorgehen: - Ausstellungsdatum,

  • Kenndaten des Erwerbers,
  • Menge und Art der Güter (bei Fahrzeugen auch die Fahrgestellnummer),
  • Bestimmungsort und Ankunftsdatum,
  • Kenndaten der Person, welche auf Rechnung des Erwerbers die Waren entgegennimmt.

Bei der Abholung durch den Abnehmer gestaltet sich der Nachweis also besonders schwierig: Abgesehen von der erwähnten Erklärung hat nämlich der Empfänger dem Lieferer den CMR- Frachtbrief, die Transportrechnung oder die Versicherungspolizze oder die Zahlungsbestätigung für die Transportrechnung zu übermitteln. Es handelt sich hier zum Teil um vertrauliche Unterlagen und um Informationen, die man nicht unbedingt dem Geschäftspartner überlassen will.

Im Übrigen: Wenn die Beförderung durch den Lieferer oder durch den Abnehmer selbst (z.B. durch eigenen LKW) durchgeführt wird, können die Nachweise bzw. die angeführten Dokumente, wie sie von der Durchführungsverordnung verlangt werden, gar nicht vorgelegt werden. Es liegt dann nämlich kein CMR-Frachtbrief, keine Rechnung des Spediteurs oder eine Versicherungspolizze vor. Laut Kommentarentwurf der EU-Kommission können dann die Nachweisbestimmungen angewandt werden, wie sie in den einzelnen Mitgliedstaaten bislang vorgesehen waren. In Italien müsste man sich dazu auf die bisherige Verwaltungspraxis stützen.

VIES-Eintragung:

Damit eine nicht steuerbare innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt, müssen ab 1. Jänner 2020 fünf Voraussetzungen (bisher 4) erfüllt sein:

  1. Verbringung beweglicher Güter von einem EU-Land in ein anderes (über die neuen Nachweispflichten haben wir Sie bereits oben informiert);
  2. Der Geschäftsvorfall muss zwischen zwei Unternehmen, die in unterschiedlichen Mitgliedsstaaten für MwSt-Zwecke registriert sind, erfolgen, und die erwerbende Partei ist verpflichtet, der verkaufenden Partei ihre MwSt-Registrierung mitzuteilen;
  3. Eigentumsübertragung an den genannten Gütern;
  4. die Übertragung muss entgeltlich erfolgen, und
  5. die verkaufende Partei erstellt eine zusammenfassende Meldung über die durchgeführten innergemeinschaftlichen Lieferungen.

Neue substantielle Voraussetzung für die Steuerbefreiung ist also, dass die erwerbende Partei die MwSt-Position, mit welcher sie in einem anderen Staat (als dem Abgangsland der Lieferung) registriert ist, mitteilt, und der Lieferer ist auch verpflichtet, diese Position im Verzeichnis VIES zu überprüfen. Aufgrund der bisherigen Rechtslage hatte die Agentur der Einnahmen zuletzt im Videoforum vom 23. Jänner 2019 – in Abweichung von ihrer früheren Auslegung - bestätigt, dass die VIES-Eintragung nur eine formellen, aber keinen substantiellen Charakter hat. Diese Auslegung gilt jetzt nicht mehr.

Sobald amtliche Anleitungen zu den aufgezeigten Neuerungen vorliegen, werden wir Sie im Detail umgehend informieren.

Mit freundlichen Grüßen
Josef Vieider